Die Großfamilie Nikolaus Berberich

Dokumentation

von  Fridolin



Johann Nikolaus Berberich ist, schon allein wenn man das Genogramm betrachtet, die eindrucksvollste Figur unter den Berberichs.  Zwei Ehefrauen und zwölf Kinder hat sonst keiner vorzuweisen. Er ist der erste, der nicht mehr auf dem Land, sondern im Städtchen aufwächst, und er ist erst vier, als sein Vater stirbt. Einen gewissen ländlichen Rückhalt wird er durch die mindestens zwei seiner Onkel in Otterbach gehabt haben, einer war sogar dort Schultheiß. Seine Mutter muss er aber jetzt mit einem kleinen Schwesterchen, und bald auch mit einem Stiefvater und nach und nach auch mit vier groß werdenden Halbgeschwistern teilen.

In dieser sicher nicht ganz einfachen Lage beschließt er, sein Glück nicht mehr in der Landwirtschaft, sondern im Schreinerhandwerk zu suchen, und darin eifert ihm sein 11 Jahre jüngerer Halbbruder Johann Michael Kuhn nach, indem er auch ein Handwerk erlernt, in seinem Fall das Schmieden. Für beide lässt sich jetzt auch der genaue Wohnort ausmachen. Ich stelle mir vor, dass sie beide in den Häusern ihrer jeweiligen Väter geblieben sein könnten:

Als Nikolaus Adresse ist Hausnummer 218 angegeben, das ist ein Haus etwa auf halber Höhe der damals Schafsgasse, heute Abteigasse Nr. 26, auf der rechten Seite.

Wenn er aus dem Haus tritt, sieht er links die dominierend mächtigen Türme der Abteikirche, rechts dagegen geht es hinunter zum Flüßchen Mud und es ist da auch nicht weit zu seinem Schmied-Halbbruder J.Michael in der Bauhofstr.
1786, (wir nähern uns der französischen Revolution) also schon in einem eher fortgeschrittenem Alter von 31 Jahren, heiratet Nikolaus eine Anna Barbara Stahl, älteste Tochter eines Schneiders,1Mit dieser ersten Frau zeugt er in 20 Jahren und ziemlich gleichmäßigen 3-Jahres-Abständen acht Kinder. In der Übersicht:


  1. Johann Michael Stefan, *26.12.1786-7.10.1832, Schreiner,
    ∞1816 eine Hamm, 10 Kinder, Hausnummer 83, das ist schräg gegenüber von Brauerei Etzel, am Fuß des Wolkmann. Heute: Mühlrain 9 i

  2. Wieder ein Nikolaus, *2.6.1789, †1863, aber wo? - nicht in Amorbach

  3. Franz Josef, *4.3.1792-16.4.1852, Schreiner, ∞1826 die Löwenwirtstochter Apollonia Münch, 3 Kinder, Hausnummer 247, heute Abteigasse links, wo diese einen rechten Winkel bildet; das Haus scheint aber auch über die Hintere Gasse, als Hausnummer 10 zugänglich zu sein. Die Münchschwestern spielen später noch eine Rolle bei den Links.

  4. Anna Barbara, *6.2.1795, †1831, bleibt ledig

  5. Maria Anna, 1.10.1797, †23.1.1800

  6. Ignaz, *11.6.1800, keine näheren Angaben

  7. Maria Josefa, *14.3.1803-1873, ∞Karl Josef Stengle, Hausnummer 310, heute Johannisturmstr. 4 (s. Nr 3268b im AFB, hier wird es erstmals akademisch)

  8. Johann Valentin, *7.4.1806,† 21.9.1807

Am 11.4.1806, vier Tage nach der Geburt des letzten Kindes verstirbt diese Frau, (das Kind lebt noch 17 Monate); mit diesen acht zu dieser Zeit noch lebenden Kindern wartet Nikolaus allerdings nicht lange: Er verehelicht sich schon zwei Monate nach dem Tod der ersten Frau zum zweiten Mal, wie das ja auch schon bei Johann Philipp 1 und Barbara Hagel ähnlich schnell gegangen war. Ein Trauerjahr scheint damals nicht so üblich gewesen zu sein.

Um diese Zeit ist er im übrigen, was auch immer das bedeutet, verbürgt Stadtleutnant, von 1806 bis 1807. (Das dürfte wohl ein nebenberufliches Ehrenamt gewesen sein und mit der napoleonischen Zeit zusammenhängen. 1803/1806 hielten im übrigen nach dem Reichsdeputationshauptschluss auch die Leiningen als Fürsten Einzug in die Stadt; nicht mehr das Kloster, sondern der Adel hatte jetzt das Sagen in der Stadt).

