Encore ... und weiter mit dem roman policier

Roman zum Thema Mord/Mörder

von  eiskimo

Was bisher passiert ist: Der Kirchenchor von Saint Hippolythe sollte bei der Messe im Nachbardorf singen, und Josephine Balard (55) hatte Vincent Daché (65) angeboten, ihn dorthin mitzunehmen. Der Chorkollege steht aber nicht bereit; Josephine findet ihn in seiner Garage, wo er reglos in seinem Auto liegt, bei laufendem Motor. Natürlich hat sie die Feuerwehr-Bereitschaft des Dorfes und die nächtgelegene Polizeistation alarmiert...

Kapitel 3


Gendarmette Sandrine Constant kennt Bonnard von ihrem normalen Streifendienst her. Sie kann sogar mit dem Namen Daché und der Adresse Rue des Sangliers etwas anfangen – so viele Installationsbetriebe gibt es im Movan ja nicht, und die Handwerker-Wagen mit dem Firmenlogo drauf, die sind in dieser eher farblosen Provinz schon einprägsame Hingucker.

Josephine Balard steht neben ihre kleinen Peugeot, das Smartphone noch in der Hand gleichsam als Erkennungszeichen. Sie bestätigt noch einmal, dass sie es war, die angerufen hat. An ihrer Seite die Brüder Luc und Damien Dupuy von der Freiwilligen Feuerwehr in Bonnard. „Die habe ich natürlich auch gleich gerufen, direkt nach Ihnen,“ erklärt sie der Polizistin, die den jungen Männern in ihren dunkelblauen Uniformen, beide leicht verlegen, kurz die Hand reichen will. Die heben abwehrend die Arme, weil sie in ihrer Bereitschaft dabei gewesen,waren, den alten Hotchkiss-Tankwagen durch zu testen, ein Überbleibsel der Amerikaner, die 1945 Burgund von den Deutschen befreiten – entsprechend ölverschmiert ihre Mechaniker-Hände.

„Wir haben den Motor des Laguna ausgestellt, der lief noch. Der Gasgrill, der neben dem Fahrzeug steht, war schon aus, wahrscheinlich, weil die Flasche aufgebraucht war. Zwei Methoden, eine Kohlenmonoxidvergiftung herbeizuführen. Da wollte einer auf Nummer sicher gehen. Tja, wir haben Dachés Vitalfunktionen geprüft – eindeutig negativ!“ berichtet Damien druckreif, der ältere der beiden Pompiers. „Das war vor exakt zehn Minuten.“

Luc, ebenso hoch aufgeschossen wie sein Bruder, zeigt derweil nur kurz in Richtung Garage. „Und bevor Sie fragen,“ fügt er an, „wir haben weiter nichts angerührt, gar nichts.“

In der Garage erkennt man einen dunkelgrünen Laguna Kombi mit dem Logo der Daché-Firma, die Fahrertür halb geöffnet, und unübersehbar an seinem Auspuff … der Schlauch. Es ist ein roter Montageschlauch, wie er im Baugewerbe zur Verlegung von Kabeln benutzt wird, und er hat genau den Durchmesser, um mit dem Auspuffrohr abzuschließen. In lockerem Bogen weist er zur rechten hinteren Tür, hinein ins leicht geöffnete Seitenfenster, wo er mit einem Schaumstoffriegel eingeklemmt ist. Und neben dem Kombi der zweiflammige Gartengrill, die Abdeckhaube schön hochgeklappt.

Schon hat die Gendarmette die Nummer des diensthabenden Notarztes in ihr Telefon getippt. „Wir brauchen den Arzt sowieso,“ erklärt sie der wie versteinert drein blickenden Zeugin. „Auch wenn es wohl viel zu spät ist.“

Und dann gibt sie ins Telefon in knappen Sätzen das Lagebild durch mit der genauen Adresse. „Ja, Docteur. Die Jungens von der Feuerwehr sind auch da. Ja, sicher. Die haben den Mann sehr genau abgehorcht. Er hat die Sache wohl irgendwann in der Nacht hinter sich gebracht.“

„Vincent Daché hätte sich nie und nimmer umgebracht!“ protestiert die Chorkollegin. Sie schaut reihum die Uniformierten an, fast flehentlich. „Wir haben gestern Abend noch telefoniert. Er war guter Dinge. Er hat sich auf unseren Auftritt gefreut. Wir haben noch gescherzt, dass er sich mit seinen 1,85m wieder in meinen kleinen Peugeot zwängen muss – dass er danach nur noch gequetscht singen könnte... mein Gott!“ Frau Balard kämpft mit den Tränen, schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf.

„Sieht verdammt nach Selbstmord aus,“ entgegnet darauf  Sergeant Castel ohne jedes Feingefühl. „Neben der Leiche – seht ihr? Da liegt noch die leer getrunkene Flasche, wahrscheinlich irgendein harter Schnaps. Der Mann musste sich Mut antrinken.“

„Wir machen schon mal die Fotos vom Schauplatz, so, wie wir die Dinge angetroffen haben.“ Die Gendarmette will ablenken von dem Gefühlsausbruch der Chorfau. „Das muss alles wasserdicht sein, Laurent, verstehst du! Da wird mit Sicherheit nachgeforscht – wir müssen alles streng protokollieren. Und Handschuhe müssen wir anziehen!“

„Okay. Ich gehe aber mal kurz ins Haus und schaue mal, ob da nicht igendetwas Auffälliges vor liegt. Der Arzt wird ja noch ein paar Minuten auf sich warten lassen.“

„Aber Vincent Daché hat sich nicht umgebracht,“ meldet sich die Chorkollegin wieder zu Wort. „Nie und nimmer. Und getrunken hat er auch nicht. Dafür war er viel zu pflichtbewusst, schon wegen seiner Ballonfahrerei! Er hat noch vor kurzem einen Werbevertrag mit dem Regional-Park abgeschlossen. Morvan-Liberté ist da jetzt aufgedruckt - da war er so stolz drauf.“

„Wir müssen sowieso abwarten, was der Arzt sagt. Genauer Todeszeitpunkt, die Todesurasache, und ob es da irgendwelche Zweifel gibt – da halten wir uns genau an die Vorgaben, Madame.“ Die Gendarmette legte zur Beruhigung den Arm auf die Schulter der Sängerin.

„Man kann sich auch total täuschen, Madame! Was haben wir da bei der Polizei schon alles erlebt! Da sind Leute scheinbar rundum glücklich, alles stimmt, und trotzdem – plötzlich machen sie brutal Schluss...“

Verzweifelt starrt die Angesprochene in Richtung Treppenaufgang. Castel rüttelt vorsichtig an der Tür, die abgeschlossen ist.

„Ah, da kommt die Ärztin!“ Die Genradmette zeigt auf ein Auto, das vor dem Grundstück zum Halten kommt„ La docteur Delecour – prima! Die kenne ich.“ Und sie geht rasch zu der neu Dazugekommenen, um alle Anwesenden kurz vorzustellen.

Die Ärztin ist eine drahtige Mitt-Vierzigerin mit kurzen Haaren, sehr sportlich gekleidet, und nur ihr dicker Erste-Hilfe-Koffer lässt ihren Beruf erahnen. Sie beugt sich sofort über die im Auto zusammen gesunkene Person, um sie nach Lebenszeichen zu untersuchen. Schon wenige Handgriffe, die kaum eine Minute dauern, reichen ihr, um bedauernd den Kopf zu schütteln.

Zu den Feuerwehleuten gewandt: „Da brauchen wir tatsächlich keine Wiederbelebungsversuche mehr machen.“ Und in Richtung aller anderen: „Dieser Mann ist schon einige Stunden tot.“

Castel hat derweil fleißig angefangen zu notieren, was es Polizeiliches zu notieren gibt. Dieses Geschäftig-Sein hilft ihm, seinen Brummschädel auszublenden. Mit gestrenger Miene fordert er dann Madame Balard auf, ihm zunächst ihre Personalien und dann exakt den Ablauf dieses morgendlichen Treffs zu berichten, bitte auch mit den genauen Uhrzeiten, und der Gendarm ist sehr offensichtlich bemüht, nicht unter die gestrengen Augen der Ärztin zu geraten – die könnte seinen Restalkohol-Wert mit bloßem Auge taxieren.

Ganz anders die noch immer sichtlich betroffene Chorsängerin. Sie kürzt ihre Zeugenaussage bei Castel resolut ab, um auch der Docteur Delecour gegenüber in aller Deutlichkeit zu unterstreichen: „Vincent hat sich nicht das Leben genommen! Der Mann hat eine Tochter in Paris, die Orélie, sie ist sein einziges Kind, sie sehen sich regelmäßig, die beiden verstehen sich bestens – nie würde er ihr das antun! Niemals. Und gestern Abend noch haben wir noch länger telefoniert. Vincent war bester Dinge....“

Die Ärztin nickt beschwichtigend. „Bei einer Selbsttötung, Madame, kann ich nicht einfach einen Totenschein ausstellen. Zumal, wenn es auch nur ansatzweise Zweifel gibt. Natürlich werde ich die Gerichtsmedizin einschalten. Die werden das ganze Szenario prüfen: Ob Monsieur Daché tatsächlich erstickt ist, ob er vorher große Mengen Alkohol zu sich genommen hat, ob des Zeichen von Gewaltanwendung gibt - da können Sie ganz beruhigt sein. Aber Sie haben eine Tochter erwähnt, Madame. Vielleicht können Sie unseren Gendarmen hier helfen, sich um deren Benachrichtigung zu kümmern.“

Und zu Sandrine Contet gewandt: „Ich selbst gebe meinen Bericht der Mordkommission weiter. Das heißt, dass Sie jetzt dafür sorgen müssen, dass der Tatort abgesperrt bleibt – die Inspektoren aus Dijon bringen sicher jemandenen von der Spurensicherung mit. Theoretisch könnten da ja noch entscheidende Erkenntnisse gewonnen werden.“

Damit hebt die Ärztin kurz die Hand zum Abschied und wendet sich zu ihrem Auto, während Castel schon eilig nach seiner Wasserflasche greift. Bevor er sie zu einem kräftigen Schluck ansetzt, schaut er mit echter Leidensmiene hoch zum Himmel : „Mon Dieu, und das passiert ausgerechnet mir an so einem verflixten Tag – warum?!“




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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (17.04.23, 08:19)
Dann also doch kein Freitod!
Ist ja für einen Ballonfahrer auch nicht wirklich nötig ... ;)

 eiskimo meinte dazu am 17.04.23 um 08:37:
Ja, Ballonfahrer enden ja meist in Hochspannungsmasten oder geschreddert von einem Windrad. Aber ich kann Dir versichern, bei Monsieur Dach'e kommt es noch dicker....
Windige Grüße 
Eiskimo

Antwort geändert am 17.04.2023 um 08:38 Uhr

Antwort geändert am 17.04.2023 um 08:38 Uhr
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