Entsetzt

Ansprache zum Thema Werbung

von  EkkehartMittelberg

Nur selten sehe ich Filme im Fernsehen und wenn, dann im werbefreien Programm bei Arte oder 3Sat. Dieser Tage habe ich mir bei Kabel1 einen Krimi (Das Mädchen im Zug) angeschaut, von dem ich mir Hitchcock-Effekte versprach.

Der Film, der etwas 1,5 Stunden dauerte, wurde viermal mit Werbung unterbrochen, die über insgesamt 20 Minuten beanspruchte.

Normal hätte ich mich nach dem zweiten Werbeblock ausgeschaltet, aber ich wollte wissen, wie weit die Kommerzialisierung geht. Selbst der mittelmäßige Film wurde durch die banale Werbung unerträglich verzerrt und seiner wenigen positiven Effekte beraubt. Ich kann mir aber keinen guten Film vorstellen, der die penetranten Verfremdungen durch minutenlange Werbeblöcke verträgt.

Höchstwahrscheinlich haben sich Millionen Zuschauer privater Sender mit der Zerschlagung von Spielfilmen durch Werbung abgefunden und werden völlig unkritisch gegenüber der Vergewaltigung von Kultur durch hemmungslosen Kapitalismus. Das folgende Zitat zeigt, welcher Tricks sich die Sender bedienen, um rechtliche Beschränkungen der Werbung zu umgeben:


Fernsehsender lassen sich heutzutage zahlreiche Tricks einfallen, damit während eines Filmes oder einer Serie mehr Werbung als eigentlich möglich untergebracht werden kann. Des Öfteren lassen TV-Sender gar einen ganzen Film langsamer laufen, oder sie senden nach jeder Werbeunterbrechung nochmals, wie erwähnt, zwei bis drei Minuten vom Ende des vorherigen Filmblocks. Ziel der Fernsehsender dabei ist es, die Bruttoprogrammlänge auf diese Weise über die magische Grenze von 90 oder 110 Minuten zu bringen, denn dann darf der Sender einen ganzen Werbeblock mehr einbauen.

Der Zuschauer merkt davon kaum etwas, dennoch verlängert sich die Laufzeit teils erheblich und mehr Werbung darf rechtlich gezeigt werden. Mit einfachen Tricks umgehen Medien so die eigentlich schützenswerten Gesetze und Regelungen. Dass sich das lohnt, steht außer Frage, sicherlich nicht immer für die Zuschauer, aber mit Sicherheit für die jeweiligen Programmveranstalter. (TOS)“ Werbung im Fernsehen - Wieviel ist rechtlich erlaubt?

Diese Werbepraktiken, die inzwischen scheinbar kritiklos hingenommen werden, erinnerten mich daran, dass in den Siebziger Jahren an vielen Schulen der BRD Unterrichtseinheiten über den kritischen Umgang mit Werbung durchgeführt wurden. Das erscheint heute gegenüber dieser Übermacht des gleichgültig akzeptierten Kapitalismus als hoffnungslos naiv.





Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Teichhuepfer (11.10.25, 07:08)
Wir sollten als erste Klasse mit Jungs im ev. ( ehemaligen Mädchengym) mit dem Schulfernsehen auf Kanal 3, Info über Aufnahmen nach dem verlorenen Krieg bekommen. Medien waren also mit. Unsere Eltern wollten das nicht. Das Thema wurde leider abgestellt.

Teichi

Kommentar geändert am 11.10.2025 um 07:09 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 10:11:
Ja, Teichi, die Resistenz gegen Kritik reicht Generationen zurück.

 S4SCH4 (11.10.25, 09:18)
Hallo Ekkehart,
Interessanter Beitrag. Danke. Die Spannung des besagten Filmes, oder vielmehr die Erwartung dieser-, hat sich wohl auf das Verfassen des Textes übertragen. :)

Mich beschäftigt nun (großes Thema, zu groß wahrscheinlich): Was hat zum besagten gleichgültig akzeptierten Kapitalismus geführt? Vielleicht auch diese Resignation der 70er und 80er Machergeneration, die Werbung zwar kritisch zu beleuchten, aber praktisch nicht in ein taugliches Licht zu setzen für die Nachfolgegeneration, also für die Generation in der wir uns heute befinden?

Geworben wird, so meine These hier mal, immer ein wenig, selbst für Werbefreiheit, also strenggenommen. 
Die Art der Werbung wäre ein weiterer Punkt, Werbung ist nicht gleich Werbung, aber ja, im TV (auch im Radio) funktionieren nun mal Stereotypen ganz gut. 

