Alle 9.515 Textkommentarantworten von Graeculus

03.02.20 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Weshalb ich Religionen ablehne: "Ich habe immer angenommen, daß es nicht auf das Etikett, sondern auf die Strukturen ankommt, und deshalb ist für mich der sich atheistisch etikettierende Kommunismus, dessen Verbrechen ich ganz gewiß nicht leugne, eher eine Religion - eine 'säkularisierte Religion', wie man das nennt: mit Göttern, Heiligen, einer Heiligen Schrift und - selbstverständlich - einer Inquisition. (Die sowjetische Zeitschrift 'Ogonjok' hat - ich glaube, 1949 - als Titelbild eine Photomontage mit einem leuchtenden Stalin-Bild über dem Kreml und der Überschrift "Der neue Stern von Bethlehem" gebracht.) Wir haben dieselben Strukturen wie bei jeder Religion: Autoritäten, die nicht in Zweifel gezogen werden dürfen; Schriftworte, die anstelle von Argumenten eingesetzt werden; Verfolgung von Andersdenkenden; Überwachung von Gesinnung; Sündenbekenntnisse. Eine säkularisierte Erlösungslehre. Man verwies auf Marx- oder Lenin- oder Mao-Zitate, und damit war eine Frage entschieden - ganz im Sinne des klassischen "Roma locuta, causa finita". Und was das Verhältnis des Kommunismus zur Wissenschaft angeht, so wurde letztere benutzt, wenn sie in den ideologischen (quasi-religiösen) Rahmen paßte, ansonsten aber beiseitegeschoben. Legendär ist ja Stalins Ausflug in die Biologie - die Lyssenko-Affäre."

03.02.20 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Weshalb ich Religionen ablehne: "(Ideologischen) Fanatismus gibt es sicherlich auch bei anderen Ideologien, beispielsweise bei politischen. Mich hat vor allem die 'argumentative Flexibilität' des Inquisitors erschreckt: „Nein“, entgegnet der Inquisitor, „den Unschuldigen gibt Gott die Kraft, die Folter auszuhalten!“ Ein solcher Mensch ist durch kein Argument oder Gegenargument mehr zu beeindrucken - er hat immer recht. Und auch daß er sich selbst dann so blamiert hat, hat bei seinen Kollegen nicht zum Nachdenken geführt. Es gibt kein Nachdenken mehr, wenn man schon alles Wesentliche weiß. Da religiöses 'Wissen' prinzipiell nicht nachprüfbar ist, kann diese Ignoranz sich hier besonders leicht ausbreiten. Das ist bei Wissenschaftlern anders."

03.02.20 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Weshalb ich Religionen ablehne: "Religionen passen wieder in die Zeit, so ist es wohl. "Das wissen wir nicht" gehört nicht zu ihrem Repertoire, zu dem von Wissenschaftlern allerdings schon, und zwar auch bei grundlegenden Fragen wie z.B. der Vereinbarkeit von Relativitätstheorie und Quantenphysik. Hier sorgfältig zu unterscheiden, also zwischen dem, was man weiß, und dem, was man nicht weiß, gehört wohl zur methodischen Schulung von Wissenschaftlern, nicht aber von Theologen."

03.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "Wenn Du alles, was ich über das Prüfen geschrieben habe, beharrlich ignorierst, dann mag Dir das so erscheinen."

02.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "Alles, was Judas schreibt, verstehe ich sehr gut. Und nachträglich bin ich sehr froh, daß ich sie nicht zum Abschluß unserer Begegnung in Artern auf die Stirn geküßt habe. Nicht daß ich diesen Impuls hätte unterdrücken müssen, aber ich mag es nicht, wenn Leute mich (a) für Jesus oder (b) für den pilzerfüllten Hippie von nebenan halten. Ni Dieu, ni maître."

02.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "Es scheint also so zu sein, dass man in Dialog zum Erscheinenden treten kann. Ob man da allerdings die Wahrheit erfährt oder belogen wird, bleibt dann wieder der persönlichen Einschätzung überlassen ... Ah, das ist mal ein Satz, den ich nachvollziehen kann!"

02.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "Das Problem sehe ich eher darin, daß Du nicht verstehst, was ich schreibe. Generell schreiben im "Spektrum" Wissenschaftsjournalisten und/oder Forscher, in diesem Falle waren es aber die Forscher selbst (wie ich schrieb), keine Journalisten. Außerdem habe ich Dich darauf aufmerksam gemacht, daß man zumindest einen Teilaspekt der Phänomens, das False-Memory-Syndrom, bei sich selbst testen kann, und ich habe ebenfalls angedeutet, wie ich das bei mir selbst praktiziere. Kein Wort davon in Deiner Antwort! Als ob ich es nicht geschrieben hätte. Der Apostelgeschichte kann man nichts dergleichen entnehmen, denn wir kennen keinen Bericht des oder der Erlebenden selbst, wir kennen nur den Bericht des Verfassers. Er mag sogar, Du gibst es zu, erfunden sein. Daß das egal sei, darin vermag ich Dir nicht zu folgen. Und selbst falls der Verfasser wörtlich die Berichte der Erlebenden wiedergeben sollte, bliebe natürlich immer noch das Problem der möglichen Selbsttäuschung. Philip K. Dick hat über seine zwei Gotteserscheinungen, wie man sagt, 10000 Seiten Reflexionen verfaßt. Das ist ungeheuerlich. Auf Deutsch ist nur eine Auswahl von 800 Seiten erschienen, die ich gelesen habe und die mir dadurch sympathisch sind, daß Dick sehr sorgfältig unterscheidet zwischen dem beschriebenen Erlebnis und der völlig fehlenden Gewißheit, wie es zu deuten sei: war es tatsächlich Gott, war es der Teufel, war es Shiva usw.? Er reflektiert, er analysiert, er argumentiert, er wägt ab. Das ist etwas, was ich nachvollziehen kann, nicht aber die (angebliche) spontane Gewißheit. (Übrigens kommt er am Ende aufgrund verschiedener Argumente zu der Annahme!, daß es tatsächlich Gott war, der ihm erschienen ist. Wenn es Selbsttäuschung und Halluzination gibt (klar, das gibt es), dann weiß ich nach einem solchen Erlebnis eben nicht, ob es echt oder Selbsttäuschung war, denn subjektiv fühlt sich beides völlig gleich an."

