Zwei Worte

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Ich war gescheitert! Jedenfalls nach allgemeinem Verständnis. Nach acht Monaten hatte ich auf Anraten meiner Arbeitgeber gekündigt und stand nun quasi vor dem "Nichts". Ohne Anerkennungsjahr galt mein Sozialpädagogikstudium als nicht abgeschlossen.
Gewiss, ich hätte nicht kündigen müssen, trotz der schweren Differenzen mit der Jugendclubleitung, und hatte auch jetzt noch die Chance, das Anerkennungsjahr in einer anderen Einrichtung binnen zwei Jahren zu wiederholen. Aber wollte ich das? Oder besser gefragt: War das mein Weg?
     Seit meiner Bekehrung zum christlichen Glauben  war ich überzeugt, dass es den richtigen Weg für mich gab. Das ich ihn nur herausfinden musste und darauf vertrauen konnte, dass er mir schon gezeigt werden würde. Dies jedenfalls versprach die Bibel: "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, auf dem du wandeln sollst!" Und so lautete mein Gebet in jenen Tagen auch: "Herr, zeige mir den Weg, den ich wählen soll!"
   
Wie gewohnt suchte ich Mittwoch abends die „Jüngerschaftsschule“ im Jesushaus auf. Man könnte es als eine Fortbildungslehrgang in Sachen Christsein verstehen. An zwölf verschiedenen Abenden wurde jeweils ein Thema durchgenommen. An diesem Tag stand der Lobpreis auf dem Programm,  in Anlehnung an das alte Jakobuswort: "Wer sich Gott naht, dem naht sich Gott!"
    Nach einer theoretischen Einführung in das Thema folgte am Ende ein praktischer Teil. Das Leiterteam und wir Teilnehmer stellten uns in einem Rundkreis auf und die Lobpreisleitung, ausgestattet mit Akustikgitarren, begann ein christliches Lied anzustimmen.

Im Grunde war der Lobpreis nicht wirklich etwas Neues, geschah es doch quasi in jedem Gottesdienst. Entscheidend ist es dabei in eine Art „Flow“ zu geraten und nicht in einem routinemäßigem Absingen von Liedern stecken zu bleiben. Und an diesem Abend aber war dieser „Flow“ deutlich zu spüren. Wie die meisten Anderen stand ich mit geschlossenen Augen und himmelwärts gestreckten Armen da, als ich plötzlich deutlich die leise geflüsterten Worte: „Breite Straße“ vernahm. Ich war so überrascht, dass ich augenblicklich die Augen öffnete und nach der "Wortquelle" suchte.    
  Meine beiden Nebenmänner waren im Lobpreis vertieft. Ganz offensichtlich waren  die Worte nicht von ihnen gekommen. Aber wer war es dann gewesen? Es gab eigentlich nur eine Erklärung: Es war ein übernatürliches Reden geschehen. Aber was sollte  mir damit gesagt werden? Breite Straße, breite Straße, überlegte ich.
    Mir fiel ein Bibelvers ein:

„Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln.“
Ich nutzte eine kurze Stille zwischen zwei Liedern und sprach den Vers als eine "Weissagung" (Reden Gottes) in die Runde hinein. Es wurde unkommentiert hingenommen und kurz darauf war die Lobpreiszeit auch beendet.  Wenig später verließ ich das Jesushaus und fuhr mit meinem Fahrrad  nach Hause.


Anmerkung von Bluebird:

Folge 60 meiner autobiografischen Erzählung (1985 - ...)

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