Bezaubernde Melancholie

Sonett zum Thema Melancholie

von  EkkehartMittelberg

Im Scheunenviertel wurdest du geboren,
dem Mädchen war Büro nur zugedacht,
doch zeigtest du der Lyrik große Macht,
Berliner Kunstwelt hatte dich erkoren.

Die „Stenogramme“ melancholisch heiter
kursierten im romanischen Café,
nichts nützten Nazis Grimm und Hassdafé.
Gedanke, flieg, und du mit ihm kamst weiter.

Das deutsche Publikum hielt dir die Treue,
las Maschas Stenogramme gern aufs Neue,
in deiner Wehmut fand sich mancher wieder.

Die Heimat deiner Muse blieb Berlin,
und immer wieder zog es dich dort hin,
die Großstadt liebte dich und deine Lieder.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.11.18)
Ihr Leben trifft dieses Sonett nicht. Es geht auch um die Texte. Andererseits: Kann man einem Leben auf der Flucht überhaupt gerecht werden?

Kommentar geändert am 06.11.2018 um 00:15 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Ja, danke, es geht mir in dem Sonett primär um die Wirkung von Mascha Kalekós Werken. Man kann wohl einem Leben auf der Flucht gerecht werden. Ich lese gerade von Anna Seghers "Das siebte Kreuz." Hier ist es gelungen.
Sätzer (77) antwortete darauf am 06.11.18:
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 06.11.18:
Merci, für die Darbietung von Mascha Kalekòs Lyrik hätte ich auch den Beleuchter gemacht.
LG
Ekki

 Dieter Wal (06.11.18)
Mascha ist nach Sigune Schnabel meine deutsche Lieblingslyrikerin, von der und über die ich nach Möglichkeit alles lese.

Dieses Sonett wirkt auf mich weitgehend gelungen und lebendig.

"Die „Stenogramme“ melancholisch heiter
kursierten im romanischen Café,
nichts nützten Nazis Grimm und Hassdafé.
Auch Emigrieren brachte dich nicht weiter."

"Auch Emigrieren brachte dich nicht weiter." könnte man als wertend und damit im negativen Sinn schulmeisternd auffassen, wo sich der Autor über die Autorin stellt. Da kommt ein mir unangnehmer Ton in Lyrik zum Tragen, der wertet, wo Metaphorik angemessener erscheint. Dazu ist es inhaltlich falsch. Emigration rettete ihr Leben. Ich würde die umarmenden Reime und damit verbundenen Verse des zweiten Quartetts überarbeiten.

https://www.maschakaleko.com/leben

Kommentar geändert am 06.11.2018 um 10:29 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 06.11.18:
Vielen Dank, Dieter, ich habe eine Änderung versucht. Ich wollte ausdrücken, dass der heimatverbundenen Mascha in der Emigration die Berliner Aura für ihre Lyrik fehlte.

 Dieter Wal ergänzte dazu am 06.11.18:
Dass ihr Berlin fehlte, keine Frage. Doch sie schrieb bemerkenswert schöne Gedichte und Prosa in Emigration.

"Doch Kunst im Ausland wirkte nicht befreiter." trifft es insofern noch nicht. Das ist eine Binsenweisheit. Jeder Mensch nimmt sich mit seiner persönlichen Tragödie überallhin mit. Zwar ist innere Freiheit ein hohes Gut, jedoch kein Maßstab für Kunst.

Siehe Privatkommentar.

Antwort geändert am 06.11.2018 um 12:03 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Nein, das sehe ich anders. Mit einem Ortswechsel können sich persönliche Tragödien lösen. Wenn ich sage, dass ihre Kunst in der Emigration nicht befreiter wirkte, stellt das deren Schönheit nicht in Frage.
Soeben sehe ich deinen klugen Lösungsvorschlag, den ich sehr gern übernehme. Grazie.

