Umworben in der Gruppe 47

Sonett zum Thema Verletzlichkeit

von  EkkehartMittelberg

Am Anfang steht der Aufruf zu misstrauen,
sogar der eigenen Wahrhaftigkeit.
„Die größere Hoffnung“ hat dich nicht befreit,
der „Spiegelgeschichte“ schenkte man Vertrauen.

Von den siebenundvierzig preisgekrönt,
du konntest dich auf Günter Eich verlassen,
jedoch niemals sichere Sprache fassen,
mit allen Ehren hat man dich verwöhnt.

Die Jugend unterm Holocaust zerronnen,
dieses Thema hat mit dir begonnen
in Austria nach der Deportation.

Nie warst du konformistisch, suchtest Glück,
du nahmst dich öffentlich fast ganz zurück,
doch wachsende Beachtung war der Lohn.

September 2018




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Kommentare zu diesem Text

ran (40)
(04.11.24, 13:36)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.11.24 um 14:57:
Hallo ran,

der folgendee Beitrag bestätigt dich:

"In einer Zeit allgemeiner Arbeitslosigkeit hat Ann Beschäftigung in einer Knopffabrik gefunden. Hier sortiert sie den ganzen Tag ungewöhnlich schöne leuchtende Knöpfe.
Doch allmählich wächst in ihr ein diffuses Unbehagen, etwa darüber, dass alle Knopfmodelle Mädchennamen tragen, oder dass hinter der Wand seltsame Geräusche zu hören sind. Auch von den beiden Vertretern Bill und Jack geht etwas Unheimliches aus. Dann verschwindet Anns Kollegin Jean, und wenige Tage später ist der neue Knopf da: Er heißt Jean.
Ilse Aichingers erstes Hörspiel "Knöpfe" löste, ähnlich wie Günter Eichs "Träume", eine heftige Kontroverse beim Publikum aus. In dem 1953 produzierten Hörspiel lässt Aichinger realistische Ansätze weit hinter sich und etabliert eine Wirklichkeit, die ihren eigenen Gesetzen gehorcht. Aichingers Lyrik und Prosa, vor allem aber ihre Hörspiele zählen zu den wichtigsten Beiträgen zum Hörspielrepertoire der Nachkriegsjahre. 
Mit: Liselotte Köster, Karin Schlemmer, Ingeborg Engelmann, Heinz Reincke, Erwin Linder, Alf Tamin, Walter Thurau, Fred Koebel
Musik: Rolf Unkel
Regie: Otto Kurth
Produktion: SDR / NDR 1953


 Ilse Aichinger: Knöpfe - SWR Kultur

 Saira (04.11.24, 19:12)
Lieber Ekki,
 
Ilse Aichinger thematisiert die Fragilität des Lebens, Verlust und Identität in einer melancholischen Erzählweise. Ihre eigenen Erfahrungen, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs, fließen in ihre Geschichten ein. In Texten wie „Die größere Hoffnung“ nutzt sie die kindliche Perspektive, um komplexe Emotionen zwischen Unschuld und den harten Realitäten des Lebens zu reflektieren.
 
Danke für ein weiteres lehrreiches Sonett!
 
Herzlichst
Sigi

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 05.11.24 um 17:09:
Vielen Dank, Sigi. Deine wie immer wichtige Zusammenfassung möchte ich mit dieser Ausführung ergänzen:" 101418);">Sprachkritik