Die zweite Ehefrau ist wieder eine Schneiderstochter, 20 Jahre jünger als Nikolaus und heißt Anna Eva Stühler. Sie heiratet in eine schon ziemlich zahlreiche Familie ein, weiß aber auch eine wahre Großfamilie hinter sich, denn ihr Vater, wohnhaft in Hausnummer 71, (scheint heute abgerissen zu sein, war neben Brauerei Etzel in Richtung Amorsbrunn), hatte mit drei Ehefrauen insgesamt 17 Kinder; davon lebten zu dieser Zeit wohl noch 10, vier Brüder (2 blieben im Elternhaus, einer in der Bauhofstr.) und fünf Schwestern (drei mit eigenen Familien). Weiteres zu ihrer Herkunft siehe unten.

Dieser zweiten Nikolaus-Ehe entspringt 1807 als erstes Kind mein Ururgroßvater Adam Joseph Berberich. Ein weiterer Sohn verstirbt nach drei Jahren. Eine Schwester Maria Eva erscheint 1812, und zuletzt kommt dann noch 1815 der taubstumme Bruder Johann Martin, der ledig bleiben wird, mit 84 Jahren aber doch trotz seiner Behinderung ein recht hohes Alter erreicht. Wie mag man in dieser Zeit mit einem solchen Handicap umgegangen sein?

Bezieht man die oben genannten älteren Halbgeschwister mit ein, geht da jetzt also ein Vater mit mindestens 3 von seinen 6 Söhnen dem Schreinerhandwerk in Amorbach nach. Haben die Söhne die Werkstatt des Vaters übernommen, oder sind sie vielleicht eigene Wege gegangen? Ich möchte an einen Familienbetrieb glauben, aber das muss wohl Spekulation bleiben. Auf jeden Fall hat Nikolaus dem Schreinerhandwerk in Amorbach mächtig Auftrieb gegeben.

Was wurde aus den Geschwistern aus der ersten Ehe? Ein Halbbruder verlässt Amorbach mit unbekanntem Ziel, von einem anderen wissen wir gar nicht, was aus ihm geworden ist. Eine der Halbschwestern stirbt als ledige Frau mit 36 Jahren, eine weitere, Josefa, auch schon 36, heiratet 1839 hochschwanger den aus Dieburg stammenden, beinahe 30 Jahre älteren Kuhschmied und Tierarzt Karl Josef Stengle, der Witwer ist mit vier schon erwachsenen Kindern, darunter ein Priester; sein Jüngster ist 19. Die gut 2 Monate nach der Hochzeit geborene Tochter wird Barbara Josefa genannt. Eine weitere Tochter stirbt 1862 an der Ruhr.

Auch Adams (Voll-)Schwester Maria Eva heiratet 1850 in Amorbach, und zwar den Schuster und Witwer Johann Amor Breitenbach, der schon drei erwachsene Kinder hat. Die gemeinsame Tochter, auch eine Barbara Josefa kam im Jahr davor zur Welt. Für sie galten die Hausnummern 149 u 79 (existieren beide nicht mehr, 79 war in der Amorsbrunnerstr. ggü. Etzel. 149 befand sich am Ende der Gasse, die von der Löhrstr. neben unserem "Laden" abzweigt)

Der Urgroßvater Stühler, Johann Christoph S. *1670, †1750, kam aus Kitzingen/Michelsfeld. Da er die Tochter des Hutmachers Scholl heiratete, stelle ich ihn mir als fahrenden Gesellen vor,  der sich bei jenem verdingte und  sich in die Tochter seines Meisters verliebte. Sie hatten 3 Kinder, eines davon war der Großvater

Johann Stühler, von dem es keine Daten gibt außer seiner Eheschließung ∞1742 mit Anna Maria Jäger, und mit ihr hatte er einen einzigen Sohn:

Johann Adam Stühler *1742, †1803. Dieser war dreimal verheiratet und hatte insgesamt 17 Kinder, davon 9  in erster Ehe ∞1764 mit Anna Eva Lazarus, (*1739, †1782), wo Anna Eva Stühler, 1775 als fünftes Kind kam.





Anmerkung von Fridolin:

Wer Spaß daran hat: Die Hausnummern lassen sich in einer historischen Straßenkarte der Stadt von 1844 finden:

 https://geoportal.bayern.de/bayernatlas/?zoom=14&lang=de&topic=ba&bgLayer=historisch&catalogNodes=11,122&E=515832.85&N=5499126.64

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (14.04.22, 09:02)
Wieso ist man eindrucksvoll, wenn man 12 Kinder hat?

 Fridolin meinte dazu am 14.04.22 um 16:50:
Tja, was soll man da sagen? Es steht Dir natürlich frei, das anders zu sehen ...

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 17.04.22 um 11:53:
Dem Leser wird es nicht vermittelt, warum dieser Umstand als "eindrucksvoll" gelten soll. Heutzutage hat sowas ja ein ganz anderes Sozialprestige als noch vor 50-100 Jahren...
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