hinübergegangen

Gedicht

von  monalisa

seist du

friedlich im schlaf

sagten sie

 

dein körper ist verbrannt

die urne beigesetzt

 

du atmest weiter

zwischen büchern und

chaos im wäscheschrank

in weiten zimmern

duftend nach kaffee

und poliertem holz

 

du atmest weiter und flüsterst:

ich bin nebenan



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Kommentare zu diesem Text


 Létranger (24.02.22, 08:23)
Ein sehr ähnliches habe ich neulich geschrieben. 

LG Lé.
Jo-W. (83) meinte dazu am 24.02.22 um 10:22:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 monalisa antwortete darauf am 25.02.22 um 08:09:
Hallo Lé, hallo Jo

danke für eure Kommentare!

Liebe Grüße
mona

 TassoTuwas (24.02.22, 10:27)
Die Frage, die ich nicht beantworten kann.
Ist es fair wenn ich zuerst gehe und lasse dich allein zurück, oder...

Jemand anders wird das entscheiden!

Liebe Grüße
TT

 monalisa schrieb daraufhin am 25.02.22 um 08:13:
Ja, TT,
das ist wohl eine Frage, die sich betagte Paare öfter stellen, bez. andersrum gibts Ängte, allein übrigzubleiben".

Vielen Dank und liebe Grüße
mona

 MagunSimurgh (24.02.22, 11:39)
Ein sehr schönes und berührendes Gedicht über den Tod einer Person. und das, was zurückbleibt. Erinnert mich sehr daran, was mir bei "Asche" durch den Kopf ging. 

Ich finde es sehr gelungen, wie sich am Anfang aus der Andeutung des Geschehenen dann für mich beim Lesen die Realisation der Endgültigkeit vollzieht mit der Urne, denn es ist klar, "toter" als verbrannt kann man nicht mehr sein. Es gibt nichts Endgültigeres als die Asche.

Trotzdem bleibt da etwas von der Person übrig und zwar vor allem an Orten, an denen sie gelebt hat oder die andere an sie erinnern. Hier sehe ich so eine Art Arbeitszimmer, in dem die Person viel Zeit verbracht hat (wegen der Bibliothek und dem Kaffee). Das Chaos im Wäscheschrank hat eine fast humoristische Note, die Person war nicht perfekt - darauf kann man nun mit einer gewissen Milde zurückblicken, denn auch das gehört zu dieser Person, erinnert an sie. Möglicherweise steht hier noch das Ausräumen der Räume an für das LI – oder die Entscheidung, Dinge so zu lassen, ist eine bewusste, eine Erinnerung, die bleiben soll. Wogegen aber die Wäsche spricht - vielleicht ist es also doch ein schwerer letzter Schritt des Abschieds, vor dem noch Respekt besteht, denn so lange "atmet" die Person ja weiter. 

Der Kontrast zwischen dem Atem (Was ist lebendiger als das?) und der Urne (Was ist toter als eine Urne unter der Erde?) geht extrem gut auf. 

Am Ende irritiert mich das "flüstern" etwas, es macht die verstorbene Person plötzlich aktiv und ich empfinde das als einen klaren Bruch mit dem Bild. Hinzukommt, dass dieser Vers auch sprachlich mit seiner Komplexität und zwei Verben, die Form und den Klang des vorigen Textes sehr bricht. Mich irritierte das ziemlich als Leser. Ich hätte auch ein paar Ideen, wie es stattdessen enden _könnte_, aber mich würde interessieren, ob dahinter nicht ein sehr klares Motiv von dir beim Schreiben steht und welches das ist. 

Liebe Grüße
Magun

Kommentar geändert am 24.02.2022 um 11:40 Uhr

 monalisa äußerte darauf am 25.02.22 um 08:47:
Hallo Magun,
was für ein Kommentar! Du arbeitest sehr detailliert die Gegensätze heraus, die genau mein Thema waren :) .
Asche - Atem.
Andererseits sollte das geflüsterte "ich bin nebenan" dem "hinübergegangen" seine Berechtigung geben, nicht als Verschleierung des Todes, sondern als eine Sichtweise, die auf der Erfahrung beruht, dass mit dem Tod doch nicht alles aus ist. Ich weiß nicht, ob es ein Weiterleben im Paradies, Fegefeuer, Hölle ... ob es Seelenwanderung, oder was da sonst noch an Vorstellungen herumschwirren, tatsächlich gibt. Aber eine Verbundenheit, die fortdauert, die gibt es, davon bin ich überzeugt.

