Facella
Roman zum Thema Angst
von Mutter
„Nein. Luisa wollte sowas nie. Sie fand die Vorstellung … merkwürdig.“ Verstörend, war das Wort, was sie damals benutzt hatte. Die Aussicht, ein Leben lang mit einer Augenblicks-Entscheidung leben zu müssen, hatte sie abgeschreckt.
„Was sind das für Motive? Und inwieweit ähnlich?“ Mein Puls beschleunigt sich.
„Eine kleiner Stern, direkt hinterm Ohr. Die zweite hatte ein Sternbild, keine Ahnung welches, auf dem Knöchel. Krebs oder Skorpion.“ Ich antworte nicht, und Frank fährt fort: „Das letzte Opfer, die Hauptmann, hatte ein Motiv von Sterntaler auf dem Bauch.“
Ich brauche einen Moment, um mir das Bild des kleinen Mädchens in seinem kurzen Rock vor Augen zu führen – kneife dazu kurz die Lider zusammen.
„Aber von Luisa fehlt diese Info …“ Er klingt zaghaft. Als sei das Thema tabu.
Ich schüttle den Kopf. „Das ist nicht eure Spur - nicht bei Luisa. Sie hatte keine.“
„In Ordnung.“ Enttäuschung. Ich nehme an, so sehr wie die Bullen im Dunkeln tappen, ist jede noch so winzige Spur ein Lichtblick.
Mit dem Hörer gegen das Ohr geklemmt, schaue ich die restlichen Unterlagen durch. Die abrupt abgeschnittene Vita der beiden Frauen. Fundorte. Charlottenburg und Mitte. Nichts, was für mich einen Sinn, einen Zusammenhang ergibt. Nichts, was auf Tiger hinweisen würde – das zumindest beruhigt mich. Außer der Tatsache, dass seine Flucht aus der Wohnung zeitgleich mit dem ersten Mord geschehen ist. Ich werfe einen kurzen Blick zu Matze rüber – der raucht weiter, mir den Rücken noch zugewandt.
„Was mache ich damit? Gebe ich Matze den Umschlag zurück?“
„Ja, der bringt ihn mir her. Tut mir leid, aber ich kann mir nicht erlauben, Kopien …“ Ich unterbreche ihn. „Schon gut, kein Ding. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Ich bin froh, dass du mich überhaupt in der Schleife halten kannst. Wehmeier hat mich angerufen“, wechsle ich das Thema.
„Der wird dir von der Hauptmann erzählen wollen.“
„Warum nicht von den anderen beiden?“
„Weil das Verschlusssache ist. Wenn wir Pech haben, passiert das Luisa und der Hauptmann auch.“
„Was heißt das?“
„Die haben eine SoKo gebildet. Die haben die Sache noch nicht komplett übernommen, aber zumindest die alten Fälle. Aus irgendeinem Grund hängt das Hamburger LKA da auch mi drin.“
„Warum das?“ Mir ist schwindelig – ich habe das Gefühl, ich decke die ganze Zeit Teile von einem immer größer werdenden Bild auf. Sehe aber nur die Bruchstücke, nicht das Gesamtbild. Wie zum Teufel passt Tiger da rein?
Frank unterbricht meine Gedankengänge. „Falls das wirklich derselbe Täter ist, haben wir einen hochgradig aktiven Serienkiller am Werk. Drei Tote innerhalb von etwas mehr als zwei Wochen – und dann möglicherweise noch ältere Sachen.“
„Was passiert jetzt?“
„Du gibst Matze das Zeug zurück und wir vergessen, dass du das jemals gesehen hast. Vor allem, wenn Wehmeier mit dir redet. Klar?“
Ich versichere ihm, dass er sich darüber keine Sorgen machen muss. „Aber ich meine, wie geht es jetzt bei euch weiter? Bleibt der Fall bei Wehmeier? Oder kommt irgendwann diese SoKo und übernimmt die ganze Kiste?“
„Weiß ich nicht. Alles, was ich rausfinde, erfährst du. In Ordnung?“
Wir verabschieden uns, ich mache es kurz. Helfe ihm damit. Merke, wie sehr ihm die Situation an die Nieren geht. Er will mir helfen, mir beistehen, hat aber gleichzeitig die Hosen voll. Das wird alles zu groß für ihn. Vermutlich hat er ähnlich große Bauchschmerzen wie ich – nur aus völlig anderen Gründen.