Vielleicht ist es nicht der richtige Weg, einerseits Kanäle zu haben, die werbefrei sind und sich raushalten und ggf. schmücken mit "wir sind die Guten" und dann das Pendant der mit Werbung überfluteten Kanäle andererseits. (Aber stimmt, die Öffis machen tlws. auch Werbung.) 

Nun, wie wäre es mit einem experimentellen Werbesender, bei dem die Zuschauer aktiv an der Werbung mitgestalten. Kritisch und klug.
 
Grüße
Sascha

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 11.10.25 um 10:25:
Merci, Sascha, dein Kommentar enthält einige sehr gute Anregungen. Ich möchte zunächst zu der Frage Stellung nehmen, was zu dem gleichgültig akzeptierten Kapitalismus geführt hat. Die Ablehnung des menschenverachtenden Kommunismus und Sozialismus wurde nahezu allgemein akzeptiert. Man sah durchaus auch die Schwächen des Kapitalismus, erachtete ihn jedoch für das geringere Übel und glaubte nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen nicht an einen dritten Weg. So richteten sich kritische Geister hedonistisch schweigend duldend im Kapitalismus ein.

 S4SCH4 schrieb daraufhin am 11.10.25 um 11:15:
Menschenverachtend. Ja. Das trifft auf vieles zu. Der Kommunismus und Sozialismus hat diese "Eigenschaft" aber nicht per se. KApitalismus hat nur einfach nur Glück gehabt, dass man es mit besagten System so versaut hat. Da war es auch einfach die Leute auf eine Seite zu bekommen.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 11.10.25 um 11:55:
Ja, das scheint mir plausibel: der Kapitalismus als Nutznießer der Fehler, die mit dem Kommunismus und Sozialismus gemacht wurden.

 Citronella (11.10.25, 10:44)
Moin Ekki,

mir ging es genauso, ich habe sehr schnell abgeschaltet. Ich war interessiert, weil der zugrundeliegende Roman von Paula Hawkins äußerst spannend ist und ich mir gern die Verfilmung angesehen hätte. Aber mit Werbung hat das keinen Reiz für mich.

LG Citronella

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 11.10.25 um 10:50:
Gracias, Citronella, ich bin froh, dass du meine Aversion gegen diese massive hirntötende Werbung teilst.
LG
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 12:33:
Ich komme auf den zweiten Punkt von Sascha zurück. Was ist an der Werbung kritikwürdig? Solange sie in Maßen eingesetzt wird wie in den öffentlich rechtlichen Sendern und auf Argumente nicht verzichtet, gar nichts. Aber in der Massierung, wie sie in den privaten Sendern erscheint, erstickt sie ihr redaktionelles Umfeld und wird zur austauschbaren Fratze einer Warengesellschaft um jeden Preis.

 Jericho (11.10.25, 12:12)
Hmm. Zahlen muss man in irgendeiner Form, der Sender lebt ja nicht von Luft und Liebe. Es besteht ja auch die Möglichkeit zu streamen oder oldschool eine DVD zu kaufen. Alles besser als Gebühren zu zahlen für etwas das man nicht nutzt...
Kapitalistische Grüße

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 12:40:
Ich bin nicht prinzipiell gegen Werbung, Jericho. Es ist auch klar, dass sich eine Minderheit der massierten Werbung entzieht. Aber was ist mit der Mehrheit, deren eigenständiges Denken sie allmählich zersetzt?

 Jericho meinte dazu am 11.10.25 um 17:17:
Ich bin auch nicht generell für Werbung, finde sie aber gerechtfertigt wenn ich einen Film sehen möchte ohne anderweitig zu zahlen. Das eigenständige denken der Mehrheit (eigentlich ein Widerspruch)ist so mannigfaltigen Angriffen ausgesetzt, die Werbung ist da nur ein kleines Übel

 harzgebirgler (11.10.25, 15:11)
die 14tägig erscheinende fernsehzeitschrift „tv spielfilm“ weist zum beispiel seit je im besprechungsteil der filme von kommerziellen sendern wie kabel 1 deren länge mit und ohne werbung aus – im genannten fall 140/108 min : also über eine halbe stunde werbung, was mich auch nerven und mindestens zum zappen veranlassen würde.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 15:49:
Gracias, Henning,
die Kunden sind noch geduldiger als ich dachte.
LG
Ekki

