Erneuerung durch Wandlung. Eine fabelhafte Erzählung zum Überleben kleiner Erzählformen

Erzählung zum Thema Wandel

von  EkkehartMittelberg

Auf einem Schriftstellerkongress trafen sich die Sage, das Märchen und die Fabel in einer Kleingruppe, um ihre Überlebenschancen in der Postmoderne zu diskutieren.

„Ich sehe für meine Zukunft schwarz“, begann die Sage. „Solange die Spinnräder noch schnurrten und es kein Fernsehen gab, erzählte man sich gerne die alten Sagen, zum Beispiel von der weißen Burgfrau und dem Kobold in der Mühle. Sie wirkten in sicherer Stube so schaurig schön, und einige glaubten sie sogar. Aber die Vernunftgläubigkeit der modernen Zeit kann mit mir nichts mehr anfangen. Ich bin überholt.“

„Du schätzt deine Chancen zu pessimistisch ein“, entgegnete das Märchen. „Du hast übersehen, dass dich der moderne Tourismus reanimiert. Wenn heute alte Burgruinen, stillgelegte Mühlen und wieder entdeckte Wanderwege besucht werden, erinnern sich die Reiseführer an die alten Sagen, und wenn es keine gegeben hat, werden neue in antiquierter Sprache erfunden, sodass die Zuhörer an die Echtheit ihrer Überlieferung glauben. Wer prüft das schon so genau. Moderne Menschen finden alte Sagen amüsant, gleichgültig, ob sie ihre Inhalte glauben. Du hast wieder Unterhaltungswert, liebe Sage.“ Das Märchen machte der Sage noch mehr Hoffnung , indem es ergänzte: „Du hast bescheiden die unsterblichen Mythen nicht für dich reklamiert. Wenn du auch sie als Sagen bezeichnest, sieht deine Zukunft rosig aus.“ Diese günstige Prognose hatte die Alte ganz übersehen und sie strahlte über ihr runzliges Gesicht.

Nachdem die Sage ihr neues Glück gefasst hatte, wollte sie aber nicht als naiv erscheinen, machte sich bewusst gegenüber dem Märchen klein und schmeichelte ihm: „Du hast zwar recht, dass ich noch nicht aufs Altenteil muss, aber welch glänzende Zukunft hast du im Vergleich zu mir.
Das technische Zeitalter hat die Romantik neu entdeckt, und was für Gedichte dieser Epoche gilt, das trifft auch auf Märchen zu. Die Menschen mögen sie als Hort des Geheimnisvollen, des Unerklärbaren, des Wunderbaren, des Glücks, das den Kleinen und Benachteiligten zuteil wird.
Aber du bedienst nicht nur die Sehnsüchte von Romantikern, sondern auch von Aufklärern, die in Form von Antimärchen die alten Märchen so umschreiben, dass sie in ihr vernunftgeleitetes Weltbild passen. So erfüllst du die Bedürfnisse Erwachsener, von den Kindern gar nicht zu reden. Denen ist der Streit zwischen Romantikern und Aufklärern herzlich egal, Hauptsache, deine wunderbare Welt ist voller Abenteuer, leicht wie fliegende Teppiche, schön wie Schneewittchen, gruselig wie ein Gespensterschiff, und am Ende wird alles gut.“ „Das kann ich nicht bestreiten“, schmunzelte das Märchen und gab sich Mühe, seine Selbstzufriedenheit nicht zu offen zu zeigen.
„Ja, Ja“ seufzte die Sage, „und die Kinder müssen noch nicht einmal Fantasie aufwenden, um deinen Bildern zu folgen. Die Kinderkanäle des Fernsehens spielen dich in allen nur möglichen Variationen durch.“

