Endgültiger Verkauf der ABSCHALTBAR

Gleichnis zum Thema Ekstase

von  LotharAtzert

Mir fällt grad ein, daß ich in der Kindheit mit Begeisterung an der Herstellung von Drachen gewerkelt habe, um sie, sobald die Felder abgeerntet waren, steigen zu lassen. Am Anfang, je nach Windstärke, musste man etwas losrennen, damit das Kunstwerk in die thermisch-auftriebigere Zone gelangte, wo man ihm ordentlich Kordel gab. Je höher sie stiegen, umso stolzer waren wir Jungs, (leider war auf meiner Armeleute-Rolle stets zu wenig von der kostbaren Sisalfaser) um dann mit dem Ausdruck seligster Zufriedenheit den Körper, die Schnur bewachend, an einem Baumstamm zurück zu lassen, während das Empfinden oben beim Drachen sich geborgen empfand. Da war die Luft immer frisch, auch etwas kühl und unten war alles so klein, so unbedeutend. Damals wußte ich noch nichts von „Das Bewußtsein in  einen Gegenstand zu versetzen“, wie es Rudolf Steiner seinen Leuten empfahl.

 

Der letzte, fast makellos gebaute Drache, den ich, einer „Eingebung“ folgend Phoenix taufte, hielt nur einen Herbst lang. Sein Transparenzpapier war mit zuvor angerührter Mehlpampe verklebt und die hungrigen Mäuse im Stall hatten ihn bis zum Frühjahr fast vollständig aufgzehrt. Nur noch das Holzkreuz, ein paar Papierbrösel und die Kordelumspannung zur Rautenform waren übrig geblieben.

 

Es ist mir noch, wie heute. Wir rissen Stoppeln aus im so genannten Hexenloch, einer Senke hinterm Haus und bewarfen uns damit, ohne daß je wer ernsthaft verletzt wurde. Zuhause gabs dann Dresche, wegen Zuspätkommens. Das fiel mir eben so ein.

Heute ist alles verbaut. Kein Drache, schon gar nicht selbstgebaute, steigt mehr in den Herbsthimmel, den Duft von Kartoffelfeuer gibt’s auch nicht mehr.

 

Aber „Das Bewußtsein in einen Gegenstand zu versetzen“ gelingt mir noch so je und je, vor allem auch dank der Erfahrung mit dem Phönix. Ab dem Moment, wo das Daseinsprinzip und seine vier Ordnungs-Gründe einleuchten, ist sein Licht nicht mehr abschaltbar.




Anmerkung von LotharAtzert:

Auf vielfachen Wunsch von Barkeeper Erwin Irvyne

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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(04.09.23, 15:47)
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.09.23 um 09:19:
Ja, das ist ein großes Problem geworden. Wenn man gegen Autos ist und aber selber eins fährt, heißts gleich: "Du fährst doch selber eines". Daß man aber ohne Auto nur noch durch Betonwüsten muß, um nach Stunden zu einer von Menschen überfüllten Idylle zu gelangen :ninja: wird dabei übersehen.
Und ohne Hochhäuser wäre die ganze Erde bereits hoffnungslos zersiedelt.

Dankesgruß
Lothar

 Dieter_Rotmund (04.09.23, 16:55)
Lass den Eso-Steiner weg, dann ist's ein ganz nette, kurze Erzählung.

 LotharAtzert antwortete darauf am 05.09.23 um 09:26:
Bist du sicher, daß das meine Intention ist, das Wesentliche (Spiritualität, nicht Eso, welches ja Exo als Gegensatz hat) wegzulassen?
Ganz davon abgesehen müssten dann Titel und letzter Absatz komlett geändert werden.
Der ursprüngliche Titel war eh schon ein anderer "Was fällt Ihnen ein!".

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 05.09.23 um 11:55:
Deine Intention hin oder her, ich möchte nur einen Vorschlag machen, wie man diesen Text besser macht, ohne missionarische Botschaft eben. Wie du ja schon richtig erkannt hast, taugt der letzte Absatz für die Geschichte nichts - und dein Alternativtitel ist auch viel besser!

 LotharAtzert äußerte darauf am 06.09.23 um 09:04:
Danke Dieter.
Du hast recht. Warum ich es trotzdem nicht ändere, hab ich gerade etwas unterhalb bei Quot gesagt, falls du da nochma gucken möchtest.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 06.09.23 um 12:31:
:)

 AchterZwerg (05.09.23, 07:08)
Wer ständig an der Abschaltbar herumlungerst, sollte sich nicht wundern. Ganz besonders dann nicht, wenn er gerade aus der Scheinbar hinübergetorkelt ist ...

Mahnende Grüße
der8.

 LotharAtzert meinte dazu am 05.09.23 um 09:36:
Gibts eigentlich noch die Naturbar im Öderweg? Da lungerte ich tatsächlich vor 60 Jahren herum :) .
Und vor ein paar Jahren suchte ich den Farben-Jenisch, eine Institution, die kein Kunstmaler nicht kannte: den gibts nur noch irgendwo außerhalb von Ffm.

See you in the Wonderbar
<3

 Quoth (05.09.23, 12:29)
Ich trauere den selbstgebastelten Papierdrachen auch nach, vor allem wenn die Touristen hier an der Ostsee ihr buntes seelenloses Plastikzeugs in Massen flattern lassen ... Und besonders begabte Tüftler bauten damals auch sog. Kastendrachen, die waren noch stärker und brauchten noch mehr Leine ... Schöner Nachruf, und der Steiner stört mich nicht, der Satz ist doch sehr poetisch!
Gruß Quoth

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.23 um 09:00:
Danke, Quoth.
An die Kastendrachen erinnere ich mich noch - das war aber schon die Zeit danach, da machte ich eine Lehre zum Dekorateur..

Aus seiner Perspektive betrachtet hat Dieter sogar recht. Jedenfall hat es genügt, mich zu verunsichern und so bleibt mir nur die Freude an dieser, denn Unsicherheit ist die Grundlage von allem Wandel.

Gruß
Lothar

 Pensionstarifklempner (05.09.23, 22:27)
Wie sang Dieter Birr so schön : Geh zu ihr und lass deinen Drachen steigen !

 LotharAtzert meinte dazu am 06.09.23 um 09:07:
Jawoll!
Mit Drachen und Hefeweizen
soll man gar nie nicht geizen.
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