Staat und Kirche zu trennen, das ist ja keine schlechte Idee. In Frankeich funktioniert das halbwegs, und man könnte es „co-habitation“ nennen. Kirchenferne und Kirchentreue tolerieren sich. Das kann ich zumindest aus meinen Aufenthalten in Bonnard her so bestätigen.
Das Apotheker-Ehepaar praktiziert diese Art „co-habitation“ dort als halb-öffentliches Schauspiel. Madame Geneviève Sardy steht dabei für die barmherzige „Eglise catholique“, Monsieur Bertrand Sardy für die Tugenden der Republik, also „l´Etat“.
Da die Sardy-Apotheke keine dreißig Meter von Saint-Eugénie entfernt liegt, sind gewisse Dienste von Geneviève dort sehr nahliegend. So hat sie den Schlüssel der Kirche, und täglich öffnet und schließt sie das Gotteshaus, und es hat sich so eingespielt: zeitgleich zu ihrem Mann, der dann die Rollläden seiner Apotheke bedient. So stehen den Gläubigen beide Wege offen: Die das Seelenheil suchen, betreten Sainte-Eugénie, die um ihr körperliches Wohl besorgt sind, betreten die Pharmacie.
Manche tun auch beides, zumal es bei Monsieur Sardy schon mal zu Wartezeiten kommt – Gelegenheit, gegenüber noch schnell eine Kerze anzuzünden.
Bertrand Sardy legt großen Wert auf seine Kirchenferne. Mir gegenüber hat er seine Distanz einmal mit leichter Ironie dargelegt, nämlich “weil Geneviève da so oft hinrennt, dass es für mich mit reicht!“
Tatsächlich "praktiziert" er nicht, weder an den wenigen Sonntagen, wo in Bonnard noch selbst ein Gottesdienst stattfindet, noch an den anderen, wo die Messe in einem der Nachbardörfer gefeiert wird.
Bei den mittlerweile erwachsenen Söhnen der Sardys könnte man von einem Punkttsieg der Mutter sprechen, denn beide waren Messdiener, sowohl Matthieu als auch Cyril, und beide begleiten die Mutter auch jetzt noch zur Messe, wenn sie einmal am Wochenende zu Besuch sind.
Die kleine Revanche des Vaters: Er hat kein Problem, während der Gottesdienst-Zeiten im Garten hinter Sainte-Eugénie den Rasen zu mähen. „Sonst komme ich ja nicht dazu,“ erklärte er mir grinsend. „Dafür ertrage ich jeden Tag das Läuten der Glocken, das uns auf engstem Raum erfasst.“
Von einem Kulturkampf kann dennoch nicht die Rede sein. Zwar betont Bertrand Sardy bei jeder Gelegenheit, dass er nur der Wissenschaft vertraut, „c´est logique!“, aber dann sehe ich ihn doch regelmäßig im Trikot des AJ Auxerre in sein Auto steigen. Einmal fragte er mich sogar, ob ich nicht mitfahren wollte. Er selber habe ja eine Dauerkarte bei diesem „göttlichen Verein -, ja, da glaubt man noch an den eigenen Nachwuchs!“ und er bete inständig für den Wiederaufstieg. „Als Guy Roux noch unsere Trainer war, ahh, das war das Paradies...Wir spielten einen Fußball, der war überirdisch!“
Ich bin damals nicht mit ihm gefahren. Auxerre ist inzwischen auch erneut abgestiegen. Vielleicht hatte sich Geneviève im Vergleich ja doch den besseren Verein ausgesucht, sag ich mir. Besser für die Nerven.