Antwort geändert am 06.11.2018 um 12:12 Uhr

 TassoTuwas (06.11.18)
Hallo Ekki,
auch eines dieser Schicksale aus einer zerrissenen Epoche.
Bei "Mascha" wurde es einfach
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Lieber Tasso,
diesmal passten die Titel von Mascha nicht zum Versmaß des Sonetts und´deswegen glaubte ich mit dem Vornamen einen direkten Hinweis geben zu müssen.
Herzliche Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Lieber Tasso,
diesmal passten die Titel von Mascha nicht zum Versmaß des Sonetts und´deswegen glaubte ich mit dem Vornamen einen direkten Hinweis geben zu müssen.
Herzliche Grüße
Ekki

 Cathleen (06.11.18)
Ich kann mich jetzt täuschen, aber irgendwo hab ich mal gelesen, dass Mascha Kaleko verarmt und verbittert in der Schweiz gestorben ist.
LG Cathleen

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Ja, danke Cathleen, das steht jedoch in keinem Widerspruch zu ihren Berlin-Besuchen. "Im Herbst 1974 besuchte sie ein letztes Mal Berlin und hielt dort einen Vortrag. Mascha Kaléko dachte darüber nach, neben ihrem Domizil in Jerusalem auch eine kleine Wohnung in Berlin zu nehmen, um in dem Ort zu leben, an den sie glückliche Jugenderinnerungen besaß. Auf dem Weg zurück nach Jerusalem machte sie einen Zwischenhalt in Zürich, wo sie am 21. Januar 1975 an Magenkrebs starb, 14 Monate nach ihrem Mann. Ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof Zürich-Friesenberg."
(Wikipedia)
LG Ekki

 Habakuk (06.11.18)
Liest sich erquicklich, Ekki. Bei „Hassdafé“ kam ich ein wenig ins Schleudern. Vom Namen ist sie mir bekannt. Ein Essay von Marcel Reich-Ranicki zum 100. Geburtstag von Mascha Kaléko am 7. Juni 2007 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), publiziert am 8. Juni 2007) gibt interessante Informationen. Jetzt bin ich ein wenig schlauer.

BG
H.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Vielen Dank, Habakuk. Der Begriff für Verbrennung (von Büchern) heißt eigentlich Autodafé. Das passt hier aber metrisch nicht,weil es eine Silbe zu viel hat. Deswegen habe in in Hassdafé geändert.
LG
Ekki

 Habakuk meinte dazu am 06.11.18:
Yeap. War mir dann nach einigem Grübeln klar.

 Dieter Wal meinte dazu am 06.11.18:
"Hassdafé" bereitete mir größtes Kopfzerbrechen. Falls sich der Neologismus durchsetzt, heißt es einmal: Ekki, der Schöpfer des Wortes Hassdafé.

 Habakuk meinte dazu am 06.11.18:
Ja. Das Wort hat mich um Jahre altern lassen. Ekki, vom Aphoristiker des Jahres zum Neologistiker des Jahrhunderts.

 GastIltis (06.11.18)
Hallo Ekki, wieder so ein schönes Gedicht von dir. Apropos Melancholie: Ihre "Möblierte Melancholie" gehört mit zu meinen Lieblingsgedichten, weil sie durch die Einfachheit der Worte so nahe gehen. Aber ich würde mich jetzt verlieren. LG von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Merci, Gil, ein wunderschönes Gedicht. Hier kann man es finden
https://www.lyrikline.org/de/gedichte/moeblierte-melancholie-1580
Es ist eine große Kunst, in einfachen Worten zu schreiben,ohne dass es simpel und kitschig wirkt. Wer so schreibt, kann auch keinen Fehler hinter mehrdeutigem Tiefsinn verstecken.
LG
Ekki

 Dieter Wal meinte dazu am 06.11.18:
Besonders mag ich ihr Altersgedicht "Zeitgemäße Morgenandacht" in "In meinen Träumen läutet es Sturm", S. 108f.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Ein Edelstein aus den Gedichten und Epigrammen aus dem Nachlass.

 GastIltis meinte dazu am 14.11.18:
Dem kann ich mich nur anschließen.

 millefiori (06.11.18)
Eine sehr schöne Ode an Mascha Kaleko, ich lese sie auch sehr gerne.
Sie hat einen einfachen, berührender Stil wie ich ihn liebe.

Liebe Grüße
millefiori

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.11.18:
Merci, millefiori, immer wieder wirde die Einfachheit und Schlichtheit ihrer Verse hervorgehoben. Es ist eine große Kunst, so schreiben zu können.
Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (07.11.18)
weil's leben eh stets weiter ging
das sicher schwer nur wem gelingt
der in melancholie versinkt
war schwermut auch noch nie mein ding.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.11.18:
Danke, Masche Kalekó hat Melancholie geschildert, ist aber nicht in ihr versunken.
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