Jetzt schauten Sage und Märchen gespannt auf die Fabel, die die ganze Zeit geschwiegen hatte.
„Warum bist du so still? Deine Chancen stehen doch auch nicht so schlecht“, sagte das Märchen, denn du bist die Kürzeste von uns.“ „Das klingt eher mager“, lächelte die Fabel. „Nein, ich meine das ganz ernst“ entgegnete das Märchen. „Wegen der Reizüberflutung der Mediengesellschaft können sich nur noch wenige Menschen lange konzentrieren, und du nimmst mit deiner Kürze auf diese Schwäche Rücksicht.“ „Das ist wohl wahr“, antwortete die Fabel, „aber auch meine Kürze ändert nichts daran, dass ich den meisten langweilig erscheine. Der moderne Mensch mag zwar konzentrationsschwach sein, aber er ist nicht mehr so einfach gestrickt wie frühere Generationen, die es widerspruchslos hinnahmen, dass der Fuchs immer schlau, die Gans immer dumm und der Löwe immer stark sei. Der Konsum von Kriminalfilmen hat ihn zum Beispiel gelehrt, dass die meisten Charaktere gemischt sind. Kommt hinzu, dass meine Adressaten nicht mehr auf den Trick hereinfallen, Tiere an die Stelle von Menschen zu setzen, damit sie meine Lehre besser schlucken.
Ist ja lieb von euch, Freunde, dass ihr mich lobt, aber auch VW musste irgendwann mal ein anderes Modell als den Käfer bringen.“ „Ersetze die Tiere doch durch Pflanzen oder hauche den Dingen Leben ein und lasse sie sprechen“, warf die Sage ein. „Das mag für kurze Zeit hilfreich sein“, widersprach die Fabel, „nein, ich muss mich gründlicher wandeln, wenn man mich zukünftig lesen soll.“ „Und wie willst du das anstellen?“, fragte das Märchen. „Ein Patentrezept habe ich noch nicht“, antwortete die Fabel. „Doch eines ist klar. Meine Akteure dürfen nicht mehr so einfach über den Tugendleisten geschlagen werden, und meine sprichwörtliche Lehre darf nicht mehr so leicht zu entschlüsseln sein.
Beim nächsten Treffen lese ich euch einfach eine innovative Fabel vor. Dann kann ich mir alle Theorie sparen.“

© Ekkehart Mittelberg, Februar 2014

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Kommentare zu diesem Text


 susidie (11.02.14)
Schön, wenn die Sage überlebt. Warum auch immer. Ich habe als Kind Sagen verschlungen, dieses mystische , dieses Eintauchen in eine ganz alte Welt. Und Glauben darin finden. Ja, das ist einmalig für eine Kinderseele.
Das Märchen, es gab so Schöne. Den Glauben an ein happy end vermitteln, ja. Die Aufklärer...nein, die wollten doch nicht, dass am Ende alles gut wurde. Das ist Leben, nicht Märchen.
Die Fabel, ich glaube nicht, dass sie innovativer werden muß. Weil, leider, für die meisten heute schon nicht mehr zu entschlüsseln. Mit etwas noch komplizierterem möchte sich doh keiner mehr beschäftigen.
Alle drei haben etwas gemeinsam - Sage, Märchen und Fabel sollen vorgekaut verstanden werden. Die meisten nicht verstehend, dass das "slow food" ist und unten was dabei rauskommt (rauskommen soll). Nein, es geht nicht um den erhobenen Zeigefinger, die Inhalte sind es, die verstanden werden müssen. Damit Denkfaulheit überwunden wird. Ah, was frommer Wunsch.
Egal, ich liebe deine kleinen Erzählformen und wünsche ihnen ganz viel Leben und Überleben. Fabelhafte Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Grazie, Su.
"Nein, es geht nicht um den erhobenen Zeigefinger, die Inhalte sind es, die verstanden werden müssen. Damit Denkfaulheit überwunden wird. Ah, was frommer Wunsch."

Aus diesem Grunde muss die traditionelle Fabel, die die Aufklärung seit der Antike kaum verändert hatte, überwunden werden. Ihre Figuren waren zu einfach gestrickt nach dem Motto: faul die Grille, fleißig die Ameise und in der Lehre sieht die Grille wegen ihrer Faulheit schlecht aus. Solche Fabeln unterstützen Trägheit des Denkens und werden heute wohl als langweilig empfunden. Man kann auch Fabeln schreiben, deren Schluss nicht aufdringlich moralisiert und den Leser überrascht.
Ich bin aber, was das Überleben der kleinen Erzählformen angeht, optimistisch wie du.
Liebe Grüße
Ekki
Nimbus (38)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 11.02.14:
Vielen Dank für deine Bereitschaft zum Mitdenken, Heike. Die zentrale Frage ist, warum Märchen, Mythen und Fabeln in der Mediengesellschaft keine Konjunktur haben? Ich denke, sie sind willkommen, wenn und insofern sie Wunder thematisieren. Aber anders als in der Romantik will man heute das Wunder als Sensation, bestenfalls als gehobenes entertainment. Aber es fehlt die Bereitschaft, daran zu glauben. Und so schwimmen die kleinen Formen amüsant im Meer der human interest stories mit.
LG
Ekki
LancealostDream (49)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 11.02.14:
Merci, Lance. Du hast Recht, wenn du von "Nischenpublikum" sprichst. Aber ihre zentrale Stellung unter den Erzählformen werden die kleinen Formen wohl nicht zurückerobern, da sie nicht mit dem Nervenkitzel dienen können, den Kriminalgeschichten und selbst moderne love stories bieten.
LG
Ekki
chichi† (80)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 11.02.14:
Grazie, liebe Gerda, ich hoffe, dass meine Fantasie den realen Umgang mit den kleinen Erzählformen richtig spiegelt.
LG
Ekki
Koka† (46)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 11.02.14:
Merci, John, es ist schwierig, der "geilen Oberflächlichkeit" der Medien entgegenzuwirken. Das Beste scheint mir zu sein, es erst gar nicht zu versuchen, weil nur so originelle Texte entstehen können, die sich durch Andersartigkeit abheben.
LG
Ekki

 TassoTuwas (11.02.14)
Hallo Ekki,
schön, wie du unser Augenmerk auf diese Erzählformen richtest.
Mir ist es nicht bang um die Drei, die Moderne hat schon viele Sterbensglöcklein geläutet.
Herzliche Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Gracias, Tasso, es stimmt, sie werden nicht sterben. Aber um es mit dem ollen Marx zu erklären, die Produktionsverhältnisse einer Wegwerfgesellschaft begünstigen Erzählformen, die zum Verweilen im Wunderbaren und Gehimnisvollen einladen, nicht.
Herzliche Grüße
Ekki

 AZU20 (11.02.14)
Ich denke, diese Erzählformen haben wirklich noch Chancen, wie Du es so toll dargestellt hast. Vielleicht wirklich nur ein wenig neue Gewänder. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Vielen Dank, Armin, chancenlos sind sie nicht, wenn ihre Autoren bereit sind, die Möglichkeiten des Wandels auszuloten.
LG
Ekki

 monalisa (11.02.14)
Sehr schön, liest sich wunderbar, lieber Ekki!

Ob man nun Sagen-, Märchen- und/oder FabelliebhaberIn ist, wird man dem Inhalt gerne und mit zunehmender Spannung folgen, ihn nachklingen lassen und zu dem Resümee kommen, dass der Wandel der Sage längst eingeleitet, bestens eingeleitet ist, indem die stereotypen Rollen der Tiere von differenzierten Protagonisten mit facettenreichen Perspektiven, von Sage, Märchen und Fabel übernommen wurden. So schließt sich der Kreis. Eine runde Sache, Ekki !

