Gerne habe ich sie geküsst (Romanauszug)

Cut-Up zum Thema Andere Welten

von  alter79

Doktor M. nervt. Fragt laufend nach meinen Fantasien. Und ich denke, dass er irgendwie auf Info- Entzug ist. So hohl und weiß aussehend. Als wäre sein Kopf absolut leer und der Rest davon auf dem Klo. Wenn ich dann aber doch was sagen will, also nur mal eben seinem Gedankengang nachsetze, mit Zunge raus und so, dann weicht er zurück und bekommt einen roten Kopf. Spätesten dann schalte ich  das Licht ab; warum soll ich ihm auch erzählen, dass ich die Schusterahle längst eingeweiht habe - und die Reste eines eben noch intakten Hirns in meiner Badewanne liegen; dass ich aber den Namen von dem Typen vergessen habe? Nur, dass der wie mein Vater aussah. Und nun nicht mehr. Und was es ÜBERHAUPT für Mühe macht einen kompletten Menschen zu entsorgen. Wobei das fehlende Hirn es auch nicht gerade leichter macht. Nein, lieber Doktor Munk, so nicht! Desinteresse war und ist auf gar keinen Fall der richtige Weg eine solch komplexe Arbeit erfolgreich fortzuführen. - Heimlich lasse ich ihm trotzdem und deswegen einen Zeitungsartikel zukommen. Doch eigentlich kennt die Schlagzeile seit gestern jeder: 'Bereits Anfang April ist in der Stadt ein (immer noch) unbekannter Klavierspieler aufgegriffen worden!' Nur, dass ich von dessen Klamotten die Etiketten entfernt habe und er ohne Hirn ist hat die Journaille verschwiegen. Scheinbar wollen sie den Hollywood-Topos vom Helden eindringlich variieren. Von wegen verhängnisvolle Umstände, Verschwörung - oder gar ein Verbrechen spannungsvoll in täglichen Bruchstücken servieren. Gar häppchenweise. Fast ein Kunstgriff wie der meine, Doktor M. über mich im Unklaren zu lassen; weil der mir immer die gleichen langweilige Fragen stellt – und eine solide Antwort überhaupt nicht will! Doch ab und an denke ich, er weiß alles längst. Und wird mir eines Tages meine eigene Scheiße zum Geschenk machen.

„Wir machen für heute Schluss, Jimmi!“ Strahlen dagegen seine wulstigen Lippen. 

