Unsere Hühner

Text zum Thema Tiere

von  Ganna

Nachdem ich meinen Job im Hotel verloren hatte, baute ich unsere Selbstversorgung aus. Hühner mussten her.

Aus dem Kabuff im hinteren Teil des Ziegenstalles, in dem Conny eine Zeitlang geschlafen hatte, richtete ich einen Hühnerstall her. Von innen beschlug ich Wände und Decke mit Hasendraht, damit nachts keine Marder eindringen konnten. Dass sie das hier ohnehin nicht tun würden, stellte sich erst mit der Zeit heraus.
Bei einem Bauern im Dorf kaufte ich drei Hühner und nannte sie Ottilie, Gertrud und Tusnelda.

Nach einer anfänglich vorsorglichen Phase meinerseits, während der ich Körner streute, versorgten die Hühner sich selber. Den lieben und langen Tag liefen sie unermüdlich durch Wald und Wiese, suchten Würmer, Käfer und Insekten. Ihr Stall stand Tag und Nacht offen, so dass sie gemäß ihrem Rhythmus leben konnten.  Das war sehr praktisch, denn als wir im Winter in ihrer eierlosen Zeit für einige Wochen nach Deutschland fuhren, konnten wir sie guten Gewissens alleine lassen. Rund und zufrieden begrüßten sie uns bei der Rückkehr.

Im Sommer pickten sie die Krumen vom Tisch unserer Sommerküche und wir passten auf, dass sie nicht auf selbigen flatterten. Durch den täglichen Umgang miteinander war bald zu erkennen, dass jedes Huhn über einen eigenen Charakter verfügte.
Ottilie war keine Schönheit, eher knochig gebaut und wahrscheinlich nicht mehr die Jüngste, doch war sie clever, neugierig und furchtlos.
Tusnelda war unscheinbar, entsprach am ehesten den Vorstellungen von einem dummen Huhn und konnte sich nicht einmal mit besonderen charakterlichen Eigenschaften schmücken. Sie war vom Schicksal wahrhaftig wenig begünstigt und fand dann auch als erste von allen ein blutiges Ende.
Gertrud war die Schönste unter den dreien, ein Huhn wie aus dem Bilderbuch, das nach einem glücklichen Dasein als Mutter strebte. Sie bekam schnell heraus, dass ich immer ihre Eier stahl und wollte sich nicht damit abfinden kinderlos zu bleiben. Also fand sie ein Versteck im Wald, in das sie ihre Eier legte und danach fleißig bebrütete. Sie tat mir leid, wusste ich doch, dass ihre klugen Unternehmungen ohne einen Hahn nicht von dem verdienten Erfolg gekrönt sein würden.

Einmal machte ein golden schillernder Fasan den drei Hühnern den Hof und ich hoffte seiner Schönheit wegen kurz, er werde bleiben. Nach zwei Tagen jedoch verschwand er wieder im Dickicht des Waldes. Auch wenn der Fasan ihnen nicht gefiel, einen Hahn vermissten die drei offensichtlich. Nach einiger Zeit bekam Ottilie männliche Anwandlungen und versuchte sich im Krähen. Leider konnte sie sich nicht bis zur Vollkommenheit steigern, denn die Monate meiner Hühner waren gezählt.

Eine Freundin kam vorbei, mich zu besuchen und führte ihren Jagdhund mit, brav an der Leine. Dieser betrachtete aufmerksam meine Hühner und speicherte deren Vorhandensein in seinem Gedächtnis ab. Wieder in seinen Zwinger entlassen, überwand er den zwei Meter hohen Zaun, rannte schnurstracks zu uns in den Garten und schnappte sich Tusnelda. Noch ein kurzes Gackern, ein paar fliegende Federn, dann war es aus mit dem Huhn. Gertrud war die nächste und schließlich bekam er auch Ottilie.

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Kommentare zu diesem Text

BabetteDalüge (67)
(27.07.14)
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 Ganna meinte dazu am 27.07.14:
...und ich nehme an, auch sie tragen Namen?

liebe Grüße
Ganna

 Jorge antwortete darauf am 11.03.15:
Ich habe noch nie eine so spannende Geschichte über die Verschiedenheit dreier Hühner gelesen.
Liebe Ganna, du bist eine großartige Erzählerin.
Das wird auch nicht durch die tragische Pointe geschmälert.

Liebe Grüße
Jorge

 Ganna schrieb daraufhin am 12.03.15:
Danke, Jorge, ich hielt diese kleine Sequenz für völlig unbedeutend und nebensächlich erzählt...Du gibst ihr eine Wirkung, die ich ihr nicht zugetraut hätte und erstaunst mich...aber niemand liest die eigenen Worte aus der Sicht eines anderen...vielen Dank, es hat mich erfreut!

lg Ganna
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