Nachdem ich das Handy weggesteckt habe, werfe ich einen letzten Blick auf die Papiere. Als müsste ich mir etwas davon merken. Dann schiebe ich sie zurück in den Umschlag und gehe auf Matze zu.
Der hat seine Kippe längst ausgetreten und dreht sich zu mir um, als er meine Schritte hört. Wortlos streckt er die Hand aus und ich reiche ihm die Unterlagen.
„Grüß Frank von mir, okay?“, sage ich zum Abschied. Nur, um irgendwas zu sagen - um Matze nicht wortlos gehen zu lassen.
Er nickt und hebt im Gehen die Hand, um sich zu verabschieden. Ich sehe zu, wie er die Straße kreuzt und ohne einen letzten Blick in einen tiefergelegten Dreier-BMW steigt. Erst als er sich in den Verkehr Richtung Westen einreiht, mache ich mich auf den Weg zurück.
Manu sitzt im Schlaf- und Arbeitszimmer an ihrem Schreibtisch. Sie muss den Schlüssel im Schloss gehört haben - ich überlege, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Ob meine Anwesenheit normaler wird, oder ob sie mir grollt. Als sie den Blick und den Zeichenstift hebt, lächelt sie mich schwach an. Verlegen, als würde sie meine Reaktion testen wollen. Ich lächle zurück, gehe zu ihr. Streiche ihr kurz über den Oberarm, um sie zu beruhigen. Als Antwort legt sie ihre kühle Hand kurz auf meine, zeichnet weiter.
Ich betrachte die Striche aus schwarzer Tinte, die auf den ersten Blick so willkürlich und konfus aussehen und nach und nach ein klares Bild ergeben. Eine erste Skizze, ein grober Entwurf. Ihre Ideen bringt sie immer erstmal auf das Papier, bevor sie anfängt, sie am Rechner umzusetzen. Old school, sagt sie dann immer mit einem verlegenen Lächeln, wenn jemand sie darauf anspricht.
„Was wird das? Eine Webseite?“ Sie nickt. Ihre Hand liegt immer noch auf meiner. Während sie weiter skribbelt, betrachte ich die Muster und Linien auf ihren Unterarmen. Sie hat auf beiden Armen keltische Eulen, in verschlungenen Mustern und Knoten eingebettet, tätowiert. Auf den Schulterblättern und dem Schlüsselbein befinden sich weitere Motive, aber auch bei denen denke ich erleichtert: Keine Sterne! Franks Spur ist keine, sondern führt ins Nichts.
Ich unterdrücke den Reflex, ihre Tattoos mit den Fingern zu berühren. Löse stattdessen meine Hand aus ihrer, mache einen Schritt zurück. Ihre Linke bleibt auf dem Oberarm liegen, als wolle sie der Wärme nachspüren, die ich dort zurückgelassen habe.
Langsam gehe ich zum Fenster rüber, schiebe die luftigen weißen Vorhänge zurück, um auf die Straße runter zu sehen. Dort stehen ein Kühlschrank ohne Tür, eine Waschmaschine und ein Drehstuhl mit zerschlitzten Polstern. Spätestens heute Abend ist alles weg – hat bis dahin einen neuen Besitzer gefunden.
„Hat Luisa mal darüber nachgedacht, sich ein Tattoo stechen zu lassen?“ Ich stelle die Frage, ohne mich umzudrehen. Sehe weiter nach draußen. Versuche dabei, unbefangen zu klingen. Eine einfache Frage mit einer genauso einfachen Antwort. Manu wird „Nein“ sagen und die Sache ist gegessen.
„Wie kommst du darauf?“, will sie wissen. Ich kann hören, wie sie sich umdreht. Mich beobachtet, nicht mehr weiter zeichnet.
