Die Affen hier bei uns, nach Jacques Brel

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von  eiskimo

Bevor es sie gab, diese Runzelärsche,

da lebten Blume, Vogel und auch wir noch in Freiheit.

Aber dann sind sie gekommen und die Blume steckt im Topf

der Vogel steckt im Käfig und an uns steckt eine Nummer.

Denn sie haben den Knast erfunden und Lebenslänglich

mit dicken Gerichtsakten und noch dickeren Zellentüren;

und dann schnitten sie die Zungen ab, diese ersten Zensoren

und ab diesem Moment nannten sie sich zivilisiert:

die Affen, die Affen, die Affen hier im Lande.


Bevor es sie gab, da gab es keinerlei Probleme

selbst wenn da Bananen wuchsen auch in der Fastenzeit.

Aber dann sind sie gekommen gespickt mit Intoleranz

und haben die Jagd auf die Albigenser eröffnet,

die Jagd auf die Abtrünnigen und auch andere da unten,

und die Jagd auf gemäßigte Affen, die nicht jagen wollten,

und ab diesem Moment nannten sie sich zivilisiert:

die Affen, die Affen, die Affen hier im Lande


Bevor es sie gab, da war der Mann ein Prinz,

die Frau eine Prinzessin und die Liebe eine Provinzidylle.

Aber dann sind sie gekommen und der Prinz ist Bettler,

die Provinz geht zugrunde, die Prinzessin auf den Strich.

Denn sie haben eine Liebe erfunden, welche Sünde ist,

die Liebe, die zur Ware wird, und Häuser wo man sie kauft,

und wie der Grundherr sie versteht oder die Puffmutter

und ab diesem Moment nannten sie sich zivilisiert:

die Affen, die Affen, die Affen hier im Lande.


Bevor es sie gab, da gab es Frieden auf Erden

denn auf zehn Elefanten kam nur ein Militär.

Aber dann sind sie gekommen mit ihren Schlagstöcken,

und haben alle zur Raison geprügelt, zur Staatsraison.

Denn sie haben die Foltereisen erfunden

und die Gaskammern und den elektrischen Stuhl

und die Napalmbomben und die Atombomben;

und ab diesem Moment nannten sie sich zivilisiert:

die Affen, die Affen, die Affen hier im Lande.



Jacques Brel, Chanson aus dem Jahre 1961, Übersetzungsversuch



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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (26.07.22, 16:06)
Zwiespältiger Text, vor allem wegen der letzten beiden Zeilen der vier Strophen.



und ab diesem Moment nannten sie sich zivilisiert:

die Affen, die Affen, die Affen hier im Lande.
Wären sie doch wirklich Affen! Denn dann gäbe es keine Freiheitsberaubung, keine Intoleranz, keine Bordelle, keine Folter und Massenvernichtungswaffen. Aber Brel benutzt die Bezeichnung "Affen" (auch) im herabsetzenden Sinn: Eitle, alberne Wesen, die sich mit Zivilisiertheit brüsten und gar nicht merken, wie grausam, böse und destruktiv sie sind. Aber diese Doppeldeutigkeit des Begriffs "Affen" ist es vielleicht gerade, die mich zwingt, von dem Text betroffen zu sein und über ihn nachzudenken.
Taina (39) meinte dazu am 26.07.22 um 16:22:
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 eiskimo antwortete darauf am 26.07.22 um 22:03:
Die Zivilisiertheit ist Etikettenschwindel. In Wahrheit verbrämen damit die besonders machtgeilen  Affen ihr Unrechtssystem. Brel nennt  sie aber nach wie vor Affen, weil sie letztlich nur ihre niederen Instinkte ausleben. 
So sehe ich das..
LG
Taina (39) schrieb daraufhin am 26.07.22 um 22:39:
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Taina (39)
(26.07.22, 16:17)
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 eiskimo äußerte darauf am 26.07.22 um 22:17:
Gute Frage, ich weiß  es nicht.
LG
Eiskimo
Taina (39) ergänzte dazu am 26.07.22 um 22:41:
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 eiskimo meinte dazu am 26.07.22 um 23:00:
Reizvolle Frage - wer inspiriert wen? Wie kommen gewisse Parallelen zustande? Baut das eine auf dem anderen auf?
Taina (39) meinte dazu am 26.07.22 um 23:07:
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 EkkehartMittelberg (26.07.22, 16:43)
Für meine Begriffe verklärt Brel die Zeit vor der Herrschaft der Affen zu sehr.

LG
Ekki

 eiskimo meinte dazu am 26.07.22 um 22:13:
Verklärt, weil der Affe als Tier nicht berechnend und boshaft sein kann. Er verfolgt keinen Plan ausser die Art zu erhalten. 
Denke ich.
LG
Eiskimo
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