Was hilft gegen Sklavenmoral?

Fabel

von  EkkehartMittelberg

Der Löwe ärgerte sich über die Pointen von Fabeln, die sein Selbstbild vom gütigen Herrscher gefährdeten. Also berief er seine klügsten Ratgeber, um dem ein Ende zu machen.

Er fragte zuerst die weise Eule, die so sprach: “Gütiger Herrscher, kümmert euch nicht um das Gesäusel armer Poeten. Das Volk braucht ein Ventil, um sich zu entlasten. Lenkt es mit Brot und Spielen ab.“ Der Tyrann verbarg seine Unzufriedenheit mit dieser halben Lösung und wendete sich an den verschlagenen Dachs:: „Lasst das Internet nach den Schweinstreibern durchforsten, Durchlaucht. Wenn wir die Rädelsführer gefunden haben, hängen wir sie zur Abschreckung an die Laternen.“ Der Tyrann wollte aber, dass seine Schreckensherrschaft nicht öffentlich zur Schau gestellt wurde. So setzte er seine Hoffnung auf den schlauen Fuchs: „Gewalt passt nicht in unsere modernen Zeiten, hochwohlgeborener Menschenfreund. Das Volk liebt den Glanz. Veranstaltet einige Benefizfeste und spendet den Erlös an wohltätige Organisationen. Darauf lassen wir eine lange Propagandawelle über den gütigsten aller Herrscher folgen. Propaganda besiegt die Sklavenmoral der Schmierfinken von Fabeln.“

Der Serenissimus lächelte gnädig und ernannte den Fuchs zum Propagandaminister.




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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (26.01.23, 01:03)
Lieber Ekki,

diese Fabel erinnert mich an das Buch Il Pincipe von Machiavelli.
Moral und Karriere schließen sich darin aus.
Banker müssen in gutem Ruf stehen und nicht gut sein
All diese Ratschläge in der Fabel erscheinen ähnlich bei Machiavelli und sind heute noch gültig. Sie bauen auf Erhaltung der Macht und wie der schlaue Fuchs, genauso wie Machiavelli auf das Wohlwollen des Herrschers. Nebenbei bemerkt, die Medici haben es ihm nicht gedankt.

Kommentar geändert am 26.01.2023 um 01:04 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 01:11:
Merci, Alma Marie. Du bist eine Hellseherin.  Genau an Nicolo Machiavelli habe ich beim Schreiben dieser Fabel gedacht.

 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 26.01.23 um 01:34:
Machiavelli sieht die Menschheit nicht, wie später Hegel und Kant in einem kontinuierlichem Fortschritt, sondern vielmehr unendlich in einem Kreis. Ich sehe das ähnlich. Fortschritt gibt es nur in den Mitteln Macht zu erhalten. Nach wie vor gründet sie auf Angst (Grausamkeit) und Machiavelli sagt: Es ist für einen Herrscher besser grausam zu sein als geliebt zu werden. Wobei "geliebt zu werden" auch zu seinen Aussagen gehört.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 26.01.23 um 10:41:
Merci, Alma Marie. Das Raffinierte n der Herrenmoral ist ihre bewusste Widersprüchlichkeit. Sie gründet auf Grausamkeit, die sie aber nicht offen zeigt. Der Herrscher regiert mit Furcht und will dennoch geliebt werden.

 Terminator (26.01.23, 03:03)
Gegen Sklavenmoral hilft nur brutal honesty. Den gamma males, den Predigern der Sklavenmoral, gab der Herrenmoralist Vox Day diesen lakonischen Rat: "Stop lying!" Lüge und Selbstbetrug; Unaufrichtigkeit, Verdrängung, Verklärung des Ressentiments zum Streben nach Gerechtigkeit, Verklärung der Schwäche zur Güte: das vergiftet den psychosozialen und in der Folge auch den psychopolitischen Brunnen. Hitler hüllte die Inhalte der Sklavenmoral in die Fassade der Herrenmoral, und ein ganzes Volk folgte ihm in den Wahnsinn.

In der Ultradekadenz ist die Folge der Sklavenmoral, dass alles Positive niederträchtig ironisiert wird: Güte wird als Schwäche verstanden, Ehrlichkeit als besonders raffinierte Lüge usw. Weil der Mensch mit Sklavenmoral selbst eine erbärmliche Kreatur ist, gönnt er wahre Güte, Größe usw. keinem anderen (Dekadenz), bzw. kann nicht verstehen, wie positive Eigenschaften überhaupt echt sein können (Ultradekadenz). Die Sklavenmoral von heute kennt nur "Authentizität" (ich bin ein Arschloch, ein Schwein, ein Loser wie jeder andere) und "Verstellung" (ich tu so, als wäre ich nicht wie die anderen, obwohl das grundsätzlich nicht sein kann: alle Menschen sind schlecht, der Mensch ist ein bloßes Tier usf.) .
Taina (39) äußerte darauf am 26.01.23 um 07:57:
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 26.01.23 um 11:00:
@Terminator: Du hast das Zwiedenken der Herrenmoral treffend beschrieben.
@Taina: Der Untergang der Sowjetunion ist ein höchst komplexer Vorgang. Machiavelli hätte den Untergang anders bewertet als du. Er hätte gesagt, die Weichheit des Glasnost schwächte das System, mit unverminderter Brutalität, die man nicht eingestehen sollte (Zwiedenken) hätte es überlebt. Ich sehe das selbstverständlich so wie du. Aber vergiss nicht, der Löwe in der Fabel ist ein Tyrann, der die Sklavenmoral verachtet. So gesehen ist meine Fabel eine Antifabel. Sie handelt von Herrenmoral.
Taina (39) meinte dazu am 26.01.23 um 11:41:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 12:15:
@ Taina:Das System war wirtschaftlich ruiniert. Dies hat Garbatschow eingesehen. Aber unter Beibehaltung stalinistischer Brutalität hätte es als Mangelwirtschaft weiter bestehen können.