Ich wende mich ihr zu. „Weißt du was darüber? Hat sie was gesagt?“
Manu beobachtet mich aufmerksam, mit leicht geschlitzten Augen. Sie will wissen, warum ich frage – mir dagegen wird flau im Magen.
„Sie wollte es dir zum Geburtstag schenken. War schon völlig aufgeregt – dabei ist der Termin für die erste Sitzung erst in einem Monat gewesen. Woher weißt du davon?“
„Was wollte sie sich stechen lassen?“ Mein Mund ist trocken, meine Hände dagegen fühlen sich schwitzig an. Ich reibe sie an meiner Hose.
Manu betrachtet mich noch einen kurzen Augenblick, entscheidet sich dann dagegen, weiter in mich zu dringen. Sie schwingt auf ihrem Schreibtischstuhl herum und zieht Schubladen von einem Aktenschrank, der auf dem Boden steht, auf. Aus der zweiten oder dritten zieht sie ein paar Blatt Papier, checkt sie und nickt. Hält sie mir hin.
Ich mache den Schritt auf sie zu, nehme ich die Blätter ab. Darauf sind Skizzen und Entwürfe von Manu zu sehen. Natürlich. Luisa hätte sich niemals einen Entwurf von jemand anderem tätowieren lassen.
Ich brauche einen Moment, um die Linien und Formen zu entwirren. Um zu verstehen, was ich sehe. Wabernde Linien, die vermutlich Flammen darstellen sollen, schwarze Bänder, die ein Geflecht bilden. Wie ein Korb oder kleinen Käfig. Ich weiß sofort, was Luisa von Manu wollte, welches Motiv sie zeichnen sollte.
„Eine Fackel“, stelle ich mit belegter Stimme fest. Manu nickt, beobachtet mich aufmerksam. Sie weiß, dass Luisa mich manchmal Facella genannt hat – „kleine Fackel“. Luisa hat das etwas altertümliche Wort geliebt, nachdem sie darauf gestoßen war. Ist mir immer durch die Locken gefahren und hat dabei ganz leise „Meine facella, meine auf ewig hell leuchtende facella“ gesagt.
„Was ist?“
Ich schüttle nur den Kopf, unfähig zu antworten. Facella heißt auf Italienisch auch „Stern“.
„Was sind das für Motive? Und inwieweit ähnlich?“ Mein Puls beschleunigt sich.
„Eine kleiner Stern, direkt hinterm Ohr. Die zweite hatte ein Sternbild, keine Ahnung welches, auf dem Knöchel. Krebs oder Skorpion.“ Ich antworte nicht, und Frank fährt fort: „Das letzte Opfer, die Hauptmann, hatte ein Motiv von Sterntaler auf dem Bauch.“
Ich brauche einen Moment, um mir das Bild des kleinen Mädchens in seinem kurzen Rock vor Augen zu führen – kneife dazu kurz die Lider zusammen.
„Aber von Luisa fehlt diese Info …“ Er klingt zaghaft. Als sei das Thema tabu.
Ich schüttle den Kopf. „Das ist nicht eure Spur - nicht bei Luisa. Sie hatte keine.“
„In Ordnung.“ Enttäuschung. Ich nehme an, so sehr wie die Bullen im Dunkeln tappen, ist jede noch so winzige Spur ein Lichtblick.
Mit dem Hörer gegen das Ohr geklemmt, schaue ich die restlichen Unterlagen durch. Die abrupt abgeschnittene Vita der beiden Frauen. Fundorte. Charlottenburg und Mitte. Nichts, was für mich einen Sinn, einen Zusammenhang ergibt. Nichts, was auf Tiger hinweisen würde – das zumindest beruhigt mich. Außer der Tatsache, dass seine Flucht aus der Wohnung zeitgleich mit dem ersten Mord geschehen ist. Ich werfe einen kurzen Blick zu Matze rüber – der raucht weiter, mir den Rücken noch zugewandt.
