Schichtwechsel

Sonett zum Thema Aufwachen

von  Isaban

Gleich schlägt es sechs, am frühen Montagmorgen.
Die Stadt hält still, ist noch nicht ganz erwacht,
lässt sich viel Zeit, das Dunkel zu entsorgen;
der Horizont verharrt als schwarzer Schacht.

Wie Tinnitus schwillt ab und zu ein Rauschen
die Straße lang und Bremsbeleuchtung bricht
mit grellem Schein das träge Tagetauschen:
Signalrot, das ins müde Auge sticht.

Im Hochhaus gegenüber brennt ein Licht,
nur eins, in all den blinden Fensterreihen,
wohl ein Büro. Wer drin sitzt sieht man nicht,
nur dieses Licht. In seinem Ausschnitt schneien

die Invasoren einer fernen Macht
erfroren durch die Nichtmehrnacht.

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Kommentare zu diesem Text

reinART (57)
(13.12.09)
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 Isaban meinte dazu am 13.12.09:
Nein, lieber ReinArt,

ich habe mich nicht in der Rubrik geirrt. Hast du schon mal etwas vom sogenannten englischen - oder Shakespeare-Sonett gehört?
Du hast richtig erkannt, V14 hat nur 8 Silben, müsste im Jambus bei männlicher Kadenz 10 haben, um dem Versmaß der anderen Zeilen zu entsprechen, zeigt also eine Versverkürzung, die jedoch (so hoffe ich zumindest) den Inhalt eben dieses Verses unterstreicht und zusätzlich bebildert. Sowas nennt man stilistisches Mittel.

Du hast die Atmosphäre gut eingefangen, nur den Horizont als schwarzen Schacht zu bezeichnen, halte ich schon für sehr gewagt , denn eigentlich ist der Horizint genau das Gegenteil von einem Schacht. Der Horizont ist weit, auch bei Dunkelheit und der Schacht verjüngt sich.

Ein Schacht vertjüngt sich nicht unbedingt, man hat nur aus einem gewissen Blickwinkel den Eindruck. Wenn man allerdings direkt vor der Schachtöffnung steht, dürfte - je nach Größe - durchaus ein Eindruck von gähnender, schwarzer Tiefe entstehen. Alles eine Frage der Perspektive.

Hab vielen Dank für deine Beschäftigung mit meinem Text und die hinterfragende Rückmeldung.

Liebe Grüße,

Sabine
reinART (57) antwortete darauf am 13.12.09:
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scalidoro (58)
(13.12.09)
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 Isaban schrieb daraufhin am 13.12.09:
Deine Rückmeldung freut mich sehr, lieber scal.
Hab vielen Dank!

Liebe Grüße,

Sabine

 Bergmann (13.12.09)
Gelungen. Eins deiner besseren.
LG, Uli

 Lala (13.12.09)
Hallo Isaban,

bis hierhin:

In seinem Ausschnitt schneien

die Invasoren einer fernen Macht
erfroren durch die Nichtmehrnacht.

fand ich Dein Gedicht ganz wunderbar. Sehr gut finde ich die morgendliche Stimmung eingefangen. Nur die zitierte Stelle, die finde ich sperrig. Invasoren? Geht ein Schichtwechsel nicht geschmeidig, routiniert über die Bühne? So selbstverständlich, so vertraut, wie es die Bilder sind, die Du vorher zeichnest? Invasoren? Muss etwas erobert werden, was sich schon längst ergeben hat?

Nichtmehrnacht? Erfroren? Diese Wörter erzeugen jedenfalls bei mir keinen Nachhall. Zu unvermittelt stürzt Du mir das Gedicht in laute - aber mir nichtige - Geschäftigkeit.

Egal wie, die ersten Strophen, das Bild ist so exakt mir aus dem Gemüt gemeißelt, dass ich mich an viele Schichtwechsel im Krankenhaus und auf dem Arbeitsweg dorthin erinnerte. Danke.

Gruß

Lala
(Kommentar korrigiert am 13.12.2009)

 Didi.Costaire äußerte darauf am 13.12.09:
Mir gefallen ebenfalls die Quartette, aber mit den Schlussversen komme ich auch nicht klar, ebenso wenig mit der Leserwertung "romantisch".
LG, Dirk
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