Indes

Text

von  Mondscheinsonate

, also mitten zwischen Gedanken, blieb die U6 Richtung Alt Erlaa in der Station Dresdner Straße lang stehen und dies "Wegen Erkrankung eines Fahrgastes". Dies bedeutet zweierlei: Erstens, jemand fiel einfach um wie ein Stück Holz oder zweitens, sprang einfach vor die U-Bahn. Es ist so, dies als Paranthese, dass es eine Vereinbarung gibt, an die hält sich die Presse und die Öffentlichen Verkehrsmittel: Niemals wird über Selbstmord berichtet, außer es gehört berichtet, das heißt, um Missverständnisse aufzuklären ("Die Polizei geht von keinem Fremdverschulden aus"), nun so war es und so wird es bleiben, was gut ist, es soll vor Nachahmungstätern schützen und ist gleichzeitig ein Angehörigenschutz. 

Die U6 Richtung Alt Erlaa blieb also wegen Erkrankung eines Fahrgastes stehen und obwohl man noch nichts Genaueres wusste, es still war, die meisten im Zug sahen in ihr Telefon, begann langsames Stöhnen und selbstmittleidiges Seufzen im Zug.  Die Klimaanlage funktionierte ausnahmsweise gut, an Hitze lag es nicht. Eine Frau sagte zu einer anderen, die kannten sich vorher nicht, dass es doch nicht sein könne, so ein Idiot, springt genau vor IHREN Zug, sie hat jetzt schon die Schnauze voll von Idioten. Die andere Frau gab ihr Recht. Da sagte ein junger Mann, er mischte sich ins Gespräch, dass die Damen doch noch nicht wissen können, was passiert sei und im Hintergrund meinte einer, dass die Empathie fehlen würde, was wir in kalten Zeiten leben, ich nickte. Da drehte sich die Frau zu dem Menschenfreund um, meinte, er soll schön brav Gusch sein (den Mund halten), ihr sei die längste Zeit schon die Freundlichkeit entwichen, bei den Zuständen die herrschen! Und da fragte der junge Mann, was ihr denn so gegen den Strich gehe, überhaupt in so einer Situation? Was, das fragte ich mich, wir waren schließlich nicht erkrankt. 

Da antwortete die Frau, dass doch nur noch Tschuschen (Gastarbeiter, Grenzgänger) da sind und die U6 sei überhaupt der größte Tschuschenexpress, da schaut, nur Tschuschen rundherum und Schleiereulen, was soll man da noch tolerant sein, Bitte?!

Der junge Mann räusperte sich, sah sie an und fragte, was das mit der Erkrankung eines Fahrgastes zu tun habe und überhaupt, ob sie sich selbst gerne reden hört? Da schrie die Frau ihn wie eine komplett Irre an, dass sie die empathischste Person überhaupt sei, da hörte man von hinten irgendwo "Aber sicher!", da klatschte fast der ganze Zug und lachte. Die Frau versank im Sitz, schwieg beleidigt, murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Aber, aus einer anderen Ecke kam ein "Jetzt könnte es schon weitergehen, echt wahr, ich habe einen Termin", auch ich sah auf die Uhr. Und vorne, ein Kind sagte zur Mutter, dass es auf die Toilette müsse, da meinte die Mutter, dass sie aussteigen, in der Station gäbe es eine, was sie auch taten. 

Niemand anderer wollte aussteigen, das Gefühl war doch zu mulmig, wer wusste schon, was man sehen würde, auch die vielen Personen am Bahnsteig wandten sich vom vorderen Zug mit ihren Blicken ab, schwiegen, es war fast wie in einem Apokalypse-Film, man wusste, es wird etwas passieren oder ist schon passiert, jedoch sieht man es noch nicht. Die Frau schrie wieder, schrie: "Depperter! Was springst auch, wenn ich da sitz!" Keiner beachtete sie. Draußen wurde es laut, man hörte ein Stimmengewirr, die Türen waren offen, hörte das bekannte Geräusch der Rettungstrage, wenn sie aufklappt, das Geräusch kennt jeder, dann, kurze Zeit später schoben Sanitäter des Roten Kreuzes die Trage mit einer sehr alten Dame, der sie Sauerstoff ins Gesicht pumpten während des Gehens, an uns vorbei. Da sagte die Lautstarke: "Na, endlich, jetzt kann's weitergehen." Der Mann hinter ihr antwortete:"Doch niemand g'sprungen, fast schon schad, wäre einer weniger gewesen." Da sagte die Dame: "Sie Empathieloser! Sowas brauch' ma wie Sie!"

Der ganze Zug lachte darüber. 


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