„Was mache ich damit? Gebe ich Matze den Umschlag zurück?“
„Ja, der bringt ihn mir her. Tut mir leid, aber ich kann mir nicht erlauben, Kopien …“ Ich unterbreche ihn. „Schon gut, kein Ding. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Ich bin froh, dass du mich überhaupt in der Schleife halten kannst. Wehmeier hat mich angerufen“, wechsle ich das Thema.
„Der wird dir von der Hauptmann erzählen wollen.“
„Warum nicht von den anderen beiden?“
„Weil das Verschlusssache ist. Wenn wir Pech haben, passiert das Luisa und der Hauptmann auch.“
„Was heißt das?“
„Die haben eine SoKo gebildet. Die haben die Sache noch nicht komplett übernommen, aber zumindest die alten Fälle. Aus irgendeinem Grund hängt das Hamburger LKA da auch mi drin.“
„Warum das?“ Mir ist schwindelig – ich habe das Gefühl, ich decke die ganze Zeit Teile von einem immer größer werdenden Bild auf. Sehe aber nur die Bruchstücke, nicht das Gesamtbild. Wie zum Teufel passt Tiger da rein?
Frank unterbricht meine Gedankengänge. „Falls das wirklich derselbe Täter ist, haben wir einen hochgradig aktiven Serienkiller am Werk. Drei Tote innerhalb von etwas mehr als zwei Wochen – und dann möglicherweise noch ältere Sachen.“
„Was passiert jetzt?“
„Du gibst Matze das Zeug zurück und wir vergessen, dass du das jemals gesehen hast. Vor allem, wenn Wehmeier mit dir redet. Klar?“
Ich versichere ihm, dass er sich darüber keine Sorgen machen muss. „Aber ich meine, wie geht es jetzt bei euch weiter? Bleibt der Fall bei Wehmeier? Oder kommt irgendwann diese SoKo und übernimmt die ganze Kiste?“
„Weiß ich nicht. Alles, was ich rausfinde, erfährst du. In Ordnung?“
Wir verabschieden uns, ich mache es kurz. Helfe ihm damit. Merke, wie sehr ihm die Situation an die Nieren geht. Er will mir helfen, mir beistehen, hat aber gleichzeitig die Hosen voll. Das wird alles zu groß für ihn. Vermutlich hat er ähnlich große Bauchschmerzen wie ich – nur aus völlig anderen Gründen.
Nachdem ich das Handy weggesteckt habe, werfe ich einen letzten Blick auf die Papiere. Als müsste ich mir etwas davon merken. Dann schiebe ich sie zurück in den Umschlag und gehe auf Matze zu.
Der hat seine Kippe längst ausgetreten und dreht sich zu mir um, als er meine Schritte hört. Wortlos streckt er die Hand aus und ich reiche ihm die Unterlagen.
„Grüß Frank von mir, okay?“, sage ich zum Abschied. Nur, um irgendwas zu sagen - um Matze nicht wortlos gehen zu lassen.
Er nickt und hebt im Gehen die Hand, um sich zu verabschieden. Ich sehe zu, wie er die Straße kreuzt und ohne einen letzten Blick in einen tiefergelegten Dreier-BMW steigt. Erst als er sich in den Verkehr Richtung Westen einreiht, mache ich mich auf den Weg zurück.
Manu sitzt im Schlaf- und Arbeitszimmer an ihrem Schreibtisch. Sie muss den Schlüssel im Schloss gehört haben - ich überlege, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Ob meine Anwesenheit normaler wird, oder ob sie mir grollt. Als sie den Blick und den Zeichenstift hebt, lächelt sie mich schwach an. Verlegen, als würde sie meine Reaktion testen wollen. Ich lächle zurück, gehe zu ihr. Streiche ihr kurz über den Oberarm, um sie zu beruhigen. Als Antwort legt sie ihre kühle Hand kurz auf meine, zeichnet weiter.
Ich betrachte die Striche aus schwarzer Tinte, die auf den ersten Blick so willkürlich und konfus aussehen und nach und nach ein klares Bild ergeben. Eine erste Skizze, ein grober Entwurf. Ihre Ideen bringt sie immer erstmal auf das Papier, bevor sie anfängt, sie am Rechner umzusetzen. Old school, sagt sie dann immer mit einem verlegenen Lächeln, wenn jemand sie darauf anspricht.