Mich würde sehr interessieren, wie du dir den Schluss alternativ vorstellen kannst. Ich erlebe die letzten beiden Verse schon als besonders, würde aber nicht von einem Bruch sprechen. Dieses "flüstern" ragt über den Rahmen etwas hinaus und so empfinde ich es auch: als ein Überschreiten der biologischen Grenze Tod auf einer anderen Ebene. Ich hoffe, dass ich das verständlich ausgedrückt habe?

Vielen herzlichen Dank für dein intensives Eintauchen in den Text und die tolle Rückmeldung, die mich sehr, sehr freut :) .

Liebe Grüße
mona

 MagunSimurgh ergänzte dazu am 25.02.22 um 10:06:
Liebe Mona,

da bin ich aber froh, wenn die Sachen, die mir aufgefallen sind, auch so "gemeint" waren. Das ist auch wirklich ein Text, der sehr zum Eintauchen einlädt und der in mir viel Resonanz erzeugt thematisch.

Dass das Verbundenheitsempfinden sich fortsetzt, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich glaube, ich würde mit etwas weniger Gewissheit arbeiten. Ich würde es etwas "mystischer" sagen, weniger aktiv, vielleicht gekoppelt an einen äußeren Sinneseindruck. Ich würde nach "du atmest weiter" die Zeile noch einmal umbrechen und dann zum Beispiel: "der Wind flüstert" oder "eine Stimme im Wind flüstert" oder "zwischen den Seiten flüstert etwas" und dann "ich bin nebenan". Für mich würde sich das "echter" noch anfühlen, weil ich selber dieses Verbundenheitsgefühl eher mit einer gewissen Ungewissheit versehen würde, man fühlt ist es, aber ist da wirklich noch was? Man fragt sich ja dann auch durchaus "ist das echt oder Einbildung? Vielleicht ist es auch eher ein Wunsch, eine Hoffnung, dass da noch was ist, dass die Person nicht ganz weg ist?". 

Das käme für meine Begriffe noch etwas klarer heraus, wenn nicht so gewiss wäre durch den Aktiv, dass es sozusagen eine Kontaktaufnahme aus dem Jenseits andeutet. Also es ist ja eher so, dass die trauernde Person plötzlich alle möglichen "Zeichen" sieht oder sehen will. Ein schönes Beispiel ist das Wetter, oft sagen ja Personen, sie glauben, dass die Toten weinen, wenn es im richtigen/falschen Moment regnet (vgl. z.B. "Nur zu Besuch" von den Toten Hosen). Damit würde ich eher arbeiten.

Ist das verständlich, was ich meine? :)

Liebe Grüße
Magun

 monalisa meinte dazu am 26.02.22 um 08:30:
Lieber Magun,

ein sehr überdenkenswerter Kommentar, für den ich mich herzlich bedanke. Ich denke, ich verstehe (ungefähr), was du meinst. Es würde wohl den Übergang mildern, zwischen LI und LD eine Zwischenebene (Wind/Seiten ...) einzuziehen, Gegenstände und/oder Naturphänomene für die/den Tote/n sprechen zu lassen. Meines Erachtens sollte dann aber auch konsequenter Weise das direkte "du atmest weiter" verändert werden?
Je mehr ich in mich hineinhorche, desto eher komme ich zu dem Schluss, dass ich das nicht möchte, sondern das Flüstern als Erweiterung des Atmens fortführen und intensivieren. Für mein Bauchgefühl passt es so, wie es da steht, ich kann aber deine, andere Sichtweise sehr gut nachempfinden, auch wenn ich im Moment nicht dahingehend ändern möchte :) . Jedenfalls danke ich dir herzlich, für den intensiven Austausch hier. ich freue mich sehr darüber.