 AchterZwerg (26.01.23, 07:21)
Lieber Ekki,
der Charakter des Menschen ändert sich wenig, Machstreben, Gier und Eitelkeit sind noch die verlässlichsten Konstanten.
Gleichwohl zeigen wir uns immer wieder überrascht: "Das hätte ich von dem /der nicht gedacht!"
Nutzt aber nix.

Besonders gut gefällt mir hier die leichte Selbstironie im Abgang. 8-) 

Schöne Grüße
das8.Lämmchen

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 11:13:
Vielen Dank Lämmchen, die französischen Moralisten, zum Beispiel la Rochefoucault, würden deinen Kommentar unterschreiben. Sie sahen immer die Kehrseite der Tugenden. Gute Demokraten würden nie zugeben, dass Machtstreben, Gier und Eitelkeit die verlässlichsten Konstanten politischen Handelns sind. Sie rechnen aber damit, ohne es zu sagen.
Realistische Grüße
Ekki
Taina (39)
(26.01.23, 07:52)
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 FrankReich meinte dazu am 26.01.23 um 09:04:
Ebenso, wie die Herrenmoral für einen Sklaven (nach Friedrich Nietzsche) das Böse spiegelt, verhält es sich aus der Sichtweise des Herrschers bzgl. der Sklavenmoral.

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 11:23:
@ Taina. nein, die sogenannte Sklavenmoral der Fabel ist subversiv, sie will den Tyrannen stürzen und versucht sich im Gewand der Fabel unangreifbar zu machen. Der Herrscher verachtet die Sklavenmoral, er arbeitet verdeckt mit der Geheimen Staatspolizei und propagiert gleichzeitig seine angebliche Güte. Er weiß, dass er brutal ist und will dennoch geliebt werden. Das ist die Lehre Machiavellis, der das Zwiedenken Orwells vorweggenommen hat.
Taina (39) meinte dazu am 26.01.23 um 11:51:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 12:10:
@ Taina: Das durch Tiere getarnte Agitieren der Fabel gegen die Herrschenden war für die Sklaven die einzige Möglichkeit, sich zu wehren. Die Herrschenden taten so, als wäre nur offener Widerstand ehrenhaft und sie warfen den Schreibern von Fabeln verächtlich Sklavenmoral vor.
@Frank:Es gibt einen feinen Unterschied: Die Herrenmoral spiegelte für Sklaven  tatsächlich das Böse, aber die Sklavenmoral für die Herrschenden einfach das, was sie bekämpfen mussten, um ungestört weiter herrschen zu können.
Taina (39) meinte dazu am 26.01.23 um 12:13:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 12:40:
Jetzt hast du es gescheckt. Der Begriff Sklavenmoral ist im Kontext von Fabeln nichts anderes als Polemik der Herrschenden. Sie ist also keineswegs unehrenhaft.

 FrankReich meinte dazu am 27.01.23 um 01:53:
Wenn jemand von irgendjemandem befürchten muss, dass dieser ihn vom Thron stößt, dann verkörpert dieser Irgendjemand für den Jemand doch wohl das Böse, nicht wahr? 👋😉

Ciao, Frank
Taina (39) meinte dazu am 27.01.23 um 05:50:
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Teolein (70)
(26.01.23, 13:13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 13:34:
Grazie, Teo,

ich habe mir auch nichts vorzuwerfen. Meine Sklaven freuen sich, dass ich zornig bin. Sie wissen aber, dass ich immer ein bisschen zornig bin. Deswegen freuen sie sich permanent.

Entspannte Grüße zurück
Ekki

 harzgebirgler (26.01.23, 15:35)
"solange sie mich fürchten, mögen sie mich hassen!"
ist auch ein wort, das könnte hier gut passen -
an russland sieht man, dass es funktioniert
denn wehe dem, der putin kritisiert!

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 16:10:
Merci Henning,
ausnahmsweise passt dein Kommentar einmal nicht ganz. Dieser Tyrann will Gegensätze vereinbaren(Zwiedenken). Er will gefürchtet werden und trotzdem geliebt.

LG
Ekki

 harzgebirgler meinte dazu am 26.01.23 um 16:20:
...drum hab' ich mir vorsorglich ja auch das "könnte"-hintertürchen offen gehalten. 

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.01.23 um 00:48:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 27.01.2023 um 00:49 Uhr wieder zurückgezogen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.01.23 um 00:48:
Clever wie immer, mein Freund. Wie könnte ich das vergessen?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.01.23 um 00:48:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 27.01.2023 um 00:50 Uhr wieder zurückgezogen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.01.23 um 00:48:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 27.01.2023 um 00:51 Uhr wieder zurückgezogen.

 Saira (26.01.23, 17:38)
Lieber Ekki,
 
für den Löwen eignet sich der Fuchs als bester Berater, da dieser es versteht, das Volk zu blenden. Es soll ihn als gütigen Herrscher betrachten und nicht als Gewaltherrscher, der er ist. Dazu ist ihm jedes Mittel recht.
 
Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.01.23 um 21:18:
Merci, Sigi, genau so ist die Fabel gemeint.
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