 niemand (11.10.25, 17:52)
Ich lese hier eine Kritik den kommerzielen Sendern gegenüber. Gleichzeitig mit einem positiven Vermerkt für die ÖRR Sender. O.k, mir gefällt Werbung prinzipiell nicht, doch es stellt sich die Fragem wovon sollen die Privaten ihre
Unkosten begleichen? Sie bekommen ja nicht wie die ÖRR eine ich nenne sie mal "Zwangsgebühr" welche ihnen die Finanzierung ihrer riesigen, personalträchtigen Apparate erlaubt. Mit diesen Gebühren werden nicht selten
Gehalts-Millionäre [ich verzichte gerne auf Namen] finanziert. Die Öffentlichen sind also keinesfall die guten Geister, die alles fürs Wohl der Menschheit tun
und zwar gratis, wie man bei der Kritik vermuten könnte. Man kann sie also nicht in Anspruch nehmen, ohne dafür zu bleichen. Wieso sollten die Privaten
dann den Mildtätigen spielen?  Werbung ist halt ihre Währung/ihre Gebühr.
LG Irene

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 19:12:
Okay Irene,
ich möchte keineswegs die Gehaltsmillionäre bei den ÖRR mit Kritik verschonen. Die ÖRR sind mit ihrem vergleichsweise geringen Anteil an Werbung für mich das geringere Übel. Selbstverständlich müssen die kommerziellen Sender in weitaus größerem Umfang werben als die ÖRR.
Hier geht es doch darum, dass die kommerziellen Sender mit allen Tricks versuchen, die für sie genau festgelegten Werbezeiten zu verlängern. Wenn das bei kulturellen Inhalten, wie zum Beispiel Spielfilmen, passiert und diese so zerhackt werden, dass anspruchsvolle Nutzer sich von diesen Sendeanstalten abwenden, muss der Missstand kritisiert werden.
Ich räume gerne ein, dass ich nicht weiß, wie man die Werbung der kommerziellen Sender auf die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen beschränken kann.
LG
Ekki

 Saira (11.10.25, 18:15)
Moin Ekki,

dein Text trifft genau das, was mich seit Jahren am privaten Fernsehen stört: Nicht nur die Filme werden zerstückelt, sondern auch das Denken.
Was früher Empörung ausgelöst hätte, wird heute als Normalität hingenommen. Diese stille Gewöhnung an das Unerträgliche ist vielleicht das Gefährlichste.

Ich schaue fast nur noch öffentlich-rechtliche Programme oder streame Filme, um diesem Wahnsinn zu entgehen.
 
Liebe Grüße
Saira

 dubdidu (11.10.25, 18:15)
Ich habe seit den 90ern keinen Privatsender mehr konsultiert. Alles daran nervt. Die Werbung. Die Barbie-Ken-Moderatoren. Das in der Regel grottenschlechte Programm.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 19:54:
Sigi, du triffst, wie fast immer, den Punkt. Die stille Gewöhnung an das Unerträgliche" ist auch das, was mich umtreibt. Die Kraft des Protestes ist erlahmt und man kann nur noch die persönliche Konsequenz der Abstinenz ziehen.

Liebe Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 20:00:
Du hast recht, dubdidu: Das in der Regel grottenschlechte Programm verstärkt die einfältige Werbung und diese das Programm. Es ist nichts in Sicht, das den Teufelskreis durchbricht.

 Moppel (11.10.25, 18:17)
siehste, wie der Kölner immer ssacht, et is doch nix so schlecht, dat es nich noch für eat jut is- ich gehe bei Werbung immer rauchen, pinkeln, mit dem Hund. In der Reihenfolge etwa... GGG
Auch IN Filmen gibt es Werbung. Welche Autos gefahren werden, Klamotten , Essn ect. Ich kaufe ohnehin nur das, was ich kaufen will. Und da inspiriert mich beim Essen das Auge, mein Bauch ...
Eure Gedanken zum Kapitalismus sind interessant. Ich stehe da bei Irene. Außerdem haben ARD und ZDF Zwangsgebühr UND Werbung Mainzelmännchen im Vorabendprogramm.
lG von M.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 20:07:
Hallo Moni,
ja, die Qualität der Werbung ist meistens zum Weglaufen.
Dennoch sind wir uns einig, dass es ohne sie nicht geht. Kritikwürdig sind die Versuche der kommerziellen Sendeanstalten, die gesetzlichen Vorschriften zur Quantität von Werbung zu unterlaufen.
LG
Ekki