„Was wird das? Eine Webseite?“ Sie nickt. Ihre Hand liegt immer noch auf meiner. Während sie weiter skribbelt, betrachte ich die Muster und Linien auf ihren Unterarmen. Sie hat auf beiden Armen keltische Eulen, in verschlungenen Mustern und Knoten eingebettet, tätowiert. Auf den Schulterblättern und dem Schlüsselbein befinden sich weitere Motive, aber auch bei denen denke ich erleichtert: Keine Sterne! Franks Spur ist keine, sondern führt ins Nichts.
Ich unterdrücke den Reflex, ihre Tattoos mit den Fingern zu berühren. Löse stattdessen meine Hand aus ihrer, mache einen Schritt zurück. Ihre Linke bleibt auf dem Oberarm liegen, als wolle sie der Wärme nachspüren, die ich dort zurückgelassen habe.
Langsam gehe ich zum Fenster rüber, schiebe die luftigen weißen Vorhänge zurück, um auf die Straße runter zu sehen. Dort stehen ein Kühlschrank ohne Tür, eine Waschmaschine und ein Drehstuhl mit zerschlitzten Polstern. Spätestens heute Abend ist alles weg – hat bis dahin einen neuen Besitzer gefunden.
„Hat Luisa mal darüber nachgedacht, sich ein Tattoo stechen zu lassen?“ Ich stelle die Frage, ohne mich umzudrehen. Sehe weiter nach draußen. Versuche dabei, unbefangen zu klingen. Eine einfache Frage mit einer genauso einfachen Antwort. Manu wird „Nein“ sagen und die Sache ist gegessen.
„Wie kommst du darauf?“, will sie wissen. Ich kann hören, wie sie sich umdreht. Mich beobachtet, nicht mehr weiter zeichnet.
Ich wende mich ihr zu. „Weißt du was darüber? Hat sie was gesagt?“
Manu beobachtet mich aufmerksam, mit leicht geschlitzten Augen. Sie will wissen, warum ich frage – mir dagegen wird flau im Magen.
„Sie wollte es dir zum Geburtstag schenken. War schon völlig aufgeregt – dabei ist der Termin für die erste Sitzung erst in einem Monat gewesen. Woher weißt du davon?“
„Was wollte sie sich stechen lassen?“ Mein Mund ist trocken, meine Hände dagegen fühlen sich schwitzig an. Ich reibe sie an meiner Hose.
Manu betrachtet mich noch einen kurzen Augenblick, entscheidet sich dann dagegen, weiter in mich zu dringen. Sie schwingt auf ihrem Schreibtischstuhl herum und zieht Schubladen von einem Aktenschrank, der auf dem Boden steht, auf. Aus der zweiten oder dritten zieht sie ein paar Blatt Papier, checkt sie und nickt. Hält sie mir hin.
Ich mache den Schritt auf sie zu, nehme ich die Blätter ab. Darauf sind Skizzen und Entwürfe von Manu zu sehen. Natürlich. Luisa hätte sich niemals einen Entwurf von jemand anderem tätowieren lassen.
Ich brauche einen Moment, um die Linien und Formen zu entwirren. Um zu verstehen, was ich sehe. Wabernde Linien, die vermutlich Flammen darstellen sollen, schwarze Bänder, die ein Geflecht bilden. Wie ein Korb oder kleinen Käfig. Ich weiß sofort, was Luisa von Manu wollte, welches Motiv sie zeichnen sollte.
„Eine Fackel“, stelle ich mit belegter Stimme fest. Manu nickt, beobachtet mich aufmerksam. Sie weiß, dass Luisa mich manchmal Facella genannt hat – „kleine Fackel“. Luisa hat das etwas altertümliche Wort geliebt, nachdem sie darauf gestoßen war. Ist mir immer durch die Locken gefahren und hat dabei ganz leise „Meine facella, meine auf ewig hell leuchtende facella“ gesagt.
„Was ist?“
Ich schüttle nur den Kopf, unfähig zu antworten. Facella heißt auf Italienisch auch „Stern“.