Wieso mindestens?

Prosagedicht

von  Redux

Seit Wochen litt ich unter diesem Dilemma.
Mir gingen die Ideen aus.
Weiße Blätter.
Schreibblockade.
Knospen von Ideen,
die sich vorm Erblühen wieder schlossen.
Sperre.
Wort- und Satzdürre
jeden Tag.
Zerrissene weiße Blätter.

Dann machte ich ernst.
Machte, was man eigentlich ungern macht:

Ich schraubte meinen Kopf ab!!!

Wagte den Blick in ihn hinein,
den Blick nach innen:
ein filigranes, atemberaubendes Uhrwerk,
Gänge, Schächte, minutiöse Schluchten,
Kanäle, verwinkelte Gassen, Kapseln...
...ein Meisterwerk!

...aber da waren auch Bereiche
aus reinstem Stroh und Holz
( aha! dachte ich, deshalb... manchmal...)
und als ich schüttelte,
kullerten aus einem unscheinbaren Schacht
kleine Ideenkugeln hervor,
vertrocknete, im Embryonalzustand
verreckte Möglichkeiten,
die sich an der Luft pulverisierten.

Für einen kurzen, kaum fassbaren Augenblick
glaubte ich in eine unendliche Tiefe zu blicken
und ein leise spürbarer Schauer
durchzog meinen Körper: die Seele!

Ich wollte meinen Kopf wieder aufschrauben
( kopflos zu sein war sehr beunruhigend)
als mir noch eine unscheinbare Gravur
ins Auge fiel:

M A D E  B Y  G O T T,
mindestens haltbar bis zum Tag des Todes.

Als wenn ich das nicht schon wüsste,
dachte ich so,
doch dann:

Wieso mindestens?

 



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (16.12.24, 10:37)
Eine schaurige, sehr gut (anschaulich, spannend) geschriebene Geschichte.
Das "mindestens" macht in der Tat nachdenklich. Es läßt andere Möglichkeiten ahnen, z.B. diejenige, bei der man so viel vergißt.

 FrankReich meinte dazu am 16.12.24 um 11:42:
Müsste es in einem solchen Fall nicht höchstens heißen? 🤔

 Graeculus antwortete darauf am 16.12.24 um 11:45:
Stimmt! Denkfehler meinerseits. Dann bleibt auch bei mir, wie bei Redux, nur ein Fragezeichen.

 Redux schrieb daraufhin am 17.12.24 um 07:13:
Seltsam, schaurige Geschichte?
Ich hätte eher vermutet, dass sie schmunzelnde Leser hinterlässt.
Mindestens haltbar ist angelehnt an die Angaben unserer Lebensmittelhersteller.

 FrankReich äußerte darauf am 17.12.24 um 08:01:
Damit steht Graec ja nicht allein da, Saira empfindet den Vorgang ebenfalls als gruselig, obwohl (oder weil?) beide eigentlich "A Predicament" von E. A. Poe kennen müssten, angesichts dessen fand auch ich sie nicht komisch, eher skurril, und natürlich wird jeder die Pointe sofort zugeordnet haben, sie zieht (bei mir) aber aus bereits genanntem Grund leider nicht. 🤔

 Redux ergänzte dazu am 17.12.24 um 08:10:
Da kann man nichts machen.

 Saira (16.12.24, 14:32)
Hallo Herbert,
 
schön gruselig dein Gedicht!
 
Mutig bist du: schraubst dat Köppi ab und schaust rein. Hut ab!
 
Liebe Grüße
Saira

 Redux meinte dazu am 17.12.24 um 07:14:
War nicht so schlimm, Sigrun.
Außer die Erkenntnis mit dem Holz und dem Stroh.
Aber ich hatte es immer schon erahnt....

 Citronella (16.12.24, 17:42)
Sorry, dass ich mich einmische, aber hier wird immer wieder fehlende Textarbeit angefordert, deshalb beginne ich heute mal bei dir.

Nichts gegen den Inhalt, aber den Aufbau finde ich unschön: Zu viele Auslassungspunkte, die man auch nicht direkt an das letzte Wort, sondern erst nach einer Leerstelle anhängt. So wie jetzt wirkt das Ganze etwas ungeordnet, was auch durch sehr unterschiedliche Zeilenumbrüche verstärkt wird.

Ich wollte meinen Kopf wieder aufschrauben
Diese Formulierung klingt irreführend, ich würde draufschrauben schreiben.

Und warum MADE BY GOTT und nicht MADE BY GOD?

Kommentar geändert am 16.12.2024 um 17:44 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.12.24 um 20:20:
Ein paar Schwächen wurden benannt. Dennoch lebt dieses Gedicht von einer originellen Idee: der Blick in den eigenen abgeschraubten Kopf, dem Selbstkritik nicht fehlt.

LG
Ekki

 Redux meinte dazu am 17.12.24 um 07:16:
@ Citronella:

vielen Dank für deine durchaus konstruktive Textkritik.

@ EckI:

ja, Selbstkritik wird wohl unvermeidlich sein, wenn man so tief in sich hinein blickt...
danke
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