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Grazie, Mona,"facettenreiche Perspektiven", das ist das Zauberwort. Ich habe hier zum Beispiel einige Fabeln eingestellt, die ganz unterschiedlich gedeutet wurden. Das wäre bei einer einlinigen klassischen Fabel nicht möglich gewesen.
Liebe Grüße
Ekki
mathis (48)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Vielen Dank, Mathis. Es kommt auf die Betrachtung an, ob man zu dem Schluss kommt, dass Volksmärchen und Volkssagen mit dem Beginn ihrer Niederschreibung gestorben seien. Die Gebrüder Grimm haben die Volksmärchen mit ihrer Verschriftlichung erst recht populär gemacht und versucht, die schlichte Erzählweise der mündlichen Überlieferung zu bewahren. Wenn man jedoch die mündliche Überlieferung zum entscheidenden Kriterium des Märchens macht, hast du Recht.
Im Gegensatz zu den Volksmächen ist bei den Kunstmärchen zum Beispiel von Hauff, Andersen und Oscar Wilde der künstleriche Gestaltungswille ihrer Autoren stärker zu spüren und lässt sich auch nachzuweisen.
Zweifler (62)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Vielen Dank, Zweifler insbesondere dafür, dass du auf bereits erschienene Fabeln von mir verweist. Ich hoffe mit ihnen gezeigt zu haben, dass sich die traditionelle Erzählform der Aufklärung überwinden lässt, nach der man die Tiere eindeutig bestimmten Tugenden zuordnen kann und nach der die Lehre mit dem "plakativ erhobenen Zeigefinger" erteilt wird.
wa Bash (47)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Lieber wa Bash, ich danke dir sehr für deinen Kommentar, den du mit den Worten einleitest: ".. ich weiß nicht, ob dies so stimmt." Also, was stimmt und was stimmt nicht? Es stimmt, dass es eine weitläufige Verwandtschaft zwischen Märchen und Fantasieromanen gibt. Was beide verbindet, ist die Freude am märchenhaften Fabulieren. Was sie unterscheidet sind einige Strukturelemente, angefangen von dem kunstvollen Aufbau der Fantasieromane mit ihren Ort- und Zeitwechseln, mit herausgearbeiteten Charakteren statt Typen, mit der trotz allem Fantastischen stärkeren Handlungskausalität, mit Kunstgriffen, wie z.B. Vorausdeutungen und Rückwendungen, mit zusammengefasst einer weitaus komplexeren, kunstvoll stilisierten Welt, im Vergleich zu der Märchen bewusst einfach gestaltet sind. Es stimmt, dass das Märchen lebt, insofern es Ausschreibungen zur Neugestaltung dieser Kunstform gibt. Es stimmt nicht, dass die Fabel reißenden Absatz im Kinderbuchbereich findet. Man lasse sich nicht durch die tatsächlich viel verkauften Tiergeschichten täuschen, denen die streng strukturierte Form der Fabel fehlt.

 TrekanBelluvitsh (11.02.14)
Eine amüsante Geschichte. Indes muss man sich um das Überleben der ersten beiden wirklich keine Sorgen machen. Vor allem, weil wir gerne vergessen, dass viele Sagen zuvor politische Programm waren.

Die Geschichte von Romulus und Remus mag für uns eine Sage sein, für sie Römer war sie zu ihrer Zeit aber real, eben weil sie ihrem politischen Selbstverständnis diente. Sie war schon damals ein Schwindel. Sinnbildlich dafür steht die kapitolinische Wölfin. Sie ist nämlich nicht ein Kunstwerk! Die Wölfin selbst ist etruskisch und die beiden Kinder unter ihr sind erst später eingefügt worden.

Sagen, Mythen und Legenden sind eben sehr wandelbar. Und verändert wurden sie schon immer und zwar aus dem einfachen Grund, um sie dem Geschmack des Publikums anzupassen.

Märchen? Natürlich! Ich sage nur: Star Wars! Krieg der Sterne ist ein Märchen in Reinkultur.

Die Fabel hat das Problem, dass sie von Anfang an und schon immer politisch war. Das konnte sie nie ablegen, weil es auch für den einfachsten Geist sichtbar ist und blieb. Und für das Politische gibt es heute halt jede Menge andere Formen. Neben dem Kabarett könnte sie vielleicht noch bestehen, aber gegen die Schwämme von sogenannten "Sachbüchern" - ich denke hier an die unsagbaren Werke eine Henryk M. Broder, die lauen Propagandaschrischten des Cheflobbyisten der deutschen Wirftschaft Hans-Olaf Henkel oder das Pseudewissenschaftliche Gefasel eine Thilo Sarazin, dessen Vorfahren dereinst als Einwandere nach Deutschland kamen - hat die Fabel tatsächlich kaum noch Chancen. Am ehesten überlebt sie wohl noch im Film. Ich denke hier z.B. an den Zeichentrickfilm 'Bärenbrüder'.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.02.14:
Lieber Trekan, diesmal ist es nicht leicht für mich, auf deinen anregenden Kommentar zu antworten, weil du mit der Begrifflichkeit der Erzählformen großzügiger umgehst als ich.

