Der unbekannte Satiriker Cicero

Erörterung zum Thema Zwang

von  loslosch

Non esse emacem vectigal est (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; Paradoxa Stoicorum). Nicht kaufsüchtig zu sein ist eine Einnahmequelle.

Die Römer hatten noch keine großen Warenhäuser und Kaufhallen, die auf Kaufsuchtgefährdete diesen eigentümlichen Reiz hätten ausüben können. Die entwickelte Form der Oniomanie (Kaufsucht) wird es demnach kaum gegeben haben. Wohl aber gab es (vermutlich) die innere Stimme, die damals schon befahl: Das müssen "wir" kaufen. Eine tautologische Aussage des Senators? Wohl eher eine Beobachtungsaussage, zugespitzt und sarkastisch formuliert.

Heutzutage scheint sich die Oniomanie in ihrer Ausformung ein wenig verselbständigt zu haben. Ein Großteil des einen Prozents der deutschen Bevölkerung über 18 Jahren, somit mehr als 600.000 Erwachsene, dürfte die fatalen Folgen dieser Zwangsneurose (Verarmung durch exorbitante Ausgaben) unter Kontrolle haben. Man schmuggelt die zwanghaft gegriffene Ware einfach an der Ladenkasse vorbei. Beliebteste Objekte der Begierde sind Schuhe und Pelzmäntel. Gängiger Trick bei den letzteren, wegen ihres schwierigen Formats: zwei Mäntel übereinander und ab nach draußen, bevor es zu heiß wird.

In den 1980er Jahren soll der aufgedeckte "Kauf"-Zwang der Ehefrau des damaligen Polizeipräsidenten von Saarbrücken einen Medienrummel ausgelöst haben. Die Dame wurde als vermindert schuldfähig eingestuft, nachdem man in der ehelichen Wohnung ein Arsenal von Pelzmänteln aufgespürt hatte.

Eine Gratwanderung. Würde eine Sozialhilfeempfängerin dabei ertappt, wie sie gestohlene Pelzmäntel in ihrer Wohnung stapelt, wäre die psychiatrische Beweisführung wohl etwas komplizierter.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (18.04.15)
So cool kennt man Cicero nicht.
Dagegen kann man sich an die coolen Schlusspointen von loslosch gerne gewöhnen.

t.t.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 18.04.15:
das ist fein, ekki. gabs in der antike warenhäuser, wie TB weiter unten behauptet? t.t. lo

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 18.04.15:
Beschwören kann ich es nicht. Mir fehlt jetzt die Zeit zum Googeln. Aber ich meine darüber gelesen zu haben.

 TrekanBelluvitsh (18.04.15)
Die Römer hatten noch keine großen Warenhäuser und Kaufhallen, die auf Kaufsuchtgefährdete diesen eigentümlichen Reiz hätten ausüben können.
Da muss ich dir widersprechen. das kannten die Römer durchaus. Gerade in großen "Insulae" - eine Art Apartmenthäuser - wurden von den Bauherren Räume für Geschäfte vorgesehen. Allerdings hatten sie sicherlich keine Scannerkassen und mussten alles im Kopf oder auf Wachstafeln zusammenrechnen, was bei den bescheuerten römischen Zahlen sicherlich nicht immer einfach war.

Zu Cicero: Damit nicht kaufsüchtig sein zu einer Einnahmequelle wird, muss man natürlich erst einmal Geld haben, das man nicht ausgibt. Hat man kein Geld und gibt das auch nicht aus, bleibt man dennoch ein armer Schlucker.

 loslosch schrieb daraufhin am 18.04.15:
die blocks hießen nicht ohne grund insulae; es waren insulare erscheinungen in einem überwiegend zweigeschossigen häusermeer.

natürlich kann man geld ausgeben, das man nicht hat! mir erzählte mal eine (fast) kaufsüchtige dame, sie habe ihre hausbank gebeten, die eingeräumte kreditlinie zu annullieren.

sachen gibts ...
Graeculus (69)
(18.04.15)
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 loslosch äußerte darauf am 18.04.15:
ja, oder ein mix aus beidem.
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