Von Anfang an zeigte Aichingers Werk eine ausgeprägte Tendenz zur Verknappung, feststellbar zum Beispiel an der Bearbeitung ihres ersten und einzigen Romans Die größere Hoffnung (1948 und 1960). Der Sammelband Schlechte Wörter (1976) zeigte dazu eine Themenveränderung bei Ilse Aichinger: „Dominierte einst die Wahrheitssuche, gelangt sie jetzt zur subversiven Sprachkritik.“ [14] Sprache erschien der Autorin immer mehr als unbrauchbares Ausdrucksmittel. Zu dieser Auffassung passte das zunehmend seltener werdende Schreiben, zudem wurden die Texte immer kürzer, bis hin zum  Aphorismus.
Ilse Aichinger selber erklärte das als Reaktion auf die fehlenden Zusammenhänge in der Welt der Gegenwart: „Man kann nicht einfach drauflosschreiben und künstlich Zusammenhänge herstellen.“ [15] Ihre Poetik des Schweigens ist ihre Konsequenz aus der Ablehnung jeder Form von  Konformismus: „Gegen die sehr häufige Meinung des ‚So ist es eben‘, die, was sie vorfindet, fraglos akzeptiert. Die Welt verlangt danach, gekontert zu werden.“   (Wikipedia)

 Herzliche Grüße
Ekki

 harzgebirgler (05.11.24, 08:20)
hallo ekki,

sie wär' geworden ärztin lieber zwar
weil ihr der schreib-beruf zu schwierig war
und sah ihn auch stets kritisch offenbar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ilse_Aichinger#Über_das_Schreiben

lg
henning

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 05.11.24 um 17:18:
Merci, Henning,
für Aichinger war das Schreiben so schwierig, weil sie es für problematisch hielt: "
„Ich habe das [Schreiben] seit jeher für einen sehr schwierigen Beruf gehalten. Und ich wollte nie Schriftstellerin werden. Ich wollte Ärztin werden, das ist gescheitert an meiner Ungeschicklichkeit. Ich wollte zunächst eigentlich nur einen Bericht über die Kriegszeit schreiben. An ein Buch habe ich gar nicht gedacht, ich wollte nur alles so genau wie möglich festhalten. Als das Buch [Die größere Hoffnung] dann bei Fischer erschienen ist, stand noch immer viel zuviel drin. Ich wollte am liebsten alles in einem Satz sagen, nicht in zwanzig.“ [15]


„Schreiben ist kein Beruf. Heute nicht mehr. Die Sprache ist zersplittert, das müßte man doch wissen.  Robert Musil hat das vollkommen durchschaut. Aber die meisten schreiben rasch chronologisch und unaufmerksam vor sich hin. Sich als Autor allein zu definieren, ist heute nicht mehr möglich. Egal ob man Installateur, Krankenpfleger oder im Büro ist. Das ist noch eine andere Welt, auch wenn sie einen anödet. Wenn mich jemand nach meinem Beruf fragt, sage ich ‚privat‘.“ [15]


„Das Schreiben spielt die Rolle, dass es mir vielleicht vorkommt, als hätte alles einen gewissen Sinn. Wenn mir zwei oder drei Sätze gelingen, dann habe ich das Gefühl, meine Existenz wäre nicht völlig absurd, als bliebe noch ein Funken Sinn übrig." (Wikipedia)

Beste Grüße
Ekki

 Teo (05.11.24, 17:32)
Hi Ekki,
Ilse Aichinger und die Gruppe 47....sie gehört zweifelsfrei zu den erinnerungswürden Personen der Literaturgeschichte.
Kennst du übrigens die Gruppe 48?
Eine Zusammenkunft deutschsprachiger Autoren und Literaturinteressierter.
Sie veranstalten jedes Jahr ein oder zwei Lyrik und Literaturwettbewerbe.
Wenn du möchtest, schicke ich dir mal den Link.
Lieben Gruß 
Teo

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 05.11.24 um 19:18:
Grauie, Teo,

ich freue mich über die Information zu der Gruppe 48, die ich nicht kenne.

LG
Ekki

 Mondscheinsonate (11.11.24, 11:03)
Ein Freund hatte ein Kaffeehaus in der Tuchlauben, da saß die Aichinger täglich als man noch rauchen durfte. Trank ihre Melangé und schrieb. Keiner wagte es, sie zu stören. Sie gehörte zur Stadt. Ich mochte sie auch gerne.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 11.11.24 um 11:36:
Merci, schön dem Kulturbetrieb so nahe zu sein.

LG
Ekki
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