Massaggio doloroso

Satire zum Thema Schmerz

von  EkkehartMittelberg

Die Schmiere
mit Feenhänden
schön regelmäßig
auf dem corpus pretiosum
verteilen.

„Das ist nur Wellness-Massage“
brummt der Maestro.
„Oh no, du musst die neuralgischen Punkte
kennen und Druck geben.“
Wie das geht,
demonstriert er mir sogleich
und presst mir die Fixpunkte unter den Fußsohlen,
dass ich die Englein singen höre.

Hilflos stöhne ich ein verzweifeltes
„Aufhören!“ in den Luftschlitz
und fühle,
wie er in meinem Rücken
grinst und seelenruhig
weiter drückt.

Der Mann ist Philosoph
und erzählt mir gerade,
dass die Stoiker selbst unter Schmerzen
noch glücklich waren.
Jetzt nimmt er sich
meine Zehen, jeden einzeln, vor.
Ich habe noch nie so sehnsuchtsvoll
bis zehn gezählt.

Als er mir endlich den zehnten Stich
verpasst hat,
klopft er mir liebevoll auf den Po
und lässt mit rollendem Bass das erlösende
Girare ertönen.


Nun blicke ich ihm ins gütig lächelnde Antlitz.
Nein, er ist nicht der Sadist,
für den ich ihn gehalten habe.
Er ist vielmehr ein empathischer Menschenfreund.
Das glaube ich jedenfalls,
bis er sich bis zu meinem Gesicht hochgearbeitet hat.
Jetzt kommt die Kopfmassage,
auf die ich mich als Denker besonders gefreut habe.
Er massiert mir die Wangen,
ich höre ein knirschendes Geräusch und
denke erschreckt,
dass meine Zahnspange gebrochen sei.
Während er meine Hirnkämmerchen tremoliert,
fahre ich blitzschnell mit der Zunge
die Zähne entlang.
Gott sei Dank, die Spange hat sich nur verschoben.

Endlich lässt er von mir ab
und wirft mit weit ausholender Geste
die bösen Geister aus meinem Hirn
in die frische Morgenluft.
Mühsam richte ich mich auf
und versuche,
einen leichten Schwindel bekämpfend,
in die Schlappen zu kommen.

„Mille grazie“, grinse ich tapfer,
ziehe mich schwerfällig am Geländer
zu meinem Zimmer hoch,
stolpere über die Schwelle
und lande gleich wieder erschöpft auf dem Bett.
Jetzt spüre ich,
wie das Blut warm
durch die malträtierten Glieder rinnt,
und bin sogar wieder zur Philosophie fähig:
Glück ist, von Schmerzen frei zu sein.

© EkkehartMittelberg, Mai 2014

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (38)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Merci, Emma, solange es sich nur um Schmerzen bei der Massage handelt, hätte ich die Begabung zum Fakir.^^
Nimbus (38) antwortete darauf am 28.05.14:
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 susidie (28.05.14)
Jetzt, ja genau jetzt, sagt der Masochist in mir - gibs mir - genau das, was du da beschreibst hätte ich jetzt gerne. Die Philosophie des Schmerzes, der so gut tut, jedenfalls mir, der ein absoluter Massagefreak ist. Kein Schmerz kann so schlimm sein, dass ich ihn nicht annehmen würde von erfahrenen Masseur-Händen, die mir zeigen, dass mein Körper lebt. Ich hab wohl ne perverse Ader, grins*.
Schmerzverzerrt grüßt dich Su :)

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.05.14:
Grazie, Su. Wenn du als Massagefreak eine perverse Ader hast, fordere ich Arm in Arm mit dir ein paar "Schmerzensmänner" in die Schranken.
Mit blödselig lächelnden Grüßen
Ekki

 TrekanBelluvitsh (28.05.14)
"Der Mann ist Philosoph"
Philosophen gibt es in allen Kragenweiten. So hat Napoléon ja gesagt: "Unterbrich nie deinen Feind, wenn er dabei ist, einen Fehler zu machen." Vielleicht hat schon damals die Leute zu deinem Masseur gehen sehen...
"dass die Stoiker selbst unter Schmerzen
noch glücklich waren."
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das 'i' in 'Stoiker' überlesen habe und so bei mir dachte: Was hat Darculas Schöpfer denn dort zu suchen?
Ironischerweise gibt das auch dann noch Sinn, denn vielen Schriftstellern bleibt ja nichts anders übrig - auch der gute Bram hat den Erfolg ja nicht mehr erlebt.
"Glück ist, von Schmerzen frei zu sein.
Das ging mir letzte Woche beim Zahnarzt ähnlich...

