2 - Zoff Kohlrouladen und eine Idee

Das saß richtig, das war ein knallharter Doppelschlag, Bernhard hatte er gesagt, nicht etwa Berni. Hinter meiner Stirn sausten die Gedanken wie ein aufgescheuchter Hornissenschwarm durcheinander. Bernhard, Bernhard, wann hatte er mich zum letzten Mal Bernhard genannt?

Ich musste weit zurück denken, sehr weit, bis zu jenem denkwürdigen Sonntagnachmittag vor etlichen Jahren, an dem die Eintracht im letzten Heimspiel den sicheren Aufstieg vergeigt hatte. "Bernhard" hatte er zu mir gesagt, so wie jetzt, und ich zu ihm "Rudolf" und dann hatten wir bis zum Einbruch der Dunkelheit auf der Gegengraden gesessen und nur noch geheult.

Dass er nun Bernhard gesagt hatte war schon schlimm genug, aber dann auch noch dieser bedrohliche Nachsatz: "Die Situation ist eingetreten...

"Rudolf...", sagte ich schnell, "...ich kann ja nochmal in den Zooladen gehen, vielleicht haben sie ja ...", weiter kam ich nicht.

"Vergiss das mit den blöden Skorpionen...", fuhr er mir dazwischen, "...jetzt geht es ums Ganze, wenn du mir nicht hilfst ist es aus, ist alles aus, ...totales Ende!"

"Was ist aus...?", ich begann mit tatsächlich Sorgen zu machen, da war so ein unüberhörbares Vibrieren in seiner Stimme, "...wovon sprichst du?"

"Von mir und Carola!"

Jetzt war es raus. Ich atmete auf, Ehekrise, ein bisschen Zoff am häuslichen Herd, das war es also.

"Rudolf...", sagte ich, "...egal was passiert ist, das krieg ich locker hin!"

Carola und Rudi galten im ganzen Bekanntenkreis als das ideale Paar. Ein einzigartiges Bild von Harmonie und Zuneigung. Sie turtelten unentwegt und mussten sich nach vorsichtigen Schätzungen mindestens schon zwei Millionen mal geküsst haben, die Hälfte davon in der Öffentlichkeit. Wie gut sie aufeinander eingespielt waren hatten sie bei dem von einem Küchenhersteller im Fernsehen gesponserten Quiz bewiesen, wo sie ein achtzehnteiliges Topfset gewonnen hatten.

"Danke...", flüsterte Rudi. 

An mein Ohr drang ein Geräusch, das sich wie das Rascheln eines Taschentuchs anhörte, dann schnäuzte er sich dröhnend und ausgiebig, "...wusste, auf dich kann ich mich verlassen!"

"Klar...", sagte ich mit dem Brustton der Überzeugung, "...jetzt erzähl erst mal, was ist denn eigentlich vorgefallen!"

Rudi räusperte sich, einmal, zweimal, suchte offensichtlich nach den passenden Worten.

"Also, ...es fing wirklich harmlos an, ...so ganz nebenbei kam die Frage, was man deiner Beate denn als kleine Aufmerksamkeit am Samstag mitbringen könnte, und ich sagte, Schatz, dir wird schon was einfallen, und sie sagte darauf, es würde mit der Zeit immer schwieriger und ich könnte mir ja auch mal Gedanken machen, und ich meinte, dir ist bis jetzt doch immer etwas eingefallen!" Er holte tief Luft, "Und das finde ich, ist doch ein Lob, auf das hätte sie doch stolz sein können, ...findest du nicht auch?"

"Doch, doch...", antwortete ich schnell, "...das ist, finde ich, ist sogar ein sehr schönes Lob!"

"Aber sie hat es überhaupt nicht verstanden", schnaufte er zurück. Aus jeder Silbe seiner Antwort klang Empörung und Anklage. "Darauf hat sie gemeint, genau das ist es ja, immer müsste sie sich kümmern und ich würde mich nur zurücklehnen, worauf ich gesagt habe, sie möge doch bitte sachlich bleiben, auch wenn das Frauen schwer fällt und überhaupt sei es doch wirklich nichts Besonderes sich eine Kleinigkeit einfallen zu lassen. Ich hätte auf Anhieb ein Dutzend tolle Ideen, ...wenn ich wollte! Und sie darauf, "Dann will doch mal, ...mach schon, ...ich höre!"

"Willich aber nicht, hab ich gesagt!", und sie so richtig patzig, "Wundert mich auch gar nicht, du willst ja immer nur das Eine!"

"Nun ja...", sagte ich, "...Carolas Kohlrouladen sind aber wirklich eine Delikatesse!"

Er schien mir nicht zugehört zu haben. "Bernhard...", er atmete hörbar durch, "...du kennst mich, ich bin ruhig geblieben. Ich hab ihr gesagt, dass sie das falsch sieht, ich müsse mich ja die schließlich um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens kümmern. Darauf sie, so wäre das also, was sie von morgens früh bis abends spät tue sei wohl alles Pipifax, nicht der Rede wert, völlig unnötig und dann hat sie gelacht...", er machte eine Pause, "Bernhard, sie hat gelacht, so hab ich es noch nie gehört, ...ungefähr so".

Er versuchte tatsächlich ein lautes schrilles Lachen nach zu ahmen. Es klang grauenvoll. 

"Rudi lass gut sein...", sagte ich, "...erzähl, wie es weiter ging".

"Ja dann, hab ich ganz ruhig und betont zu Carola gesagt, "Schätzchen, könntest du bitte mit dem blöden Lachen aufhören".

"Um Gottes Willen...", stieß ich hastig hervor, "...hast du blöde gesagt?"

"Hab ich nicht...", brauste Rudi auf, "...sie behauptet es, du weißt doch wie das geht, ein Wort gibt das andere, kann sein, dass es mir raus gerutscht ist, gibt doch wirklich Wichtigeres, als diese kleinliche Wortklauberei!" Er schwieg trotzig.

"Nicht für Frauen...", sagte ich, "...und wie ging es weiter?"

Ich hörte ihn mehrfach tief atmen. "Naja, nach weiteren zwanzig Minuten, in denen ich immer weniger zu Wort kam meinte sie, mit so einem Klugscheißer könne sie nicht länger unter einem Dach sein, und sie wäre bei ihrer Mutten bestimmt besser aufgehoben. Es sei denn...", er machte eine Pause, "... ich könne ihr mit einer richtig guten Geschenkidee beweisen, dass ich doch kein Riesen-Dummschwätzer wäre!"

Wieder kam ein Rascheln aus dem Telefon, und nach einer weiteren Pause, "Berni..., ganz ehrlich, sind wir jetzt im Arsch?"

"Wir nicht!", bemerkte ich halblaut, denn mir war eine Idee gekommen.

"Oh, Mann!", heulte er auf.

"Rudi, ...keine Panik...", sagte ich, "...ich hab die Lösung, alles wir gut!"

Wird fortgesetzt