Du hast Recht, dass viele Mythen einen politischen Kern haben. Das ist auch der Grund, weshalb sie so lange überleben. Der römische Geschichtssschreiber Livius zum Beispiel hat viele Mythen überliefert, um mit ihnen den Gedanken des Imperium Romanum zu festigen. Ich hatte auf die Volkssagen mit ihren Feeen, Kobolden und Riesen abgehoben, die eher das Bedürfnis nach Übernatürlichem bedienen und die Mythen nur aus Chronistenpflicht erwähnt, weil man sich um ihren Bestand tatsächlich keine Sorgen machen muss.

Legenden sind Geschichten über Heilige und nur in sehr engen Grenzen wandelbar. Sie dienen der Festigung des Glaubens und müssen sich gerade deswegen treu bleiben.

Star Wars würde ich dem Genre des Fantasieromans zuordnen, der märchenhafte Züge hat, aber kein Märchen ist.
Dein im Mittelalter spielender Roman "Kobor der Dieb" trägt auch märchenhafte Züge, ist aber vom Genre her ein Fantasieroman.

Es stimmt, dass die Fabel von Anfang an politisch war. Sie ist in der griechischen Sklavenhalter-Gesellschaft entstanden und enthält versteckte Kritik an den Herrschenden. In der Folge der Aufklärung verlor sie ihren emanzipativen Drive und wurde mit dem Lob bürgerlicher Tugenden herrschaftsstabilisierend.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 12.02.14:
"Ich hatte auf die Volkssagen mit ihren Feeen, Kobolden und Riesen abgehoben, die eher das Bedürfnis nach Übernatürlichem bedienen und die Mythen nur aus Chronistenpflicht erwähnt, weil man sich um ihren Bestand tatsächlich keine Sorgen machen muss."
Ich denke Feeen, Kobolde etc. erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit, auch wenn wir sie heute nicht mehr für real halten, sondern eher als Sinnbilder sehen. Wobei - meiner Meinung nach - die Skepsis auch in früheren Zeiten in der Regel unterschätzt wird. Auch der mittelalterliche Mensch wird nicht zwangsläufig an Riesen geglaubt haben, einfach aus dem Grund, weil die meisten nie welche gesehen haben, was, wie wir heute wissen, nicht verwunderlich ist.

Zufälligerweise habe ich zu diesem Thema gerade ein Buch gelesen, in dem es um den Robin-Hood-Mythos geht (J.C. Holt; Robin Hood; Düsseldorf, Wien, New York 1991). Vor allem hat der Autor gut nachvollziehbar dargelegt, dass der Mythos sich ständig seinem Publikum anpasst, ja, seine Gestalt vielleicht sogar mehr über eben dieses Publikum und dessen Zeit aussagt, als über einen möglichen historischen Hintergrund.

Grundsätzlich betrachtet sollte man eines jedoch - wieder: meiner Meinung nach - nicht unbeachtet lassen: Alles - Mythen, Legenden, Märchen, Fabeln etc. - halten sich nur, wenn es auch 'gute Geschichten' sind!
(Antwort korrigiert am 12.02.2014)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Danke für den Hinweis auf den Robin-Hood-Mythos.
Deinem letzten Satz, der nur scheinbar selbstverständlich ist, pflichte ich gerne bei.

