Perversionen der Demokratie

Aphorismus zum Thema Betrachtung

von  EkkehartMittelberg

1. Einige Volksvertreter bringen ihr Schäfchen so gut ins Trockene, dass sie an der Wolle immer mehr verdienen. Wir sind auf dem besten Wege zur Plutokratie.


2. Sogenannte mündige BürgerInnen werden in einem Maße von den gewählten Vertretern umschmeichelt, dass sie sich für klüger als diese halten. Die Einsicht in eigene Mängel geht zunehmend zugunsten von Selbstüberschätzung verloren. Wir entwickeln uns zur Stultokratie.


3. Wenn jeder glaubt, jeden kritisieren zu können, entsteht ein Gefühl von Gleichheit. Wenn alle gleich fähig sind, haben wir die Egalokratie erreicht.


4. Demokratie ist die beste aller Regierungsformen und hat es nicht nötig, dies immer wieder zu beweisen. Demokraten sind berufen, als Weltreisende überall zu behaupten, dass sie die Besten sind. Wahre Demokratie ist Aristokratie.




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Kommentare zu diesem Text


 Regina (02.11.22, 03:54)
Deinen Text empfehle ich, weil er dazu anregt, darüber nachzudenken, was eigentlich wirklich abgeht.
Zu 1. In der Plutokratie leben wir schon lange.
2. Politiker vor Wahlen können es sich nicht leisten, auf eigene Fehler hinzuweisen. Sie müssen immer behaupten, die andere Partei sei schuld.
3. Kritik sollte in der Tat auf Kompetenz beruhen, aber sie ist das Hobby vieler.
4. Mein Sohn hat mich mal darauf aufmerksam gemacht, dass alles, was funktionieren soll oder muss, nicht demokratisch geführt wird: das Orchester, das Schauspiel, das Militär, das Gericht, die Küche, das Krankenhaus und vieles mehr. Nicht in allen Demokratien geht/ging es den Menschen besser als anderswo und nicht in allen Autokratien schlechter.

 lugarex meinte dazu am 02.11.22 um 06:03:
Dein Sohn hat den Nagel auf den Kopf getroffen! Super!

@ zum Text noch Assoziation: Bürger, auch gesunde Bürger, leiden oft beim Stuhlgang, ergo "Sesselkratie"... :), oder gar "Sesselfurzer"?

Höfflich grüssend Luga
Taina (39) antwortete darauf am 02.11.22 um 07:46:
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 lugarex schrieb daraufhin am 02.11.22 um 10:27:
aber was! Wie soll es anders funktionieren?
Taina (39) äußerte darauf am 02.11.22 um 10:38:
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Taina (39)
(02.11.22, 07:44)
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 TassoTuwas ergänzte dazu am 02.11.22 um 08:53:
Hallo Ekki, 

du hast mich überzeugt, an "Kratien" gibt es ein große Auswahl, aber nur eine gute!

Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 18:11:
Das stimmt, mein Freund, wir sollten immer wieder für die gute Kratie kämpfen und lernen, ein bisschen bescheidener aufzutreten. Am deutschen Wesen wird die Welt niemals genesen.

Herzliche Grüße
Ekki

 TrekanBelluvitsh (02.11.22, 10:43)
Nr. 1.: Das Wort "Einige" macht hier den Unterschied zu einem zeitgeistigen Allgemeinplatz.

Nr. 4.: Ich denke, dass du das mit dem Blick desjenigen geschrieben hast, der nach dem Zweiten Weltkrieg groß wurde und deshalb für deutsche Demut in der Außenpolitik steht.

Ich - *1969 - sehe das tatsächlich anders. Gerade wegen den Verbrechen die von Deutschland zwischen 1933 - 1945 ausgegangen sind, denke ich dass Deutschland eine offensive Außenpolitik im Bezug auf staatliche Verbrechen - wie z.B. Menschenrechtsverletzungen - betreiben sollte. Denn, so traurig es  ist: In Deutschland weiß man sehr genau, wie alles angefangen hat.

Dazu möchte ich noch zwei Punkte anführen:
-) Die deutsche Demut nach 1945 war eng verbunden mit einem in weiten Teilen der Gesellschaft verbreiteten Totschweigen der Verbrechen und der Behauptung, man habe damit nichts zu tun gehabt. Letzteres brachte es in der DDR gar zur Staatsdoktrin. Im internationalen Vergleich war die geschichtliche Aufarbeitung zwar geradezu vorbildlich, aber dennoch war sie nur lückenhaft - und für die allermeisten Beteiligten folgenlos (siehe beispielhaft der Fall Globbke).

-) Ein weiteres - zugegebener nicht genuin deutsches - Problem ist der Zweite Weltkrieg an sich. Er hat dafür gesorgt, dass wir die NS-Verbrechen als Maßstab sehen. Deshalb werden auch so oft NS-Vergleiche bemüht, weil man glaubt, nur so die nötige Aufmerksamkeit zu erhalten. Hier sei an den "neuen Hitler" Saddam Hussein. Natürlich war er das nicht! Das ändert aber nichts an seinen umfangreichen Verbrechen.