 DanceWith1Life (11.10.25, 18:21)
So sehr ich den Standpunkt gegen das, ich nenne es zumüllen teile, ich kann mich nicht mit dieser auf einige Kraftworte reduzierte Auseinandersetzung begnügen, also gleichgültig akzeptierter Kapitalismus, Vergewaltigung der Kultur durch hemmungslosen Kapitalismus, usw. Aktiv heißt es doch eher das was einen interessiert finden, und zwar in eine Form, die es auch bewahrt, viele junge Menschen gehen das genau so an, und das heißt auch, dieses Geschimpfe ist passiv, nur mal als Denkansatz, und selbst dagegen demonstrieren wäre noch passiv, solange unsere Steuern in die Rüstung fließen. Drohnen über München ist bereits in Arbeit, wie es aussieht, sich über Details dieser bewusst verschleierten Geldmaschine aufzuregen, wird nichts bringen. Verbesserungen wie von S4sch4 vorgeschlagen hätten zumindest den Vorteil, dass man sich endlich mal um Verbesserung bemüht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.10.25 um 20:12:
Merci, Dance, welche Verbesserungen von Sascha meinst du denn? Falls sie realisierbar sind, bin ich auf deiner Seite.

 DanceWith1Life meinte dazu am 11.10.25 um 20:39:
Nun, wie wäre es mit einem experimentellen Werbesender, bei dem die Zuschauer aktiv an der Werbung mitgestalten. Kritisch und klug.

Z.B. aber wie du und ich ahnen wird das dann nur ein Marken Quizzen und die eigentliche Intention geht unter, ein Phänomen, das wir immer wieder beobachten können, und der ursprüngliche Gedanke, den größten Müll auszusortieren wird nur breit getreten. Ich sehe noch keine Alternative zur bewusst gelebten individuellen Entscheidung. Sehr interessiere ich mich für Kritik an der Maschinerie aber dass der Wunsch nach Unterhaltung ausgenützt wird, liegt in der Natur der Sache( zumindest teilweise) befürchte ich. Und ohne ein besseres Verständnis davon, lässt sich da wenig ändern. Hier darüber zu theoretisieren was funktioniert oder nicht, geht auch nicht, da das Leben pragmatisch entscheidet, manchmal spontan, iukwim

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.10.25 um 11:35:
Hallo Dance, ich finde die Idee mit dem experimentellen Werbesender sehr schön, vermute aber, dass selbst aufgeschlossene Firmen die Werbung für ihre Produkte in der eigenen Hand behalten möchten. So treffen wir uns leider mit unserer skeptischen Sicht.
LG
Ekki

 Pensionstarifklempner (12.10.25, 00:02)
Ja, ja erst kommt die Werbung, dann die Kunst. Es lebe die Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus.
Noch leider halten
 viele der Gucker Werbung für Freiheit.  Leider sitzt die Mehrzahl der Gucker nicht am Abschalter.
Bitte keine Gesellschaftschaftsordung die einen " neuen" Menschen braucht. Leider sind Freiheit und Wahrheit eine WARE und damit eine Illusion.  Interessanterweise verkauft sich heute Kapitalismuskritik fabelhaft. Mein Haltung ist INSUBORDINATION.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.10.25 um 11:39:
Petakle, du hast unser System sehr konsequent durchdacht, weil du erkannt hast, dass es Freiheit und Wahrheit zur Ware gemacht hat. Da bleibt nur Insubordination.
LG
Ekki

 plotzn (12.10.25, 13:34)
Servus Ekki,

diese vielen und langen Werbepausen sind für mich der Grund, warum ich nur in Ausnahmen Spielfilme oder Krimis auf den privaten Sendern schaue. Aber die ständigen Konserven auf den öffentlichen machen mir die Entscheidung nicht gerade leicht...

Liebe Grüß
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.10.25 um 19:11:
Merci, Stefan, so sehe ich es auch. Die ÖRR sind das geringere Übel.

Liebe Grüße
Ekki

 Teo (13.10.25, 17:05)
Ekki,
es gibt zwei oder drei Werbeeinblendungen, da schalte ich um.
Ansonsten...lass ich mich teilnahmslos berieseln.
Dir einen unterhaltsamen Fernsehabend
Gruß aus Herne 
Teo
Zur Zeit online: