Deina - Söld blöd

Skizze zum Thema Alles und Nichts...

von  alter79


Wir kannten uns aus der Legion. Und in einer Destille alten Stils, mit Soleiern im Hungerturm, Hackepeterbrötchen, sauren Gurken, selbst gemachten Bouletten, mit gelb gerauchten Zillebildern an den Wänden, Frommsautomaten auf dem Klo, in diesem altmodischen Flair, das einer Kneipe unverwechselbaren Charakter aufdrückt trafen wir uns zufällig wieder.


Mensch P.!

Ey, - der S.!

Schön, dich zu sehen!

Ich freue mich echt ...

Du bist immer noch so schlank.

Genau wie du!

Mein Kampfgewicht.

P. und mich hielten die Ausbilder in Sidi Bel Abbes für Brüder. Beide waren wir eins-acht-und-achtzig groß, hatten schwarz gelockte Haare, dunkle Augen, ausgeprägte Nasen - südländische Typen. Er allerdings mit ins negroide gehender Hautfarbe, schlank in den Hüften, breit im Kreuz, - als Boxer sattes Halbschwergewicht. Jetzt, im Kneipenlicht, sah ich blass aus. P. dagegen gebräunt, wie immer. So viel dazu.

Komm, erzähl, wie ist es dir ergangen, - wann hast du Abschied genommen?

April!

Und du?

Januar ... Ich blieb dann aber noch einige Wochen in Dschibuti -, hatte ein Mädchen, - weißt du -, bin dann über Aubagne und Korsika zurück. Und nun erzähl du ...

Ich bin von Obock, über ein paar Wochen in Kourou und Aubagne, in den Libanon, - dann nach hier.

Und, wie findest du Berlin?

Hör mal, ich bin hier so was wie aufgewachsen. Zehn Jahre - zwischen Greifswalder und Danziger ...

Dachte ich mir, dein Französisch klingt so nach Berliner Schnauze ...

Stimmt! Und du?

Früher Charlottenburg - jetzt hier, wegen der Miete, - aber nicht mehr lange.

Du ziehst weg?

Ja, im Herbst, nach Westend. Ich hab da ne Freundin.

Ihr zieht zusammen?

Ja..

Tatsache ...?; ... hätte ich dir nicht zugetraut.

Wieso?

Na, was du alles so in der Legion verbockt hast ...

Weißt du - das ist vorbei, P.!

Wenn du es glaubst, S.!

Es wurde dann sechs Uhr morgens, und wir saßen wie festgewachsen, redeten, schwiegen, erklärten Dinge, ließen andere weg, saßen neben Männern mit zerfurchten Gesichtern, die Bier mit Kompott frühstückten, und zum hundertsten Mal tönte aus der Box: I believe, I can fly.

Wer drückt bloß immer diesen Scheiß ...?

Ich!

Du?

Ja. Mahmut drückt für mich ..., und P. zeigte mit dem Finger auf einen Hünen an der Theke, der mir wegen seiner Statur schon aufgefallen war.

Der drückt für dich -, warum?

Er gehört mir!

Ach so ...

Und ehrlich, ich dachte ihn hat es am Kopf erwischt oder ein Moskito oder so was in der Art ...

Ich fragte stattdessen: Sag mal, hast du Weltschmerz?

So ähnlich; ich heirate übermorgen!

Ach - deswegen ... Glückwunsch!

Dann schien er in sich selber versunken, - fragte wie aus einer seelischen Untiefe: Will nicht jeder fliegen?

Schon ..., antwortete ich.

Siehst du - und ich tu es, - spätestens ab übermorgen.

Und in dem, wie gelassen seine Körperhaltungen und Blicke waren, glaubte ich es ihm, ohne wenn und aber.

Ja, es war echt friedlich und wie seit Zeiten nicht mehr, und wir, verwöhnt durch Schnaps, Kaffee, Bier, Tee und Zigaretten, durch Erinnerungen und Glauben an die Zukunft und das Fliegen, wurden aufgeschreckt, als ein Mann, zirka Mitte dreißig, eine Frau schlug. Einfach so; jedenfalls hatten wir zuvor von einem Streit nichts bemerkt.

P. stand auf.

Lass, sagte ich, das geht uns nichts an.

Mich schon! sagte er, ich habe hier nämlich das Sagen!

Es ging dann rasend schnell. Ein zu dem Kerl gesprochener Satz von P., den ich nicht hören konnte, zwei, drei seiner Bewegungen, die man sonst in Kung Fu Filmen sieht - und aus die Maus. Der Kerl lag wie tot. P. hatte nichts verlernt. Wir nahmen ein letztes Bier.

Weißt du, ich heirate übermorgen die Tochter des Paten von Neukölln, fing er noch einmal an, und ich werde dadurch bald eine große Familie führen, - denn mein Schwiegervater ist schwer krank.

Und dem gehört ganz Neukölln?

So ähnlich, grinste er.

Und dann dir?

Genau, - und bald auch Berlin!, ließ er seiner lächerlichen Eitelkeit Lauf, ... than we take Berlin ..., dieser Größenwahn, wie mir an diesem Beispiel wieder einfiel ...

Und, was machst du mit Berlin?, fragte ich dennoch weiter.

Geld. Viel Geld!

Ah, und ich glaube zu wissen womit ...

Ja, mit Träumen; ... wir erfüllen den Menschen Träume. Ein Beispiel, S.: viele Männer träumen von Tussen mit dicken Titten, Frauen von Kerlen mit einem Ding wie ein Ofenrohr -, und, mit ein bisschen Chemie, realisiere ich all deren Träume, - so einfach ist das ...

Und dabei lachte er in diesem Intervall quietschender Töne direkt aus dem Kehlkopf, die ich erinnere, als er in der Kaserne von Dschibuti einem Jungen mit dem Gewehrkolben das Gesicht zertrümmerte, weil der ihm die Stiefel nicht sauber genug geputzt hatte.




Anmerkung von alter79:

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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(10.11.22, 09:28)
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 alter79 meinte dazu am 10.11.22 um 10:03:
ich habe dich 'MEHRMALS GEBETEN!' 'deine Kommentare zu meinen Texten zu unterlassen
Taina (39) antwortete darauf am 10.11.22 um 10:13:
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