„Wenn Sie meinen...“ Doch in Tatsache zeige ich mein Bedauern über den frühen Schluss heute nicht. Auch nicht dass es mir beinahe gekommen wäre, ohne Hand anzulegen. Doch genau das ist mir immer wieder Faszination und mysteriöses Sein überhaupt. Weil man über seinen Schatten springen kann. Fühlt. Denkt. Weiß. Aber trotzdem immer wieder die gleichen Fragen stellt, - weil man sich an die Antworten nicht erinnern kann. Oder will. Wie das stetige Einfügen von Puzzeln zu Uhrzeit, Tag und Jahr in ein fremd gewordenes Hirn. Und je länger ich durch die Räume meiner Erinnerungen streife, desto klarer wird mir, wie genügsam ich geworden bin. Wie wenig ich für mich brauche. Wie viel ich will. Wie sehr mich schon das Schauspiel des Lichts fasziniert. Schwarz und Weiß. Und das, was in der Mitte davon. Allerdings bin ich mir untreu geworden. Habe mich verloren. Bin angepasst worden. Die ’alte’ Erziehung schlug durch. Anstatt Buchstaben, Worte, ganze Sätze aus dem Hirn einfach auf den Boden zu spachteln, das Bad meiner dunklen Begierden und heißen Ahnungen auszuschütten, wenigstens tropfen zu lassen damit die sich wie von selber verteilen, lasse ich mein jetziges Schreiben in gefällige Strukturen, Rhythmen und Muster einbinden. - Anstatt saurer Kotze goldiger Schleim. Süßes, statt vom Galligen Satt, - und das einzig für die Kleber am Mainstream. Nichts da an Kontrast zu den irren Heimwerkern der Worte. Keinerlei konträrer Ausdruck (von Gegensätzen) zu Körper und Seele. Immer easy sein. Und es auch sagen. Nie Löcher in den weithin sichtbar kranken Boden schlagen, durch die dann eitrige Fäkalien plumpsen können. Grauenhaft; mich schüttelt vor mir ... so brav zu sein. Dabei kann ich ’eigentlich’ meine Arbeiten ’im action writing Prozess’ vollkommen frei gestalten. Bin ’eigentlich’ allein dem Fertigungsprozess ’fun for doing’ des Werkes geschuldet. Einem heiligen Schrei in einer Kathedrale gleich. Könnte ich. In so etwas wie in einem geerdeten Vordergrund. Könnte? Ey du, himmlischer Vater, - bin gemacht von dir. Geboren. Geblieben. Gestorben. Wiedergeboren als unendliche Nabelschnur des Abstrakten, die aber durch ’Den da’ und ’Die da’ (wie mein Willen und Wollen) in schwarz- weißes Packpapier eingeschlagen wurde. Ich also wieder Clown in Zeit und Raum bin. Beschnitten. Kastriert. Rasiert. Vollglatze. Jedermanns Arschloch. Hörst du? - Ja, und so wurde meine ehemalige Unbändigkeit in das Haus des großen Sterbens eingelagert. Hängt dort aufgereiht mit dem Logo ’unbekannt verstorben’ am nackten großen Zeh. - Befinde ich mich im Einklang (sagen meine Kritiker) mit denen wo ’aufsehen/erregend/erfolglos’ drauf steht. - Typisch Kommerz- Dschungel. Sogar in der Hölle. Und darüber bekomme ich Panikattacken. Jeden Morgen. Mittag. Abend. Und nachts erst. Da besonders schlimm. Meine Träume als tosende Wildbäche. Ich, im Nebelwald auf 5.000 m Höhe im Pyjama - an den Kanten von Schluchten. Barfuß. Und dabei bin ich nicht mal schwindelfrei. Man merkt es doch, was? Wenn ich (gedanklich) den Sturzflug antrete um, wie man so sagt, meinen Arsch zu retten. Mich oft sogar vor dem eigenen Abgrund retten muss, der mich wegen meiner Laster (unter Brüdern später mehr dazu) schon ein Vermögen gekostet hat. Und das da noch was obendrein kommt. Sicher! - Bei meinem Heißhunger auf Verbotenes! Und hier gehört eigentlich in dreifaches Ausrufezeichen hin; macht man aber nicht. Siehst du, Idiot, da sind wir wieder am Anfang. Wenn die Unvernunft am Seil hängt und nicht mehr atmet. - Doch ich, ohne Verrücktheiten, bin und werde dann auch wieder nur Glas, Stahl, Beton usw. sein, - zu nichts nutze, als das. - Ich will aber kein Mann fürs Kleinteilige werden: Hast du das verstanden!? Und wieder ist die Camera live drauf. Life. Sitzt mir schräg gegenüber eine Frau die sich spielt, wie die Presse seit Wochen über sie in den Schlagzeilen berichtet; als sei sie vom Himmel direkt in den Flughafen gefallen und wohne nun hier. Im Transit. Land. Wie das Leben manchmal... damit Medien Werbung schalten können. - Christina. Soll sie heißen. Christina! Schreiben. Sagen. Fragen diese und jene. „Und du?“ Fragt sie mich. „Weiß nicht!“ Antworte ich. Und schon kommt an laufender Bande ein neuer Werbespot ins Bild. Diesmal Kosmetik. Hochwertig aussehend. Davor war Handtasche. Kroko. Gold. Oder so. Und immer sie - wie in road to darkness. Auf you tube. Eine Manga. In Art. Als Christina. Eine Premiere. All eyes on! Und hunderte Reporter. Die springen - wie Rumpelstilzchen persönlich. 

„Können Sie sich mal küssen!“ Kommt wie erwartet deren Aufforderung. 

„Nein!“ Dann kurze Pause bis zur zweiten Entrance. Darauf folgt ein Energy- Drink. Im Hintergrund Rocky; Rock- Remix: eyes of the gladiators. Doch ab und an läuft es eben nicht so … trotzdem geht es manchmal nicht anders. Das Leben. Von wegen. Und Christina. Blond. (Riesen- ) Busen. (Riesen- ) Hintern. (Riesen- ) Lange Beine. (Riesen- ) Super- Star. (Riesen- ) Klar und (Riesen- ) deutlich höre ich - es: Cut-Up! Auch ihren bereits feststehenden (Riesen- ) Textteil. Big Brother. Part one. Der nur als Symptom der Psychose zu deuten ist - wish you were here - und aus einem tiefen Urgefühl zu kommen scheint; auf das sich die Mikrophone stürzen, schieben, drängeln, stoßen - rot und erigiert sind wie Affenpenisse im Zoo. Doch alles Lüge, Leute. LÜGE! Um Christina. 28 Jahre alt. Über ihren Selbstmord 2 Tage später auf dem Klo von Otto Lilienthal. Der die logische Folge eines dunklen, beunruhigenden Oeuvres ist. Und krank wie die Welt. In der der Tod menschlicher (ist) als das Leben. Und besser ist als laufend Katastrophen. Grausamkeiten. Kriege. Irgendwelche blöden Typen. Die von einer Angst machenden Politik getrieben sich als Krebse in fremde Körper speichern. Pflanzen vernichten. Tiere. Ozeane. Luft und Land. Den Planeten als Gesamtbild. Der sich lediglich in psychiatrischen Kliniken noch ertragen lässt. Genau wie (Riesen- ) Christina, die Millionen Jahre alt. - Ja. Das war sie. Und ich dann ohne Schutzschild im Transfer ins erzwungene Dasein, - mich der Betäubungspfeil der Schergen trifft. Während die Presse längst wieder über Vergewaltigungen, Drogen- und Mager- Süchte und gescheiterte Politik berichtet. Über Kranke. Wie ihr seid. Die einwandfrei in einer kranken Welt leben und arbeiten müssen. Wo selbst denken verboten scheint. Oder?


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