„Die Leute müssen ja auch immer beim Abendessen anrufen. Wann auch sonst, der Tag besteht ja sowieso nur aus Essen. Und wer darf ran gehen? Natürlich ich. Wer auch sonst? Am besten wäre es, wenn ich gleichzeitig essen und telefonieren könnte. Aber so nett war Gott dann doch nicht, der hat zum Telefonieren bestimmt Diener“, sagt Ben. Er hat eine typische blaue Jeans mit vielen Löchern an. Er sitzt alleine in seiner Küche an einem Tisch, den er sich vor ein paar Dekaden selbst gebaut hat. Ben geht ungern zu „Ikea“. Er mag keine Menschen. Er ist lieber alleine zuhause und ruht sich auf dem Sofa aus. Am besten, zusammen mit Tom. Sie sind gute Freunde.
Ben weiß nicht, ob Tom noch mehr Freunde außer ihn hat. Er hat nämlich keine weiteren. Wie gesagt, er mag keine Menschen. Naja, Tom mag er schon, aber das ist eine Ausnahme. Eigentlich dachte Ben immer, Tom würde immer für ihn da sein und er auch immer für ihn. Aber in letzter Zeit hat Tom immer so wenig Zeit. Er sagt immer, einen Job gefunden zu haben. Das versteht Ben nicht. Er würde so gerne mit ihm Fernsehen gucken. Da lachen sie immer so viel. Normalerweise lacht Ben nie, an der Wohnungstür hängt sogar ein Achtungsschild: „Nicht lachen! (Genehmigte Personen ausgenommen)“
Ben geht ans Telefon. Wahrscheinlich ist es bloß wieder eine Bank, die Geld von ihm will. Ben hasst solche Leute. Die Frauen, die ihm da Geld stehlen versuchen, sehen bestimmt ganz toll aus, denkt Ben immer, und er würde sie ja gerne nach Hause schleppen, aber dann sollen sie auch bitte bei einer Modeagentur arbeiten und nicht bei einer Bank. Oder noch schlimmer: bei einer Versicherung. Einmal hat eine private Versicherung angerufen und ihm die Tarife für Lebensversicherungen erzählt. Ben hat keine Ahnung von solchem Zeug, deswegen fragte er, was das überhaupt sei, eine Lebensversicherung. Dann war die Frau bestimmt fünfzehn Sekunden lang still. Ben dachte, sie sei sich auch nicht ganz sicher und stellte sie sich in der Zwischenzeit nackt vor. <Schade nur, dass es ihr dann doch einfiel>, denkt er dann immer. Ben nimmt den Hörer ab.
„Hallo“, Ben hat keinen Standart-Spruch um Telefonate einzuleiten, „hallo“ findet er viel klarer und einfacher zu merken. Außerdem wissen so alle gleich, ob er mit ihnen telefonieren will.
„Hallo Ben, wie geht es dir?“, fragt eine männliche Stimme. Merkwürdig, Ben kann sie nicht wiedererkennen. Und Banken siezen ihn normalerweise. Sehr merkwürdig, findet er.
„Mir geht es gut“, antwortet er. Er weiß immer noch nicht, wer da spricht.
„Ben, weißt du nicht wer ich bin? Du… Hast du mich vergessen?“, antwortet der Mann.
„Ja, habe ich. Wer sind Sie?“, Ben hat keine Lust auf lange Gespräche, er will essen. Er hat Hunger.
„Ben, du musst mich nicht siezen“, Ben knurrt, „ja, ich sage ja schon, wer ich bin, Tom, ich bin Tom, dein bester Freund!“
„Tom, achso, dann ist ja gut, kannst du mich später anrufen, ich…“
„Ja, ich weiß, dass du gerade am Essen warst, aber ich habe ein Problem“
„Welches? Sag schnell.“
„Also, ich wollte ja zu Laura fahren, aber ich stecke im Stau. Die wird bestimmt arschsauer, wenn sie es nicht erfährt und…“
„Dann ruf sie an!“, Ben ist sauer.
„Ja, würde ich ja gerne, aber die… Die sucht sich doch ´nen anderen, wenn ich eine Sekunde lang nicht da bin. Ich wollte, dass du mich berätst.“
„Hör auf zu heulen! Wenn das stimmt, was du gerade gesagt hast, hast du sowieso schon verloren, denn wir telefonieren schon über eine Sekunde. Also, Beratung: Abendessen.“
„Ja, ich werde schauen, was ich dabei habe… Können wir später noch mal telefonieren?“
„Ich überlege es mir. Aber ich rufe dich an, verstanden?“, Ben legt auf.
War er nicht vielleicht doch ein bisschen zu unhöflich gewesen, fragt Ben sich jetzt. Aber nein, Tom ist schließlich sein bester Freund, da muss man nicht immer superhöflich sein.