Zorn

Alltagsgedicht zum Thema Aggression

von  EkkehartMittelberg

Er rastet wieder einmal völlig aus,
vor seinen Augen flimmert rot die Glut,
die Kinder ducken sich vor seiner Wut,
und keiner ist mehr sicher in dem Haus.

Die Hiebe prasseln auf den Leib der Frau,
die sich dem Rasenden entgegenstellt
und von der Schläge Wucht zusammenfällt,
ein Häufchen Elend, wimmernd, grün und blau.

Den Zorn beherrschen wollten schon die Alten,
doch wie den Dämon zähmen, niederringen?
Im Zorn zu handeln macht doch keinen Sinn,

der alte Cato ließ ihn erst erkalten,
den frechen Sklaven diese Botschaft bringen:
„Nun* freut euch vorerst**, dass ich zornig bin.

* und **: Die Worte „nun“ und „vorerst“ sind Ergänzungen des Originalzitats

September 2011

Anmerkung: Die Stoiker glaubten ihre Affekte durch Beherrschung besiegen zu können. Heute weiß man, dass Appelle an die Vernunft nicht ausreichen. Man vertraut auf langfristige Therapie, auch nur mit mäßigem Erfolg. Überfüllte Frauenhäuser machen skeptisch.








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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (28.07.23, 00:40)
Ja, das ist von dem alten Cato überliefert. Und die Stoiker ... nun, Senecas Schrift "De ira" ist populär, aber wenig wirksam.

Tick, Trick und Track sagten einmal über ihren zum Zorn neigenden Onkel Donald: "Kleine Töpfe kochen leicht über."

Kommentar geändert am 28.07.2023 um 00:41 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 28.07.23 um 06:53:
Lieber Graec,
dir als umfassend gebildetem 68er ist bestimmt das bahnbrechende Werk:

Soziologie der Familie Duck: Die komplizierte Beziehung der Sippe aus Entenhausen. Girtler, Roland

bekannt. Hieraus erklärt sich die kritische Haltung der Duckschen Neffen mit Leichtigkeit. ;)

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 28.07.23 um 10:14:
Hallo Graeculus, nach meiner Beobachtung ist an dem Spruch, dass kleine Töpfe leicht überkochen, etwas dran. Aber wie definiert man die kleinen Töpfe? Sind es jene, denen ihre ökonomischen und sozialen Verhältnisse am meisten Druck machen?

 AchterZwerg (28.07.23, 07:12)
Lieber Ekki,

inadäquate Affekte lassen sich tatsächlich nur schwer auf ein erträgliches Maß reduzieren.
Interessant ist, dass sie besonders dann auftreten, wenn sich die eigene Lebenssituation verengt: Corona, Langzeitarbeitslosigkeit etc.
Es ist, als wollten die Aggressiven einen inneren Ausgleich schaffen.

Als Entschuldigung soll das jetzt nicht gelten! Lediglich als Ergänzung zur Anmerkung. - Gerade während der Coronakrise hatte sich das Schlagen von Frauen und Kindern geradezu zum Volkssport entwickelt, quer durch alle Gesellschaftsschichten.

Herzliche Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.07.23 um 10:23:
Grazie, Piccola,
auch ich vermute, dass ökonomische und soziale Ursachen labile Menschen unter einen Druck setzen, den sie nicht mehr beherrschen wollen oder können. Dennoch muss die Gesellschaft sie gleichzeitig sanktionieren und therapieren, um sich zu schützen.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (28.07.23, 09:04)
Hallo Ekki,
 
ich denke, will man den Auslöser für Tätergewalt herausfinden, muss man den Täter genauer betrachten.
 
Hat er zum Beispiel psychische Erkrankungen, Alkohol oder/ und Drogenprobleme? In welchem Umfeld ist er aufgewachsen, hat er selber Gewalt erfahren? Gehört er einer fanatischen Gruppe an?
 
Dennoch: es gibt keine Entschuldigung für Gewalt! Sie muss auf jede denkbare Weise unterbunden und bestraft werden, ob durch Haftstrafe, psychologische Betreuung o.a.
 
Opfer leiden meist ihr ganzes Leben unter der/den ihnen zugefügten Gewalttat/en, Täter haben hingegen oftmals nur eine relativ geringe Strafe zu erwarten. Das alleine ist schon ein schlimmer Gedanke. Inwiefern Menschen von ihrer Gewaltneigung und ihren Kontrollverlusten bei aufkommender Wut „geheilt“ werden können, können wahrscheinlich nur Statistiken belegen. Nicht selten erfährt man von Gewalttätern, die als „gesund“ entlassen werden und wieder in ihr altes Muster zurückfallen.
 
Kinder, Frauen und alte Menschen sind die Schwächsten, obwohl es durchaus auch Frauen gibt, die Männern und Kindern Gewalt antun. Ich denke auch an Tierquälerei …
 
Ein trauriges und schreckliches Thema, das leider immer aktuell ist.
 
Liebe Grüße
Sigi

Kommentar geändert am 28.07.2023 um 09:05 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.07.23 um 11:09:
Grazie, Sigi, ich finde deine Ausführungen richtig und hilfreich. Ich möchte besonders deinen Gedanken unterstreichen, dass den Tätern nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen darf als den Opfern. Mich würde besonders interessieren, ob es eine Untersuchung über rückfällig gewordene Gewalttäter gibt, die als geheilt entlassen wurden. Mir scheint, dass die Fehlerquote bei den psychologischen Gutachten über angeblich geheilte Täter unverhältnismäßig hoch ist.