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.05.14:
Danke Trekan, nur wer meinen Text andächtig gelesen hat, kann so verständnisvoll replizieren.
BellisParennis (49)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 28.05.14:
Danke, Bellis, schön ist es nicht, aber sie haben sich nachhaltig in Erinnerung gebracht.
LG
Ekki

 Möllerkies (28.05.14)
Eine amüsante Geschichte, Ekki, aber was sollen die vielen Zeilenumbrüche?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Merci Mölli, die Zeilenumbrüche markieren, wo ich bei den Nachwehen nach Luft geschnappt habe.

 Möllerkies meinte dazu am 28.05.14:
Deine Antwort ist so amüsant wie der Text - und so aussagekräftig wie die Zeilenumbrüche in dem Text.

 AZU20 (28.05.14)
Da bist Du an einen Sadisten geraten oder ein wenig zimperlich. Ich litt aber mit Dir. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Gracias. Armin. Letzteres trifft zu. Die Zimperlichen sehen selbst in Menschenfreunden Sadisten.^^
LG
Ekki

 Didi.Costaire (28.05.14)
Tja, massieren ist kein Nackenkraulen. Aber wirkungsvoll war die Behandlung ja.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Merci. Dirk. Wirkungsvoll war sie. Der Masseur tat mir Gutes und ich rede davon.
Liebe Grüße
Ekki
lelaT (56)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Grazie, Lela. Ich wusste deine Empathie schon immer zu schätzen.
LG
Ekki
michaelkoehn (76)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Vielen Dank, Michael. Das Stichwort "erotisch" passt, denn gute Liebhaber kennen wie der Masseur die neuralgischen Punkte und praktizieren da capo al fine.
LG
Ekki

 Jorge (28.05.14)
tatsächlich eine schmerzhafte Massage.
Von Italienern lasse ich mir lieber einen Eisbecher oder eine Pizza präsentieren.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Danke, Jorge, ich auch, sie sind ja liebenswert, aber so leidenschaftlich.
Anne (56)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Grazie für deinen empathischen Kommentar, Anne.
Liebe Grüße
Ekki

 loslosch (28.05.14)
mein damaliger masseur wusste mich zu piesacken. im tiefsten wohlweh-schmerz schlief ich ein!! er kannte nur noch einen zweiten patienten, dem das gelungen sei. sein kommentar: ein zeichen, dass der body die massage annimmt.

also ekki, da musst du noch das einschlafen trainieren.
(Kommentar korrigiert am 28.05.2014)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Merci, Lothar, ich werde mir alle Mühe geben. Vielleicht sollte ich unterstützend ein paar hypnotisierende kV-Gedichte murmeln.
Gringo (60)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Vielen Dank,Gesine. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Bei nächster Gelegenheit werde ich mich mit Hingabe betütschern lassen.
Mit lernwilligen Grüßen
Ekki
Graeculus (69)
(28.05.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Merci, Graeculus, im Ernst, in der Berufsgruppe der Masseure gibt es tatsächlich eine große Zahl selbsternannter oder seriöser Philosophen. Kenner der klassischen Philosophie sind freilich sehr selten.

 TassoTuwas (28.05.14)
Hallo Ekki,
so liest es sich wenn einem Knet-Künstler von einem Wort-Künstler der Lorbeer-Kranz aufgesetzt wird.
Herzliche Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Danke für das liebenswürdige Kompliment, Tasso.

Herzliche Grüße
Ekki

 Augustus (28.05.14)
Oh Herr EkkehartMittelberg, und nur der empfindet danach Glück, der auch vorher den Schmerz kennt. Schön bildlich gedichtet. Ich fühlte mit Ihnen während des Lesens.

Gruß,
Augustus

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.05.14:
Danke Augustus. Ich mag mitfühlende Leser. Sie leiden mit, wenn etwas gelingt, und können sich mitfreuen, wenn anderes gelingt.
Verbindende Grüße
Ekki
Pocahontas (54)
(01.06.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.06.14:
Danke, Sigi, du erhältst die Adresse diskret privat.

Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 (16.02.15)
Glück gibt es wohl nur unter Schmerzen. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.15:
Merci, Armin, oft ist es so. Doch schmerzfrei zu sein ist auch ein Glück.

Lg
Ekki
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