Der Stau - Kap. 1

Geschichte zum Thema Ausweglosigkeit/ Dilemma

von  Manzanita

Ein Auto in der Mitte. Ein Auto links. Ein Auto vorne. Ein Auto hinten. Viele Autos. Alles voller Autos. Gerade so hat sie das noch hingekriegt. Wenn sie nicht drauf gedrückt hätte, was wäre dann passiert? Wäre überhaupt etwas passiert? Ja, genauso wie es mit Drücken auch passiert ist. Es passiert immer etwas. Die Frage ist bloß, wann passiert wieder etwas?

Eine Minute. Zwei Minuten. Drei Minuten. Es ist immer noch nichts neues passiert. Immer noch Auto links, Auto vorne und Auto hinten. Was ist passiert? Was wird passieren? Noch nichts. Nichts, es scheint nur sie zu geben. Sie ist ganz alleine, denn sie kann nicht mit Autos sprechen. Schade. Sonst könnte sie eine Party veranstalten. Stellt euch vor, eine Party mit (Wie viele Autos stehen hier?) über Tausend Gäste! Nein. Keine Party. Erstmal keine Party. Mit Autos kann sie nicht reden.

Aber schaut mal, da! Ein Auto, ein Auto mit Bewohner. Da ist jemand drin! „Da ist jemand drin!“ Sofort hingehen. Ein Mann im Anzug, mit Krawatte. Der ist ja vornehm! Bestimmt mag der sie nicht, findet sie ekelhaft. Sie muss sich erst anziehen. Im Kofferraum hatte sie doch ein hübsches Kleid, oder? Hatte sie es mitgenommen? Nein. Doch, doch, jetzt ist sie sich ganz sicher. Das würde ihn bestimmt beeindrucken, sie muss es unbedingt anziehen.

Rausgehen. Zum Kofferraum. Dort, mitten auf der Fahrbahn soll sie stehen, soll sie den Kofferraum aufmachen, ein Kleid rausholen… Nein. Viel zu peinlich. Dann würde doch jedes merken, dass sie das Kleid vorher noch nicht anhatte. Aber es ist ihre einzige Wahl. Sonst kommt sie nicht an ihr Kleid. Peinlich. Sehr peinlich und außerdem noch illegal. Man darf bestimmt nicht mitten auf der Autobahn aussteigen. Sehr gefährlich, ja sogar lebensgefährlich!

Sie muss auf den Seitenstreifen fahren. Hoffentlich bemerkt er es nicht. Wird er nicht, wird er bestimmt nicht, ihr Motor ist ja noch an. Sie drückt auf das Gaspedal, sie lenkt, sie bremst, sie fährt und sie steht. Fertig. Schon da, auf dem Seitenstreifen. Jetzt kann sie sicher aussteigen.

Die Fahrbahn ist ganz warm. Die Sonne eben, wahrscheinlich ganz normal. Sie war noch nie auf einer Autobahn zu Fuß. Ein Erlebnis, muss sie zuhause später in ihr Tagebuch eintragen. Majestätisch präsentiert sich die A8 vor ihr, hinter ihr und neben ihr. Und diese Blicke. In jedem Auto sitzt dieser Mann, mit Anzug, mit Krawatte und schaut sie tief an. Tief. Tief. Sehr sehr tief. Dann zieht er eine Grimasse. Sie zucken Grimassen. Was will er von ihr? Was wollen sie von ihm? Sie schreit. Dann weint sie. Ihr Kleid wird ganz nass, aber das ist ihr egal.

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