Liebe Grüße
Ekki
Taina (39)
(28.07.23, 09:34)
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 Rosalinde ergänzte dazu am 28.07.23 um 10:41:
Hallo Ekki,

wir kennen doch alle den Spruch "Die Umwelt formt den Menschen". Wenn die sozialen Verhältnisse den Bach runtergehen, enthemmt sich auch der Mensch. Er will seine Wut loswerden, die die sozialen Verhältnisse erzeugen, und greift den Menschen an, der am leichtesten erreichbar ist. Und das ist gewöhnlich die Familie, die die Wut als erstes ausbaden muss. Das wussten also schon die alten Griechen. 

Gegenwärtig verroht die Menschheit immer mehr. Seien es die Krawalle gegen Polizisten, seien es die Vergewaltigungen in den deutschen Städten durch junge, unverheiratete Männer, die ziellos aufgewachsen sind oder sich an veränderte örtliche Bedingungen nicht anpassen können wegen schlechter sozialer Voraussetzungen. Dies zu beenden, hilft auch keine Sozialarbeit, die kann nur für kurze Zeit kleine Zugeständnisse der Wütenden erreichen.
Das Sein bestimmt immer noch das Bewusstsein.

Rosalinde

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.23 um 11:26:
@Taina. Der Unterschied zwischen Zorn und Wut scheint mir eher quantitativ als qualitativ zu sein. Die Affektstärke liegt bei der Wut noch höher, sie ist schwerer zu beherrschen. Folgt man der Bibel, kann Zorn sogar gerecht sein, Wut nicht.
Ich rede in meinem Gedicht von beidem und ich möchte auch beides ansprechen. Aber deine Akzentuierung der Wut ist wichtig, denn sie stellt das größere gesellschaftliche Problem dar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.23 um 11:42:
@Rosalinde,
es ist erfreulich, wieder einmal eine stringente marxistische Analyse zu lesen. Ich fürchte wie du, dass Sozialarbeit nicht geeignet ist, das Gewaltpotential der Wütenden an der Wurzel zu packen.
Agnete (66)
(28.07.23, 10:42)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.23 um 11:49:
Merci, Monika, darf ich zurückfragen, ob ich dich richtig verstanden habe. Meinst du, dass der Zornige/Wütende, der Frustrationen erlitten hat, mit seiner Wut Macht demonstrieren will? 

LG
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 28.07.23 um 12:04:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.23 um 12:16:
Ich lasse die Frustrationen gerne weg.  Sie dienen mir zur Erklärung, nicht zur Entschuldigung. Ich wollte Klarheit darüber herstellen, dass Gewalt Macht demonstrieren will. Im Ergebnis unterscheiden wir uns nicht.

 ginTon (28.07.23, 12:30)
ich meine, wenn man so viel Blut an seinen Händen hat, hilft am Ende nur noch die Gelassenheit. war Marc Aurel nicht Gründer der Stoiker bzw. des Stoizismus?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.23 um 13:36:
Danke, ginTon. Es ist zwar richtig, dass Wut durch Gelassenheit ersetzt werden sollte. Aber die Frage ist doch, wie man den Wütenden gelassen macht.
Der Begründer der Stoa war Zenon von Kition.

 ginTon meinte dazu am 28.07.23 um 14:46:
uups, da habe ich wohl was verwechselt. dies möge mir man verzeihen, ich habe gestern durch Zufall erst einen Beitrag zur Stoa gehört, kurz vor dem Einschlafen und was soll ich sagen, ich war so gelassen, ich bin glatt drüber eingeschlafen..

    hier das gute Stück, falls es dich interessiert...

 TassoTuwas (28.07.23, 18:58)
Hallo Ekki,

in dem emotionalen Dreiklang Hass, Wut, Zorn halte ich den Zorn für eine gesellschaftliche Notwendigkeit. 
Anders als bei Hass und Wut entsteht der Zorn am Ende eines Denkprozesses, dem ein Ist/Soll Vergleich voraus gegangen ist!
Es gibt zu viele Ungerechtigkeiten die unseren Zorn erregen.
Aus ihm sollte der Wille zur Besserung erwachsen.

Herzliche Grüße
TT

P.S. Mein "Wort zum Sonntag"!  :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.23 um 19:14:
Gracias, Tasso, ich pflichte dir bei, mein Freund. Aber obwohl der Zorn eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist, erfordert er Beherrschung, damit er nicht ausufert.
Herzliche Grüße
Ekki

Antwort geändert am 28.07.2023 um 19:14 Uhr
Teolein (70)
(29.07.23, 09:48)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.23 um 10:59:
Vielen Dank, Teo, 
wenn es nur um den Zorn der Beherrschten ginge, hätten wir nur ein kleines Problem.

Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (29.07.23, 11:27)
lassen götter erst den hammer kreisen
könnte leicht die ganze welt entgleisen.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.23 um 18:42:
Merci, Henning,
es kommt darauf an, wer....

Wenn Tante Emma zornig ist,
muss nur nasses Papier daran glauben.

LG
Ekki

 Gabyi meinte dazu am 06.08.23 um 11:22:
Deine Beschreibung passt 1:1 auf meinen Vater. Habe auch ein Gedicht darüber geschrieben. Und er hat behauptet, ein Stoiker zu sein.
LG Gabyi
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