Historische Ente

Erörterung zum Thema Historisches

von  loslosch

Pane egeo iam mellitis potiore placentis (Horaz, 65 v. Chr. bis 8 v. Chr.; Epistulae). Brot brauche ich mehr als süßen Kuchen.

Die Essenz des Spruches ist deutlich genug: Weniger Gekünsteltes, mehr Handfestes. Die Metapher lädt zu einer Analogie ein. Hat nicht Marie Antoinette etwas Gegenläufiges gesagt?

"Wenn sie kein Brot haben, so sollen sie Kuchen essen!"

So stand es in den gymnasialen Geschichtsbüchern der 1950er und 1960er Jahre, und der im Übrigen exzellente OStR Frischbier (ein tüchtiger, besonnener) vom Montabaurer Gymnasium konnte es nicht anders wissen. Marie Antoinette, 15jährig mit Ludwig dem XVI. vermählt, landete in den Nachwirren der Französischen Revolution bekanntlich auf dem Schafott (1793). In den Mund gelegt wurde ihr der ominöse Satz, als 1789 das einfache Volk mit Sprechchören ("wir haben kein Brot") durch Paris zog. Der Originalspruch lautet übersetzt: "Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Brioche (Weißbrot) essen." Ein Satz, der schon einer Ehefrau Ludwig des XIV. angehängt wurde. Eine Sentenz, die diffamieren soll. Sie wurde von Jean-Jacques Rousseau erwähnt in seinem Werk "Les confessions", erschienen postum, 1782, also Jahre früher.

Geschichten, die immer wieder breit gewalzt werden. Sie heißen übrigens Wanderanekdoten.

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Kommentare zu diesem Text

AronManfeld (43)
(25.10.11)
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 Bergmann meinte dazu am 25.10.11:
Oh la la...! La démocratie est mort, vive l'argent!

 loslosch antwortete darauf am 25.10.11:
@AM: wie in tunesien ... danke fürs mitgefühl! lothar
(Antwort korrigiert am 25.10.2011)
Helix (39)
(25.10.11)
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 loslosch schrieb daraufhin am 25.10.11:
sie soll es eben nicht so gesagt haben. aber gedacht haben wird sie es schon, denke ich. das königspaar war ein stück weit weg von der realität, aber nicht so weit weg wie die ahnenkette der ludwig XV, XIV usw. danke für den freundlichen besuch. lothar

 Lluviagata (25.10.11)
Arme Marie-Antoinette... das kommt davon.
Allgemeine Tatsache ist ja, dass Brot viel gesünder ist. Horaz hatte es drauf. Er ging sicher auch nicht gern zum Bader Zähne ziehen (kommt mir bekannt vor).
Ein geläufiger Spruch in Kriegstagen war, und hier zitiere ich wieder gern meine Großmutter: "Trocken Brot macht Wangen rot.".
Wanderanekdote. Wandert einem immer wieder übern Weg. Oder auch Stille Post.
Sehr interessant, mein Lieber! ♥
(Kommentar korrigiert am 25.10.2011)

 loslosch äußerte darauf am 25.10.11:
so früh am morgen! du hast ja gar nichts korrigiert, andrea. die roten wangen kommen natürlich von den erschwerten bedingungen der nahrungssuche.
zu viel des lobes! lothar

 Lluviagata ergänzte dazu am 25.10.11:
Warum? Solltest du einen Fehler gemacht haben, hast du ihn spätestens jetzt ausgemerzt. Also recht gelobt.
Früh am Morgen, nach einer halbstündigen Autobahnfahrt, neben und zwischen Brummis genötigt, bin ich sowas von wach! ;))) ♥

 Didi.Costaire (25.10.11)
Hallo Lothar,
ob sie es gesagt oder nicht: Die Ignoranz eines Kindes aus reichem Hause gegenüber den Nöten des gemeinen Volkes bringt der Marie Antoinette in den Mund gelegte Satz gut zum Ausdruck, und es muss gar nicht mal bösartig gemeint sein.
Damals war die Zuckerrübenproduktion, die die Preise für den süßen Rohstoff senkte, erst in den Anfängen. Heute gibt es Brot zu Kuchenpreisen...
LG, Dirk

 loslosch meinte dazu am 25.10.11:
diese erweiterungen in einem kommentar zu finden erfreut den autor ungemein. die story mit den süßwarenpreisen ist mir neu und interessant zu wissen. danke, dir(k). lothar
RobertaRupp (48)
(25.10.11)
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 loslosch meinte dazu am 25.10.11:
warum musst du immer alles verraten, roberta? leichte korrektur: sie lag aufgrund eines aktionspreises mehrere wochen im gefrierschrank. lothar

 Lluviagata meinte dazu am 25.10.11:
Typisch Lothar. Der Meister der Korrekturen. :))))

 EkkehartMittelberg (25.10.11)
Ich bleibe an Horaz hängen, weil ich von Marie Antoinette zu wenig weiß. Es ist interessant, dass in der Geschichte der Literatur immer wieder der Ruf nach dem Ungekünstelten, der Klarheit laut wird: Hans Magnus Enzensberger: Ins lesebuch für die oberstufe: „Lies keine oden, mein sohn, lies die fahrpläne, sie sind genauer.“ (1957)

 loslosch meinte dazu am 25.10.11:
das schreibt mir ein meister der oden. natürlich in diesem veränderten kontext. lothar

 TassoTuwas (25.10.11)
Und nach dieser Ente a la Orange stellt sich mir die Frage, wem wird welcher berühmte Satz bestenfalls zugeschrieben oder schlimmer doch angehängt. Kunst kommt von können, hat ja reichlich Väter.(k(l)eine Anspielung auf kv) LG TT

 loslosch meinte dazu am 25.10.11:
aha, marions kochbuch!

diese sarkastischen sprüche unterdrückter stände wird es zu allen zeiten gegeben haben. selbst in der nazizeit noch. standbild von adolf mit gefalteten händen vorm leib. volkes stimme: der führer schützt den letzen arbeitslosen. lothar
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