Der Marktplatz am Sonntag

Text

von  Saudade

Ein Markt. Kleine Häuschen stehen links und rechts in Reih und Glied, in der Mitte viel Platz, ein Hydrant steht einsam und erholt sich vom Treiben. Ein Doppelblatt einer Gratiszeitung liegt losgelöst vom Ganzen am Boden, verloren. Der Geruch von Fisch und Obst dunstet schwer über grünen Dächern, deren Farbe schon abgeblättert ist mit den Jahren. 

Obstkisten aus Holz neben einem verschlossenen Eingang, abgesplittert, Späne liegen am Boden daneben. Der Rollbalken nur halb heruntergezogen, von drinnen scheint schwaches Licht heraus. Man sieht Beine, die hin und her wandern. 

Auf dem Schild des Fleischers fehlt das "U" von "e.U. (Einzelunternehmer). Bodenkacheln sind abgeschlagen, es wurde der Dreck verschmiert, die eingetrockneten Staubränder sind zu sehen. Ein kleiner, weißer Lieferwagen parkt vor dem Gemüseladen. Männer steigen aus, gehen nach hinten zur Lieferwagentüre, öffnen sie und holen Gemüse in Kisten heraus, einer schließt die Türe, dreht sich zum anderen, nimmt ihm eine Kiste ab. Der Andere geht vor zum Häuschen, stellt eine Kiste ab, kramt in der Hosentasche und zieht einen Schlüsselbund heraus, bückt sich und öffnet mit einem Schlüssel den Rollbalken, es ist sofort der richtige Schlüssel, rollt den Rollbalken in die Höhe. Dann sperrt er das Geschäft auf. 

Der Blick in das hinterste Eck, da wird gerade die Markttoilette gesäubert, die Türe ist weit offen, man hört Geräusche. Links hinten stehen Mülltonnen in einem Halbkreis. Kleber der MA 48 (Müllabfuhr), halb abgerissen, auf den Tonnen. Sie sind bummvoll und lassen sich nicht mehr schließen. Müll türmt sich. Einiges wurde von der Schwerkraft zu Boden gezogen, liegt dort wie drapiert. Fliegen und Wespen surren um die Haufen, laben sich an fauligen Trauben und längst braun gewordenen, schrumpeligen Äpfeln. Davor stirbt ein einsamer, kleiner Brokkolikopf. 


Eine Straßenlaterne brennt noch untertags, hell erleuchtet. Eine Parkbank am Rand, unbesetzt, ein Apfelputzen liegt darauf. Eine Krähe pickt daran. 

Eine Maus huscht über den Platz, wie getrieben, bleibt kurz stehen, streckt ihr Köpfchen in die Höhe, schnuppert, dann läuft sie weiter, verschwindet hinter den Mülltonnen. 



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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (29.05.25, 15:36)
Wo Mäuse sind, gibt's deshalb keine Ratten, weil erste das zuvor ermittelt hatten. 👋😉

 Saudade meinte dazu am 29.05.25 um 15:46:
Das ist die biologische Erkenntnis à la "Paradies der Tiere."😂

 tueichler (29.05.25, 15:38)
Oho, Du hast hoffentlich keinen ‚Moralischen‘. Ist aber eine ganz treffende Beschreibung des Zustands ‚danach‘, was immer auch vorher war - Markt, Ehe, Freundschaft, Arbeitsverhältnis. Ich seh den Markt als Metapher.

 Saudade antwortete darauf am 29.05.25 um 15:47:
Hmm. Ich mag das "Danach" gerne, es hat etwas Melancholie im Gepäck.

 Jane_Doe (29.05.25, 17:53)
Der Versuch der Verknüpfung von getriebener Geschäftigkeit (viele, viele Aufzählungen nacheinander) und der Ruhe eines Abschieds (aufgrund des Inhalts), ist interessant. 
Ich hätte mir die Gegensätze noch etwas prägnanter gewünscht, aber sonst gut. 

Ich habe jetzt Mitleid mit dem einsamen, viel zu jung von uns gegangenen Brokkoli... :(

 Saudade schrieb daraufhin am 29.05.25 um 17:57:
Ich habe jetzt Mitleid mit dem einsamen, viel zu jung von uns gegangenen Brokkoli... 
😂😂😂

 Graeculus äußerte darauf am 29.05.25 um 18:15:
Da habe auch ich sehr gelacht. Das bringt in diesen melancholischen Text (nichts gegen Melancholie!) eine heitere Note.
Ich mag Tragikomik.

 Saudade ergänzte dazu am 29.05.25 um 18:43:
Ich find's super. Zugegeben, mir tat der kleine Kerl auch leid. 😂
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