Mit dem Latein am Ende

Erörterung zum Thema Sterben

von  loslosch

Ut aliquid fecisse videamur. Verkürzt zu: Ut aliquid fiat/fierit (Lactantius, ~250 n. Chr. bis ~325 n. Chr.; Institutiones divinae). Damit es den Anschein hat, als hätten wir etwas getan. Wörtlich: Damit wir so dastehen, als hätten wir etwas getan. Verkürzt zu: Damit etwas geschehe/geschehen sei.

In älteren klinischen Wörterbüchern findet sich der Eintrag: Gleichgültige Verordnung bei abwartender Behandlung. Diese Begründung einer Verordnung verrät nichts über die Motive des Arztes. Unsicherheit? Unwissen? Ist da einer mit seinem Latein sprichwörtlich am Ende? Oder Tarnung der eigenen Hilflosigkeit gegenüber dem Patienten?

Erst die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aufgekommene Palliativmedizin (pallium = weiter Mantel, schützender Überwurf) verleiht diesem alten medizinischen Spruch einen neuen, tieferen Sinn: Es geht nicht darum, einem todkranken Patienten Heilungserfolge vorzugaukeln, sondern ihm in einer bedrängten, schier aussichtslosen Situation angemessene medizinische Hilfen (Schmerzbehandlung, Gespräche, leichte Massagen u. ä.) zur Qualitätsverbesserung im Rahmen des Möglichen anzubieten.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (09.02.13)
Ich würde das Zitat anders deuten: Du darfst nicht vergessen, dass der Medizin(grob) bis in die 2. Hälfte des 19. Jhd. zumeist die Hände gebunden war, sowohl bei schweren Verletzungen als auch bei schweren Krankheiten. All das, was wir heute als moderne Medizin genießen können, beruht im Prinzip auf zwei Entwicklungen: Der Möglichkeit Entzündungen behandeln und Blutverlust auszugleichen zu können.

Das stand den Ärzten jahrtausendelang nicht zu Verfügung. Darum mussten sie zwangsläufig einen viel größeren Wert auf das legen, was wir heute vereinfacht 'Zuspruch' nennen würden und auf eine Art 'Placeboeffekt' hoffen mussten.

In diesem Zitat mischen sich meiner Meinung nach die Aufforderung, Zuspruch zu leisten, als auch die Hoffnung auf eine Plceboeffekt, obwohl man vielleicht besser - oder zumindest auch - von den Selbstheilungskräften des Körpers sprechen sollte. Gerade der Zuspruch bzw. die Ansprache des Patienten findet in antiken Medizinbüchern immer wieder Erwähnung.

T.B.

 loslosch meinte dazu am 09.02.13:
die institutiones divinae (göttliche unterweisungen) richten sich gegen heidnische philosophie. laktanz war "gut katholisch" altbacken. bin mir überhaupt nicht sicher, ob das zitat auf die medizin anspielte. der eintrag in älteren med. handbüchern passt aber exakt dazu.

wann hat die medizin vor der moderne den größten schub gemacht? zwischen 1618 und 1648. technik der wundversorgung, des bandagierens etc. lo
MelodieDesWindes (36)
(09.02.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch antwortete darauf am 09.02.13:
falls es von dir stammt: ironisch war nur die überschrift. der rest ein ernstes thema. lo

 Momo (09.02.13)
„Gleichgültige Verordnung bei abwartender Behandlung.“

Ich sehe es eher so, dass Palliativmedizin und eine angemessene Schmerzbehandlung sowie Gespräche notwendig und sinnvoll sind, also tatsächlich etwas getan wird, nicht, als ob nur so getan wird, als ob etwas getan würde.

Vielleicht gab es ja früher auch schon Symptome, die keinem körperlichen Krankheitsbild zugeordnet werden konnten. Die Patienten hatten nach dem medizinischen Befund nichts.
Ich las kürzlich einen interessanten Artikel in Spiegel online „Wenn der Arzt sich drückt“, geschrieben von einem Mediziner. Bei einem Drittel aller Symptome können keine körperlichen Ursachen gefunden werden. Was dann mit so einem Patienten passiert, trifft’s schon eher: Ein Hin- und Hergeschiebe und Pseudobehandlungen, die das dringend notwendige Gespräch ersetzen.

LG Momo

 loslosch schrieb daraufhin am 09.02.13:
ich spreche ja vom tieferen sinn. also kein dissens.

oft wissen mediziner recht gut bescheid, wollen keine melkkuh verlieren. etliche psychos halten sich für intakt. (vermutlich weißt du das.) nicht nur schizophrene formenkreise, auch alkoholsüchtige und zwangsneurotiker haben fast immer "alles im griff". lo

 EkkehartMittelberg (09.02.13)
Wenn wir den Satz von Lactanius auf alle Lebensbereiche beziehen und sowohl selbstkritisch als auch kritisch gegenüber anderen sind, müssen wir feststellen, dass ein großer Teil unserer Handlungen nach diesem Motto verläuft. Eigentlich wissen wir um die Vergeblichkeit unseres Handelns, wir wollen es uns aber nicht eingestehen.

 loslosch äußerte darauf am 09.02.13:
typisch menschlich: du schreibst fälschlich lactanius. dann erst erkenne ich meinen eigenen vertipper. werde gleich korrigieren: lactantius. so kanns gehen, ekki. t.t. lo

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 09.02.13:
Ich hoffe, du hast mich nicht drauf gelockt. Das würde ich dir glatt zutrauen. ))

 loslosch meinte dazu am 09.02.13:
ja, ich schaff das. aber es wäre in concreto eine allzu bequeme lüge.
AronManfeld (43)
(09.02.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
ichbinelvis1951 (64)
(11.02.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 11.02.13:
... nondum omnium dierum sol occidit ... wörtl.: noch nicht ist die sonne aller tage untergegangen.

von geißler in der vermittlerrolle zu stuttgart 21 zitiert: ... nondum omnium dierum solem occidisse ... noch sei die sonne aller tage nicht untergegangen. dieser satz ist kult inzwischen; denn der bund als hauptfinanzier will umfunktionieren. lo
(Antwort korrigiert am 11.02.2013)
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram