Goldene Zeiten für Silverager?

Glosse zum Thema Alter

von  eiskimo

Wir waren quicklebendige Globetrotter, die echten Reise-Profis, wir kannten uns aus im Tarif-Dschungel der Billigflieger, waren in den Budget-Hotels der Balearen  und auf allen Kreuzfahrtschiffen dieser Welt Stamm-Belegschaft, wir waren Haupt-Zielgruppe der Apotheken-Umschau und des ZDF, die Aktivposten bei Kieser und Just-Fit, der harte Kern der städtischen Museums- und Opernbesucher und die Letzten der Frommen und Frömmlerinnen in Deutschlands Kirchen – kurz: Wir waren die stets unternehmungslustigen,  genuss- und konsumfreudigen, nicht tot zu kriegenden Gewinner eines Systems der Frühverrentung und  (dank Vita-Sprint!) ewigen Jugend.  Wir waren das.
        Und was sind wir jetzt, allein aufgrund unseres Alters?  Weltweit gebrandmarkte Risikogruppe, Quell der nationalen Sorge, hilflose Objekte der Isolation und Virenbekämpfung, Adressaten von mundschutzbewehrten Hausbesuchen und wohlmeinender Care-Pakete.  Nein, nicht einmal mehr Einkaufen gehen dürfen wir. Und was sollen wir zu Hause? Ludmilla und Anastazja, die man gerade zu unserer warmherzigen 24-Stunden-Versorgung rekrutiert hatte, sind aus Polen nicht zurückgekehrt. Alle Kaffee-Fahrten wurden abgesagt.  Und das Telefonieren  mit den Enkeln klappt einfach nicht – Rückkopplungs-Pfeifen mit den Hörgeräten.
      Kurz: Die eigentlichen Verlierer der Krise, das sind doch wir! Nur gut, dass wir in harten Zeiten groß geworden sind. Da haben wir gelernt uns zu beschäftigen. Spielen wir halt eine Weile nur Mensch-ärgere-dich-nicht. Wir werden ja sehen, wer da rausgeworfen wird.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (31.03.20)
"Hauptzielgruppe der Apothekenrundschau" *prust) -
und nicht zu vergessen: noch (!) mit Festeinkommen!

 eiskimo meinte dazu am 31.03.20:
Die deutlich gestiegene Mortalität entlastet die Rentenkassen, darum rechne ich auch weiterhin mit Festeinkommen.
Halma ist übrigens auch ein Tipp!
lG
Eiskimo

 AchterZwerg antwortete darauf am 31.03.20:
Hierzu fällt mir sofort ein Freund aus den güldenen Siebzigern (praktizierender Philosoph) ein, der mal bei meinem Anblick zwei Reisetaschen fallen ließ und fast heulend bekannte, dass er beim Elternbesuch wieder stundenlang "Halma" und (schlimmer noch!) "Hütchen Hüpf" habe spielen müssen.

Das waren noch Schicksale ...

Antwort geändert am 31.03.2020 um 11:42 Uhr

 Dieter_Rotmund (31.03.20)
Nett, aber mir persönlich zu anklagend, vor allem im zweiten Teil. Auch dann zu viel Mimimi.

P.S.: Doppelklammer in der 8. Zeile,
Cora (29)
(31.03.20)
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 eiskimo schrieb daraufhin am 31.03.20:
Stimmt. Da kommt jetzt reichlich Hoffnung auf!

 TrekanBelluvitsh (31.03.20)
Wenn ich an die Reaktion auf das "Meine-Oma-ist-ne-Umweltsau"-Lied denke, fällt es mir schwer, auf die Hartgesottenheit der Älteren zu vertrauen. Außerdem: Wer als junger Mensch ne Arschgeige war, der ist es auch als Greis oder Greisin.

 tueichler (31.03.20)
schön bissig!

:)

 AZU20 (31.03.20)
Bin zwar auch einer, aber nch mitten im Leben. Empfehle ich Dir auch. LG

 AchterZwerg äußerte darauf am 01.04.20:
"nch" lässt aber schon den Gedanken an Ginkobil zu - oder wie das Zeug heißt.

:)

 Regina (31.03.20)
Klischee pur, das Bild hier von den Alten. Der aktuellen Situation nicht angemessen. goldene Zeiten sind das nun mal für niemanden, egal wie alt oder wie nutzlos das Verhalten. Gruß Gina

Kommentar geändert am 31.03.2020 um 14:46 Uhr

 eiskimo ergänzte dazu am 31.03.20:
Klischee pur, das stimmt. Das habe ich mit dem Begriff Silverager auch extra vorangestellt. Das Fragezeichen stellte auch den Terminus Goldene Zeiten in Frage. Und dass diese Gruppe der Silverager, die heute ja recht unternehmungslustig und auch finanziell gut gestellt ist, jetzt bei dieser Krise zu den Verlierern zählt, ist Fakt.
Ich habe die Form der Glosse (!) gewählt, um den dramatischen Wandel, der da binnen weniger Wochen vonstatten ging, in zugespitzter Form bewusst zu machen.
vG
Eiskimo

 Regina meinte dazu am 31.03.20:
Du hast wohl noch nichts von Flaschensammlern gehört und von Alten, die sich nicht so verhalten wie hier beschrieben? Bei einer Triage muss der Arzt zuerst die jüngeren retten, dann die Alten. Aber es ist zu unterscheiden zwischen bettlägerigen über 80 und relativ fitten ab 60. Frühverrentung? Ab 30 ist der Arbeitsmarkt in manchen Branchen zu. Deine goldene Zeit ist wohl auch vorbei. Ich erinnere mich an bessere Texte. LG Gina

 eiskimo meinte dazu am 31.03.20:
Laut Institut für Freizeit- und Tourismusforschung meint man bei Silveragers bestimmte ältere Leute ab 58-60. Es seien Menschen die sich vital fühlen und nach der Pensionierung viel Freizeit haben, um ihr Leben zu genießen. Zudem, so heißt es, sind sie sozial und finanziell abgesichert und besitzen ein hohes kulturelles Wissen.
Dass es auch andere Alte gibt, weiß ich sehr wohl. Aber von denen ist in meinem Text gar nicht die Rede.
Auch, dass es in den Krankenhäusern zur Zeit dramatisch zugeht, weiß ich. Aber das war auch nicht Thema
Und wenn Du am Ende Deiner Replik noch persönlich werden musstest - ich hoffe, es hat Dir gut getan.
Eiskimo

 Regina meinte dazu am 01.04.20:
du merkst nicht einmal, dass ich hier auf ältere Texte von dir anspiele, die ich richtig gut fand. Dieser hier gehört nicht dazu. Gina

 eiskimo meinte dazu am 01.04.20:
Okay, mit der Einschätzung muss ich leben. Ich werde mich bemühen, wieder an alte akzeptablere Leistungen anzuknüpfen.
cu
Eiskimo

 EkkehartMittelberg (31.03.20)
Wer die gekonnte Selbstironie hier nicht erkennt, ist dazu nicht in der Lage.
Amüsierte Grüße
Ekki

 eiskimo meinte dazu am 31.03.20:
Danke! Ich freue mich, dass Du das in dieser unverkrampften Weise nachvollziehen kannst!
lG
Eiskimo

 niemand (01.04.20)
Man merkt, Du bewegst Dich ausschließlich in der gut, bis sehr gut situierten Akademiker-Pensionisten-Schicht und hast keine Ahnung vom kleinen Durchschnittsrentner, der grade so um die Ecke kommt mit seinen Euronen. Das Rentensystem ist ungerecht und bevorzugt alle die in jungen Jahren schon ordentlich raffen konnten und die jetzt eine üppige Altersvorsorge bekommen, von der all die anderen nur träumen können, so sie noch zum Träumen kommen, weil sie vielleicht nicht gänzlich abgearbeitet sind, sprich verbraucht. Das erinnert mich an die vielen Medienaufrufe unter dem Motto: Bleiben sie zu Hause, pflegen sie ihre Villa und den großen Garten, bauen sie ihren Kindern ein Baumhaus, ohne zu bedenken, dass es Leute gibt, die in einer 50 Quadratmeter kleinen Wohnung zu fünft hausen müssen, manchmal sogar ohne Balkon. In diesem Lande ist alles auf gut, bis sehr gut Betuchte ausgerichtet. Und die jammern meistens noch am meisten und am lautesten. LG niemand

 eiskimo meinte dazu am 01.04.20:
Ob ich mich nur in dieser von Dir beschriebenen Schicht bewege und wirklich so blind bin für die Durchschnittsrentner, lass ich mal dahin gestellt.
Richtig ist, dass mein Text auf die priviligierten und wohlsituierten Silver Ager (in Deutschland nicht wenige...) abhebt. Und ich sage es nochmal: Es steht auch schon in der Überschrift so.
Dass unser Land in puncto Wohlstand, Renten und Altersabsicherung zutiefst zerrissen ist und soziale Gräben existieren, da kann ich Dir nur zustimmen. Aber selbst da sollte man differenzieren. Eine dieser Silver Ager - Damen, sollte sie ins Pflegeheim kommen, wird als Selbstzahlerin im Monat bis zu 5000 Euro abdrücken müssen. Da schrumpft ihr Vermögen relativ rasch zusammen. Für die Rentnerin am Existenzminimum wird immerhin unser Sozialstaat die Heimkosten übernehmen.
vG
Eiskimo

 Regina meinte dazu am 01.04.20:
Siehst du, die Wohlhabenderen halten den Sozialstaat aufrecht, die anderen hatten keine Chance, zu den wohlhabenden zu gehören. Aber dein Text unterstellt einer bestimmten Gruppe eine negative Haltung. Dabei müssen jetzt alle zu Hause bleiben. Dem einen fällt das leicht, dem anderen nicht. LG gina

 eiskimo meinte dazu am 01.04.20:
Die Wohlhabenden sind nicht alle wohlhabend geboren oder es durch eine Erbschaft geworden - manche haben tatsächlich dafür gearbeitet, und zwar härter und mehr als andere .
Wenn Du meine Texte noch vor Augen hast: Meine Mutter war eine kleine Postangestellte, mein Vater Unteroffizier bei der Bundeswehr. Fünf Kinder.
Der Spruch "Wir haben ja keine Chance....", den gab es bei uns nicht..
lG
Eiskimo

 Regina meinte dazu am 01.04.20:
Der Tod unterscheidet nicht zwischen reich und arm, moralisch wertvoll oder asozial. Er erwischt den Penner wie den MIllionär, und den silverager unabhängig von seinem Verhalten bisher.

 LotharAtzert meinte dazu am 01.04.20:
Was sagt der Buddha hierzu? - Extreme vermeiden und den mittleren Weg einschlagen.
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