Provinz, aber nicht nur Provinzler
Roman zum Thema Europa
von eiskimo
Wer glaubt, in diesem kleinen, verschrobenen Ländchen des Morvan gäbe es nur verarmte Rinderzüchter und ein paar langweilige Pensionäre, die nach Jahren im Pariser Exil zurück ins elterliche Häuschen zurück fanden, der irrt.
Wir haben hier immer auch weitgereiste, weltoffene und hoch interessante Persönlichkeiten angetroffen, die selbst auf dem Parkett in Mailand, London oder Tokyo eine gute Figur abgegeben hätten.
Ich denke da spontan an Georges, der im Zweiten Weltkrieg als Doppelagent sowohl für die Deutschen als auch die Alliierten gearbeitet hat – der akzentfrei Englisch spricht und mit Hamburger Tonfall auch ein lupenreines Deutsch.
Ich denke an La Moscovite, eine russisch-stämmige vielfach ausgezeichnete Künstlerin, die in der Nähe von Bonnard ihr reichhaltiges Atelier hat, eine Scheune voller wunderbarer Skulpturen und skurriler Fundstücke von Friedhöfen, aus Hausruinen oder dem Wald .
Ich denke an Manni, den Wahl-Franzosen aus Frankfurt, ehemaliger Sportlehrer , jetzt Autor von wirklich sublimen Gedichten , der mit seinen 80 Jahren … mein Tennistrainer wurde.
Ich denke an Fabrice, den Paradiesvogel des Dorfes, der fast jedes Jahr hier ein neues Geschäftsmodell ausprobiert. Schwul, esoterisch, grün und von beispielloser Gastfreundschaft. Zuletzt hat er sich am Lac des Settons mit einer Crêperie ausprobiert, davor waren es Ferien-Bungalows, die er am Ufer hat errichten lassen - beides zu arbeitsintensiv, wie er mir zuletzt hat anvertraute. Er plante etwas ganz Neues …
Fangen wir meine Galerie der „Provinz-Stars“ aber an mit Thijs, dem seit kurzen verwitweten Holländer. Als Finanzberater in Utrecht hatte er sich finanziell das nötige Polster verschafft, um mit 50 nach Burgund überzusiedeln, in den Morvan, wo er vorher schon regelmäßig seine Ferien verbrachte .
Was macht ein alleinstehender Holländer in dieser einsamen Gegend außer morgens mit seinem Gazelle-Rad frische Croissants in der Boulangerie zu holen? Er macht Geschäfte.
Nun, das klingt erst einmal geringschätzig oder gar neidisch. In der Tat kennen wir hier viele Holländer, die sehr geschäftstüchtig sind. Viele kaufen ein verfallenes Anwesen auf, und zwei Jahre später ist es ein florierendes Bed&Breakfast-Anwesen, hübsch herausgeputzt, und davor parken Fahrzeuge mit gelbem Nummernschild – neue holländische Morvan-Fans, die dann ihrerseits die Augen offen halten für eine günstig zu erwerbende Immobilie…
Thijs hat natürlich auch ein altes Anwesen aufgekauft, auch er hat es wunderbar restauriert, nur seine Geschäftsidee war für uns, die wir kein Bed&Breakfast-Quartier im Morvan brauchen, sofort von ganz anderem Interesse. Thijs restauriert und verkauft nämlich Gemälde, er ist Galerist.
Sein Prinzip: Billig hochwertige Objekte erstehen, um sie dann etwas teurer zu verkaufen. Bühne für diese Transaktionen: Das Internet. Und Basis seines Erfolgs: Thijs kennt sich aus. Er kennt die angesagten Künstler und er kennt mittlerweile viele potente Käufer.
Unwillkürlich denkt man bei dieser Art Kunsthandel an feudale Auktionshäuser in prominenter Lage, an eitle Schöngeister in schrillem Outfit, die sich bei Champagner und Canapés ein mondänes Stelldichein geben – nichts dergleichen bei Thijs.
Zwar liegt sein Haus atemberaubend schön auf einem kleinen Plateau oberhalb des Tals,( an dessen Ende Bonnard mit unsere Ferienhaus liegt) aber das Interieur ist bescheiden, die Möblierung sparsam und funktional. Alles konzentriert sich auf die Wände, denn da hängen die Tableaus dicht an dicht, und sie ziehen einen natürlich sofort in ihren Bann. Es sind große Formate, oft abstrakt, raumfüllend, aber wir entdecken auch kleinere Arbeiten, Aquarelle mit Themen, die uns viel eher ansprechen: Landschaften, Szenen aus dem Leben .. im Morvan!
Was uns an Thijs imponiert: Er wohnt mit diesen Bildern zusammen, das heißt: Auch Schlafzimmer, Flure und sogar das Bad sind bei ihm Ausstellungsräume. Man fühlt sich wie bei einem begeisterten Sammler, der dem Besucher stolz seine Kollektion vorführt.
Genau das tat Thijs, als wir ihn zum ersten Mal besuchten. Zu jedem Bild gab es eine Geschichte, oft auch witzige Anekdoten , und am Ende machte sich Thijs immer den Spaß, uns mal einen Preis vorschlagen zu lassen.
Wir drucksten herum, jonglierten zwischen dem Bemühen, nicht allzu laienhaft da zu stehen und der Lust, da vielleicht mit zu zocken…. Und waren dann geplättet: Thijs hatte über 60 Werke im Angebot, keins davon lag über Tausend Euro!
„Nein, „ bekannte er cool, „ich muss damit kein Geld mehr verdienen. Ich will aber auch keins verlieren“ –und lachte.
Am Ende saßen wir bei einem Gläschen Rosé, und so offen, wie Thijs über seine Handel mit Gemälden geredet hatte, so offen erzählte er uns auch seinen Werdegang, die Geschichte des Hauskaufs, seine Beziehung zum Morvan. Wir erfuhren auch, wie schwer es ist, plötzlich ohne den Lebenspartner da zu stehen, mitten in dieser einsamen Wald-Landschaft, in einem wunderbar großen Haus, das vor lauter Kunst fast überquillt, aber das doch für ihn – so gab er zu – oft leer und kalt ist.
Wir denken oft an Thijs, vor Ort im einsamen Morvan, wo wir ihn schon mal im Dorf treffen oder auf einem Flohmarkt. Aber auch in Deutschland, in unserer Wohnung , ist er uns nah. Denn dort hängt jetzt das Bild, das wir ihm seinerzeit abgekauft haben. Nein, es ist kein „alter Holländer“, sondern etwas Modernes, sehr Unkonventionelles – ganz eigen, so wie dieser Thijs .
Wir haben hier immer auch weitgereiste, weltoffene und hoch interessante Persönlichkeiten angetroffen, die selbst auf dem Parkett in Mailand, London oder Tokyo eine gute Figur abgegeben hätten.
Ich denke da spontan an Georges, der im Zweiten Weltkrieg als Doppelagent sowohl für die Deutschen als auch die Alliierten gearbeitet hat – der akzentfrei Englisch spricht und mit Hamburger Tonfall auch ein lupenreines Deutsch.
Ich denke an La Moscovite, eine russisch-stämmige vielfach ausgezeichnete Künstlerin, die in der Nähe von Bonnard ihr reichhaltiges Atelier hat, eine Scheune voller wunderbarer Skulpturen und skurriler Fundstücke von Friedhöfen, aus Hausruinen oder dem Wald .
Ich denke an Manni, den Wahl-Franzosen aus Frankfurt, ehemaliger Sportlehrer , jetzt Autor von wirklich sublimen Gedichten , der mit seinen 80 Jahren … mein Tennistrainer wurde.
Ich denke an Fabrice, den Paradiesvogel des Dorfes, der fast jedes Jahr hier ein neues Geschäftsmodell ausprobiert. Schwul, esoterisch, grün und von beispielloser Gastfreundschaft. Zuletzt hat er sich am Lac des Settons mit einer Crêperie ausprobiert, davor waren es Ferien-Bungalows, die er am Ufer hat errichten lassen - beides zu arbeitsintensiv, wie er mir zuletzt hat anvertraute. Er plante etwas ganz Neues …
Fangen wir meine Galerie der „Provinz-Stars“ aber an mit Thijs, dem seit kurzen verwitweten Holländer. Als Finanzberater in Utrecht hatte er sich finanziell das nötige Polster verschafft, um mit 50 nach Burgund überzusiedeln, in den Morvan, wo er vorher schon regelmäßig seine Ferien verbrachte .
Was macht ein alleinstehender Holländer in dieser einsamen Gegend außer morgens mit seinem Gazelle-Rad frische Croissants in der Boulangerie zu holen? Er macht Geschäfte.
