Weihnachtliche Gedanken

Predigt zum Thema Weihnachten

von  tulpenrot

Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage,
rühmet, was heute der Höchste getan!
Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!
Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,
laßt uns den Namen des Herrschers verehren!“
Das Weihnachtsoratorium, unerlässlich für viele, auch für mich. Ich habe die Musik in den Ohren: umwerfend, aufrüttelnd, überwältigend, mitreißend ist sie.
Vor allem die Pauken und Trompeten.
Das ist festliche Musik vom Feinsten. Von J.S. Bach, zur Weihnachtszeit 1734/1735 entstanden.
Es ist keine sanfte, beschauliche Entspannungsmusik, sondern sie ist gewaltig, durchdringend und laut, übertönt alles andere um mich herum. Sie setzt sich durch. Alles andere muss verstummen, hat keine Stimme mehr. Tosende Freude ist angesagt, nur sie allein. Ob das in den Ohren der Zuhörer zu Bachs Zeiten auch so ausgefallen klingt?
Dazu der Text
„Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!“
Das ist doch eine glatte Herausforderung! Geht das überhaupt? Kann man sich so in einer Kirche, im Gottesdienst geben? Jauchzen, frohlocken, fröhlich sein? Klagen – ja. Gott unser Ungemach sagen, unsere Not.
Aber Jauchzen? Sollten wir denn diese auffordernden Worte überhaupt ernst nehmen? Das passt doch nicht „in unsere Kultur“, in unsere Zeit!
Wirklich?
Und so bleiben wir still und andächtig in den Kirchenbänken sitzen und überlassen die überschwängliche Ausgelassenheit „den anderen“. Wem? Wo sind „die anderen“?
Worum geht es in dem Text, worum geht es bei dieser ausufernden, prallen Musik?
Sagt der Texter und Komponist J.S. Bach damit nicht: „Hört auf mit eurer Mutlosigkeit, singt keine Klagelieder mehr, hört auf zu jammern, sondern seid fröhlich stattdessen. Jauchzt! Gebt der Freude ungebremst Ausdruck! Es gibt einen Grund dafür. Das soll ein fröhlicher Gesang werden, ein fröhlicher Gottesdienst, bei dem alle Last abfällt und alles Kleinlaute verbannt ist.“
Hier jubeln die Sänger und geben die Musiker ihr Bestes. Denn anders kann man dem Verzagtsein nicht beikommen. Anders kann man den Höchsten nicht mit vollem Herzen rühmen als so. Überschwänglich. Alle Register werden gezogen. Da ist richtig was los! Das ist so anders, als wie wir es in unserer wohlerzogenen, gut bürgerlichen, beschaulichen Idylle gewohnt sind.
Dennoch, es wird in den Kirchen aufgeführt. Aber warum geht solch Freudenausbruch nur bei einem Konzert, wo die Musiker und Sänger wohl sortiert im Altarraum stehen oder sitzen und wir Zuhörer artig auf unseren Bänken oder Stühlen hocken und zum Schluss Beifall klatschen, vielleicht ein bisschen „Bravo“ rufen? Immerhin! Dabei geht es darum, der Aufführung unsere Anerkennung zu bekunden. Das Lob gilt den Musikern.
Doch das Oratorium will die Zuhörer zu etwas anderem anleiten:
„Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,
lasst uns den Namen des Herrschers verehren!“
Das scheint eine vergessene Kunst zu sein, dem Höchsten zu dienen, ihn zu verehren. Genügt es, wenn ich das Oratorium gerne höre? Haben wir es nicht vielmehr zu einem rein kulturellen Ereignis „eingeebnet“, ohne Konsequenzen, ohne es ernst zu meinen? Kann bzw. will ich die gesungenen Worte überhaupt umsetzen? Das beunruhigt mich.
Für Bach jedenfalls war klar: Er konnte und wollte das Weihnachtsgeschehen – Gott kam in unsere Welt und wurde Mensch uns Menschen zum Heil - als überwältigendes Erleben in ebensolche Musik übersetzen.



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Kommentare zu diesem Text


 GastIltis (08.12.25, 18:23)
Liebe Tulpenrot,
natürlich ist es zum Jauchzen, oder wie ich in einem meiner mehr weltlichen Verse einmal geschrieben hatte, zum Jauchtzen, wenn man das Glück hat, das Weihnachtsoratorium in voller Länge zu genießen. Ich hatte, lange als die Frauenkirche wieder erstanden ist, in der Dresdner Kreuzkirche das Glück, und kann die Melodie, zumindest im Geist, mit Inbrunst mitsingen. Obwohl ich ja dem Glauben an einen Gott nicht zugewandt bin. Übrigens zählt auch Bachs Continuum zu den Werken, die mich sehr beeindrucken.
Zur Zeit lese ich allerdings Haseks "Schwejk". Und habe soeben das Kapitel über die religiöse Auseinandersetzung des Feldkuraten Otto Katz mit einem frommen Katecheten gelesen, der bei den Kindern das religiöse Gefühl mittels Ohrfeigen entwickelte. Oder es versucht hatte, genauer gesagt. Während Otto Katz sowohl "Weibern" als auch dem Glücksspiel und dem Alkohol in großen Mengen zugetan war, gelang es dem Katecheten nicht, ihn und seinen "Putzfleck" Schwejk, der konfessionslos war, zum rechten Glauben zu bewegen. Am Ende der Auseinandersetzung war der Katechet ("Ich werde nicht trinken!") so besoffen, dass er beim Kuraten schlafen musste, nicht ohne nach dem Brevier zu verlangen. "So schlief der fromme Kurat mit dem Decamerone von Boccaccio in der Hand ein." (Ende des Zitates).
Will ich deinen Beitrag mit meinem Kommentar diskreditieren? Natürlich nicht. Ich erinnere nur an die unsäglichen Leiden, das bringt Hasek auch immer wieder im Schwejk zum Ausdruck, die Kriege, in dem Fall der erste Weltkrieg über uns gebracht haben und vielleicht wieder, alles im Namen des Herrn, bringen werden.
Viele Grüße von Gil.
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