02.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "Die Jünger hatten weder gelogen noch falsch gedeutet. Sie hatten eine objektive Tatsache berichtet, ein starker Hinweis für Thomas, er aber wollte oder konnte es nicht ohne einen Beweis glauben. Was Du da erzählst, ist kein Erlebnis von Dir, sondern der Bericht des Verfassers der Apostelgeschichte. Also eines Autors, dessen Identität und damit Glaubwürdigkeit wir nicht kennen. War wenigstens er Augenzeuge? Wir wissen ist nicht. Wir haben hier nicht ein Dutzend Zeugen (die Apostel), sondern einen einzigen Zeugen, der von einem Dutzend Zeugen berichtet - ein Riesenunterschied."

02.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "Da es sich hier um das Phänomen der Autosuggestion (Selbstttäuschung) handelt, also nicht um Lug & Betrug, spielen Leumundszeugnisse keine Rolle. Die Artikel in "Spektrum der Wissenschaft" werden von (a) Wissenschaftsjournalisten (d.h. Journalisten mit einem Studienabschluß in dem Fach, von dem sie berichten) oder (b) Fachwissenschaftlern (die ihre Forschungsergebnisse vorstellen) verfaßt. Der Fall (b) ist noch interessanter, um um den geht es hier. Forscher berichten, wie sie im Labor bei Probanden Halluzinationserlebnisse erforscht und sogar erzeugt haben. (Natürlich sind die psychiatrischen Kliniken voll von Menschen, zu denen Gott gesprochen hat - das ist eine Variante der Schizophrenie.) Was sollen wir jetzt bei diesen Forschern in Betracht ziehen? - Daß sie selbst im Labor einer Halluzination erlegen sind? Diese Möglichkeit, daß unsere gesamte Wahrnehmung eine Illusion sein könnte (der sog. Matrix-Fall), wird von ihnen reflektiert. (Das spricht aber eher für sie als für Deine Annahme echter Gotteserlebnisse.) - Daß sie Lügner und Betrüger sind, nämlich solche Experimente gar nicht durchgeführt haben? Wohlgemerkt, das unterstelle ich Deiner Gewährsperson nicht. Deswegen müssen experimentelle Ergebnisse im Labor wiederholbar sein - das gehört zu den Standard-Kriterien. Übrigens kann man einen speziellen Aspekt dieser Illusionen gut an sich selber überprüfen, nämlich das sog. False-Memory-Syndrom, also die 'kreative' Leistung des Gehirns bei der Speicherung von Erinnerungen. Abgesehen von den zahlreichen Berichten über die experimentelle Untersuchung dieses Phänomens kannst Du selber Erlebnisse aufzeichnen (Tagebuch o.ä.) und Jahre oder Jahrzehnte später Deine Erinnerungen zu diesen Erlebnissen abrufen, sie dann aber mit den früheren Aufzeichnungen vergleichen. Das tue ich seit über 50 Jahren, und ich bin immer wieder verblüfft, wie wenig sich meine Erinnerungen mit den protokollierten Berichten decken. Das Gedächtnis ist sehr kreativ. Zu Deiner persönlichen Frage: Wenn Gott mir erschiene, würde ich darauf wohl so ähnlich reagieren wie Philip K. Dick (und wie es Moses eben nicht getan hat), d.h. ich würde verschiedene Deutungsmöglichkeiten in Betracht ziehen, das Für und Wider abwägen. Das ist übrigens für Psychotiker völlig ungewöhnlich - die glauben immer, was sie erleben. Vielleicht kannst Du Dich nun doch einmal dazu entschließen, auf die wirklich relevanten Argumente von Judas und mir einzugehen, statt sie - wie ich öfters bei Dir den Eindruck habe - wortlos beiseitezuschieben und demnächst so zu tun, als hätte es sie nie gegeben, um stattdessen ein neues Wundererlebnis zu präsentieren. Antwort geändert am 02.02.2020 um 12:36 Uhr"

02.02.20 - Diskussionsbeitrag zum Text  Geschehen Gotteserscheinungen auch heute noch? von  Bluebird: "wenn sie für den Erlebenden den Status einer objektiven Tatsache haben mögen Das ist ein bemerkenswerter Satz! Für mich als Subjekt ist das ganz objektiv so."

Diese Liste umfasst nur von Graeculus abgegebene Antworten bzw. Reaktionen auf Kommentare zu Texten. Eigenständige Textkommentare von Graeculus findest Du  hier.

 
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