 ViktorVanHynthersin (11.02.14)
Ich glaube, das Problem ist hausgemacht. Schon die Grimms haben begonnen ihre gesammelten Märchen "weichzuspülen", haben ihnen die Härte genommen, sie feingeschliffen. Ähnliches ist mit den Sagen, Fabeln, Legenden, etc. geschehen. Es ist an uns Lesern, die "wahren" Texte zu finden und zu lesen. Ich betrachte Deine gelungene Erzählung als Anregung dazu, lieber Ekkehart.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Grazie, Viktor, du triffst mit den "wahren" Texten mal wieder den Nagel auf den Kopf. Die Frage ist, welche das sein könnten. Welche lohnt es sich weiterzuschreiben, umzuschreiben? Ich denke, es sind jene, in denen von Anfang an emanzipatives Potential steckt. Ich gebe mal ein paar Beispiele:
Märchen: "Von einem, der auszog das Gruseln zu lernen", nicht "Armut und Demut führen zum Himmel"
Die Mythen über Prometheus, Sisyphus, Orpheus und Eurydike, Ikarus
Fabeln: fast alle von La Fontaine und James Thurber
Herzliche Grüße
Ekki

 irakulani (11.02.14)
Fabeln, Märchen und Sagen (Mythen, Legenden...) - all das wird Bestand haben, weil es durch Menschen, durch ihr Suchen, durch ihre Sehnsucht nach Erkenntnis, nach Erklärung und auch nach Romantisierung geprägt ist.
Die Bedürfnisse der menschen habe sich nicht wirklich verändert. Heute werden Märchen nicht mehr in Büchern aufgeschrieben oder gar erzählt, sondern im Fernsehen gezeigt.

Was aber bleibt, ist das Ausdenken und das Weitervermitteln, das MIT- TEILEN, etwas zutiefst menschliches.

Deine Erzählung, lieber Ekki, über das Aufeinandertreffen der DREI ist wahrlich fabelhaft!

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Merci, Ira, ich freue mich, dass du noch einmal die entscheidenden Stichwörter aufgegriffen hast. Aufklärung und Romantik finden beide in den Kleinen Formen reichlich Nahrung, und beide sollten in ihrer polaren Spannung bei der Weiterführung dieser Erzählformen erhalten bleiben.
LG
Ekki
MarieM (55)
(11.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Grazie, Marie, du hast es bemerkt, dass mir die Innovation der Fabel besonders am Herzen liegt. Ja, sie wird nicht aufgeben.
Man merkt es an deinen Gedichten, dass du Märchen, Sagen und Fabeln um dich hast. So wird dir der Stoff nie ausgehen, und so werden sich Geheimnis und ratio ausbalancieren.
Liebe Grüße
Ekki

 Dieter Wal (12.02.14)
Schön geworden trotz der fürs WWW ungewöhnlichen Länge. ;) Hab eine Fabel, in der sich ein Maulwurf mit einem Löwenzahn unterhält. Soll ich sie posten? Bitte fordre dann nicht, sie erneut zu posten, damit du sie dann erst für Kommentierung durch Ekki würdig erachtest!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Merci für dein Lob, Dieter. Ich schätze es, weil du achtsam damit umgehst.
Ich bin neugierig auf deine Fabel, schon wegen der viel versprechenden Kombination von Maulwurf und Löwenzahn.

 Dieter Wal meinte dazu am 12.02.14:
Bitte:  Gemeiner Löwenzahn. Der Kleine überspannte seine Gelehrsamkeit. Hätte er sich auf sie verlassen, wer weiß, ob Löwenzähne und Maulwürfe heute nicht längst in Frieden miteinander leben?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Ich habe deine entzückende Fabel mit Genuss und Freude gelesen und gerne kommentiert, Dieter.
Pocahontas (54)
(12.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.02.14:
Grazie, Sigi. Deine Sicht auf die schöne neue Welt ist relativ pessimistisch. Ist sie zu pessimistisch? Aldous Huxley klassifiziert die Gsellschaft seiner "Brave New World" in Alpha Plus-Typen bis hin zu den Epsilons, die genormt sind, Mülleimer zu leeren und dies zufrieden tun. Von Kunst, die auch Schmerzen und Leid spiegelt, versteht nur der aus dem Rahmen fallende Sigmund Freud etwas. Diese Prognose ist noch pessimistischer.
Liebe Grüße
Ekki
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