Büdchen

Kurzgeschichte zum Thema Existenz

von  RainerMScholz

Klabauderheinz haut auf die Kacke.

„Wo machst `n hie?“

„Zur Moni an de Lindebaum.“

„Watt, ich komm´ mit.“

Der Abend ist trüb und diesig, die Straßenlaternen flackern und der Verkehr quält sich stockend über die Eschersheimer Landstraße stadtauswärts; die oberirdisch fahrende U-Bahn quietscht metallen, Funken schlagen aus der Oberleitung. Heinz und Simon kommen um die Ecke.

„Da steh`n se ja all´ scho´.“

„Wie immer.“

„Guck, de Thomas liegt schon im Gebüsch.“

„Nee, der pinkelt bloß dahin.“

„Ach so.“

Moni stellt zwei Römer Pils auf den Tresen vor dem Schalter.

„Ei, wat geht, ihr Freunde der Nacht.“

„Hat ja noch gar nich´ angefangen.“

„Kommt eben noch.“

„Dat is´gewiss.“

„Un´ sonst so?“

„Ja, muss.“

„Wie bei mir.“

Gerd ordert noch ein Bier und einen Klaren.

„Wat macht de Donald.“

„Dat is`n ganz großen Kerl, aus dem wird nochmal wat, der kommt noch, sobald seine Altersdemenz `rum is´, wird dat `n ganz Feiner.“

„Ja, `n ganz Feiner.“

„So ein Feiner wird dat. Ein Feiner.“

„Un´ der annere.“

„Der Verbrecher? Ab in de Gulag nach Sibirie, sach ich. Mit dem is´ nix anzufange. Ab nach Sibirien, Ach nee, dat war ja umgekehrt, gelle. Die anneren müssen nach Sibirien.“

„So, jetzt is´ Politik aber fettisch.“, beschwert sich Gerd, während er mit seinen klobigen Fingern an dem Verschluss des Schnapsfläschchen zu drehen versucht.

„Guck ma´, da is´ ja de Thomas. Mach dich doch `mal sauba, du siehst ja aus.“

„Moni gibt mir den Schlüssel nich´ mehr.“

„Wat, füa ihr Bidet, oda wat.“

„Hier, nimm mein Taschentuch, dat geht ja so nich´.“

„Du hast ja noch die alten Stoffdinger.“, stellt Thomas anerkennend fest.

„Frisch gebügelt von da Inge.“

„Dat is´ gut, wenn man eine gute Frau hat.“

„Dat kannste laut sagen. Und die beschwert sich auch wegen nix.“

„Du meinst, die red´ nicht mehr mit dir.“

„Nee, dat mein´ ich nich´.“

Auf der anderen Straßenseite erschallt Martinshorn, Blaulicht rast in Richtung Stadtmitte.

„Wat issen da dann schon wieda.“

„Geht uns nix a. Wia waren et net.“

„Genau. Wie de Rente, dat wa`n wa auch net.“

„Du kriss doch Stütze jenuch.“

„Deswejen steh ich ja hier.“

„Nix mit Flaschensammeln oda wat?!“

„Ich bin doch kein Penner nich´.“

Heinz bestellt bei Moni. Die Blätter fallen von den Bäumen. Es ist Herbst. Klabauderheinz steckt sich einen Bataviastumpen zwischen die Lippen und versucht ihn anzuzünden.

„Wart´, ich mach´ Schatten.“

Gerd hält die Hände trichterförmig vor die Flamme, um den Wind abzuschirmen.

„Danke, Gerd.“

Mehr widerwillig fragt Heinz Gerd, ob er auch eine Zigarre aus seinem Vorrat aus der Innentasche der Jacke haben möchte.

„Nee, lass ma´. Ich darf ja gar nicht.“

„Sagt der Arzt?“

„Ja, der auch.“

Trinkend schauen sie in den verloschenen Sonnenuntergang.

„Die is´ ja nu´ scho´ weg.“

„Wer?“

„Die Sonne.“

„Schon lang´.“

„Ja, is´ dunkel jetz´.“

„Aber irgendwo geht se jetz´ auf.“

„Hier nich´.“

„Nee.“

Thomas ist wieder ins Gebüsch gefallen. Simon versucht widerwillig ihm herauszuhelfen.

„Mach schon, du Arsch.“

„Lass ihn doch.“

„Dann liegt er die ganze Nacht hier.“

„Warte, ich pack´ mit an.“

Thomas torkelt aus den Rosen. Verblüht, verwelkt, abrasiert und zurechtgestutzt.

„Moni?“

„Du kriegst nichts mehr.“

„Aber ich war doch nur...“

„Du kriegst nichts mehr.“

Moni hebt die Hand, die Diskussion ist beendet.

„Tja, Freunde, dann geh´ ich `mal heim.“

„Mach`s gut, Thomas.“

„Bis dann, ich hau ab.“

Alle schweigen. Gerd schluckt geräuschvoll das Römer Pils, Heinz saugt an dem Zigarrenstummel, Simon hat sich an den Bordstein gesetzt und kratzt die feuchte Erde von den Schuhen.

Moni lässt den ersten Rollladen herunter.

Ein kleiner, mickriger Schulbub bestellt noch schnell eine Tüte Haribo.

Die U-Bahn schlägt Funken und der Himmel zieht sich zu.



© Rainer M. Scholz


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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (12.12.25, 18:59)
Genauso verhält es sich an einer Trinkhalle!
Das hast du gut beobachtet: Das Leben ist Leiden - gäbe es nicht ab und zu ein Römerpils, eingeschenkt von der Menschenkennerin Moni.

Die weiß, wo's lang geht und vor allem wann Schluss ist.

Deiner ist übrigens super gelungen. Geradezu medidativ.  ;)
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