Liebe Grüße
mona

 MagunSimurgh meinte dazu am 26.02.22 um 08:45:
Liebe Mona,

aus meiner Sicht müsste das „du atmest weiter“ gar nicht unbedingt geändert werden als Konsequenz, das finde ich sehr wichtig für den Text. Ich würde nur dieses ins Aktive holen am Ende selber nicht machen (aber es ist gut möglich, dass sich da die gemeinten Empfindungen einfach unterscheiden).

Ich finde es völlig in Ordnung, es so zu lassen, wie es ist, gerade wenn es das ist, was du meinst. :) Ich finde, der Text hat doch sehr viel erreicht, wenn wir uns gegenseitig damit auseinandersetzen konnten, wieso wir diese Stelle so unterschiedlich auffassen.

Liebe Grüße
Magun

 monalisa meinte dazu am 26.02.22 um 19:35:
Lieber Magu,

schön, dass du dich noch einmal meldest :) ! Ich finde auch: es ist viel erreicht, wenn man im gegenseitigen Austausch zu mehr Klarheit gelangt, ohne dass die Standpunkte und Sichtweisen unbedingt übereinstimmen müssen. Dieser Austausch ist es, der mich so reizt an Foren wie diesem.

Herzlichen Dank und liebe Grüße
mona

 AchterZwerg (24.02.22, 15:53)
Es ist eigenartig, wie lange sich der Duft eines geliebten Menschen in den Dingen hält.
Vielleicht wird er nach einiger Zeit nur halluziniert; bleibt aber doch vorhanden.
So trügt die Erinnerung auf anmutige Weise udn schafft die Illusion des "ewigen" Lebens.

Liebe Grüße
der8.

 monalisa meinte dazu am 25.02.22 um 08:18:
Ja, Danke 8.,
ich bin nicht sicher, ob nur Illusion oder Halluzination dabei eine Rolle spielen, vieles lebt ja auch in den Hinterbliebenen selbst weiter ...

Liebe Grüße
mona
wa Bash (47)
(24.02.22, 17:48)
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 monalisa meinte dazu am 25.02.22 um 08:21:
Freut mich waBash, wenn das so ist!
"Hinübergegangen" empfinde ich schon auch als ein Veschleiern des Todes, andererseits aber auch treffend, um das Gefühl der Nähe über den Tod hinaus zu beschreiben.

Liebe Grüße
mona

 Saira (24.02.22, 19:06)
Liebe Mona,
 
ich habe keine Worte und eigentlich doch so viele, aber nicht hier …
 
Nur so viel: ich verstehe dich und fühle … mit dir!
 
Ganz liebe Grüße
Sigrun

 monalisa meinte dazu am 25.02.22 um 08:24:
Liebe Sigrun,
danke, auch für die Ehre, dass du mich nun zu deinen "Lieblingsdichteriinnen" aufgenommen hast.

Liebe Grüße
mona

 GastIltis (24.02.22, 19:39)
Liebe mona,
 
der Tod lebt. Auch von schönen Begriffen: hinügergegangen, unvergessen, beigesetzt, wie ein Blatt vom Baum, unerwartet, ewiges Gedenken, viel zu früh …
Du bist so sparsam damit umgegangen, dass es sich ehrlich, sanft und voller Zuversicht liest. Und doch schön.
 
Viele Grüße von Gil.

 monalisa meinte dazu am 25.02.22 um 08:26:
Danke Gil, das freut mich :)

Liebe Grüße
mona

 minze (26.02.22, 17:13)
Ich finde es sehr logisch und verbunden- dass das weiteratmen durch die Räume zum Flüstern wird und zu Versicherung, das LD sei nebenan.
Also diese innere Kohärenz ist mir sehr, sehr deutlich, sinnig und stark. Und schließt sich an meine Empfindungswelt an im Übrigen. 

LG

 monalisa meinte dazu am 26.02.22 um 19:37:
Liebe minze, freut mich sehr, wenn deine an meine Empfindungswelt anschließt. Danke für diese Rückmeldung :) .

Liebe Grüße
mona
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