Nun, das klingt erst einmal geringschätzig oder gar neidisch. In der Tat kennen wir hier viele Holländer, die sehr geschäftstüchtig sind. Viele kaufen ein verfallenes Anwesen auf, und zwei Jahre später ist es ein florierendes Bed&Breakfast-Anwesen, hübsch herausgeputzt, und davor parken Fahrzeuge mit gelbem Nummernschild – neue holländische Morvan-Fans, die dann ihrerseits die Augen offen halten für eine günstig zu erwerbende Immobilie…
Thijs hat natürlich auch ein altes Anwesen aufgekauft, auch er hat es wunderbar restauriert, nur seine Geschäftsidee war für uns, die wir kein Bed&Breakfast-Quartier im Morvan brauchen, sofort von ganz anderem Interesse. Thijs restauriert und verkauft nämlich Gemälde, er ist Galerist.
Sein Prinzip: Billig hochwertige Objekte erstehen, um sie dann etwas teurer zu verkaufen. Bühne für diese Transaktionen: Das Internet. Und Basis seines Erfolgs: Thijs kennt sich aus. Er kennt die angesagten Künstler und er kennt mittlerweile viele potente Käufer.
Unwillkürlich denkt man bei dieser Art Kunsthandel an feudale Auktionshäuser in prominenter Lage, an eitle Schöngeister in schrillem Outfit, die sich bei Champagner und Canapés ein mondänes Stelldichein geben – nichts dergleichen bei Thijs.
Zwar liegt sein Haus atemberaubend schön auf einem kleinen Plateau oberhalb des Tals,( an dessen Ende Bonnard mit unsere Ferienhaus liegt) aber das Interieur ist bescheiden, die Möblierung sparsam und funktional. Alles konzentriert sich auf die Wände, denn da hängen die Tableaus dicht an dicht, und sie ziehen einen natürlich sofort in ihren Bann. Es sind große Formate, oft abstrakt, raumfüllend, aber wir entdecken auch kleinere Arbeiten, Aquarelle mit Themen, die uns viel eher ansprechen: Landschaften, Szenen aus dem Leben .. im Morvan!
Was uns an Thijs imponiert: Er wohnt mit diesen Bildern zusammen, das heißt: Auch Schlafzimmer, Flure und sogar das Bad sind bei ihm Ausstellungsräume. Man fühlt sich wie bei einem begeisterten Sammler, der dem Besucher stolz seine Kollektion vorführt.
Genau das tat Thijs, als wir ihn zum ersten Mal besuchten. Zu jedem Bild gab es eine Geschichte, oft auch witzige Anekdoten , und am Ende machte sich Thijs immer den Spaß, uns mal einen Preis vorschlagen zu lassen.
Wir drucksten herum, jonglierten zwischen dem Bemühen, nicht allzu laienhaft da zu stehen und der Lust, da vielleicht mit zu zocken…. Und waren dann geplättet: Thijs hatte über 60 Werke im Angebot, keins davon lag über Tausend Euro!
„Nein, „ bekannte er cool, „ich muss damit kein Geld mehr verdienen. Ich will aber auch keins verlieren“ –und lachte.
Am Ende saßen wir bei einem Gläschen Rosé, und so offen, wie Thijs über seine Handel mit Gemälden geredet hatte, so offen erzählte er uns auch seinen Werdegang, die Geschichte des Hauskaufs, seine Beziehung zum Morvan. Wir erfuhren auch, wie schwer es ist, plötzlich ohne den Lebenspartner da zu stehen, mitten in dieser einsamen Wald-Landschaft, in einem wunderbar großen Haus, das vor lauter Kunst fast überquillt, aber das doch für ihn – so gab er zu – oft leer und kalt ist.
Wir denken oft an Thijs, vor Ort im einsamen Morvan, wo wir ihn schon mal im Dorf treffen oder auf einem Flohmarkt. Aber auch in Deutschland, in unserer Wohnung , ist er uns nah. Denn dort hängt jetzt das Bild, das wir ihm seinerzeit abgekauft haben. Nein, es ist kein „alter Holländer“, sondern etwas Modernes, sehr Unkonventionelles – ganz eigen, so wie dieser Thijs .
Anmerkung von eiskimo:
Auszug aus "Morvan - 30 Jahre auf Tuchfühlung mit einer einzigartigen Landschaft"