Die (Welt-)Öffentlichkeit scheint oft zu vergessen, dass die Verbrechen die unsäglichen Ausmaße der Zeit zwischen 1933 und 1945 annehmen müssen, bevor z.B. Staatenführer Kriegsverbrecher sind, oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, auf die die Außenpolitik eines aufgeklärten Landes reagieren sollte.
Taina (39) meinte dazu am 02.11.22 um 11:11:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 11:34:
merci, Regina, ich habe die Gedanken deines Sohnes in dieser Konsequenz noch nie gedacht. Freilich ist gerade das Funktionieren das Unheimliche an nicht demokratischen Systemen. Der Genozid während des Dritten Reichs hat perfekt funktioniert. Dennoch muss man i9mmer im Wissen um die riesige Gefahr über die Grenzen von Demokratie nachdenken dürfen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 11:38:
Ja, Lugi, es ist so schön bequem, sich im Sessel ein Bild von der Welt zu machen. Zu wenige Demokraten recherchieren vor Ort.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 11:52:
Grazie Taina, de verweist mit Recht auf die Zügel, die Bürokratie herrschenden Demokraten in die Hand gibt.
Tatsächloch ist Demokratie das geringste Über unter allen Regierungsformen. Aber ihre Perversionen müssen täglich beobachtet und offen angesprochen werden. Demokratie ist kein Schutzschild für Inkonsequenz und Heuchelei.
Bedauerlich, ich möchte noch so vieles dazu ausführen und werde gerade jetzt in wichtige Tagesgeschäfte verwickelt.
Taina (39) meinte dazu am 02.11.22 um 12:04:
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 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 02.11.22 um 21:24:
So wünschenswert das ist, dazu haben wir bedauerlicherweise nicht nicht die nötigen Einflussmöglichkeiten.
Auf die Einflussmöglichkeiten kommt es gar nicht an. Es kommt darauf an, das Richtige zu tun.

Natürlich wird eine ethische Außenpolitik immer in weiten Teilen scheitern. Sie scheitert daran, dass die Menschen nicht ethisch handeln, sondern stets ambivalent.

Eine Außenpolitik, die sich nicht an ethischen Gesichtspunkten orientiert, ist eine opportunistische Außenpolitik. Und so eine Außenpolitik wirkt zwangsweise zerstörerisch und (spätestens) auf lange Sicht sogar selbstzerstörerisch, eben weil sie gar keine Richtung kennt.

Wenn man sein Handeln an den Einflussmöglichkeiten misst, ist das ein ebenso zerstörerischer Standpunkt. Meine Einflussmöglichkeiten auf die Verbrechensstatistik sind auch de facto nicht vorhanden - und das völlig unabhängig davon, ob ich eine Kiosk ausraube oder nicht. Das wird die Verbrechensstatistik nicht bemerkbar verändern. Und dennoch ist es nicht egal, ob ich einen Kiosk ausraube oder nicht.

(Mein) Fazit:

In der Außenpolitik müssen wir uns, wie im ganzen Leben an sich, stets bewusst sein, dass wir mit unseren einzelnen Absichten scheitern werden. Ja, ich weiß, da kommt wieder der Pessimist in mir durch, aber, gemessen an unseren Absichten und Plänen, ist das Scheitern die Regel im Leben.

 harzgebirgler (02.11.22, 11:40)
"edel sei der mensch, hülfreich und gut"
sowie stets vor despoten auf der hut!

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 11:55:
Bitte verzeiht mir Tasso, Trekan und Henning, dass ich euch erst heute Nachmittag antworten kann. Etwas Unvorhergesehenes kommt mir dazwischen.
Teolein (70)
(02.11.22, 17:16)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 18:05:
Hallo0 Trekan.
Hallo Trekan, wie ist das mit meiner Generation und dem Eingeständnis der Verbrechen des Nationalsozialismus.
Wir haben noch erlebt, wie Globke und Co sich erfolgreich wegduckten und waren froh über jeden ehrlichen Versuch der Demaskierung dieser widerlichen Leisetreter. Aber insgeheim hofften wir doch,  dass deutsche ehrliche Eingeständnisse Schule machen würden. Doch wir blieben bis heute die demokratischen Musterschüler Okay , könnte man sagen, niemand hatte es so nötig. Aber man sollte auch einmal die Außenwirkung der permanenten Schuldeingeständnisse reflektieren. Ich glaube, dass sie von den meisten ausländischen Regierungen als widerwärtige moralische Pflichtübungen wahrgenommen werden- Das müssen wir ertragen, solange es ehrlich ist, könnte man einwenden. aber dass ausgerechnet wir, die größten Kriegsverbrecher, sich als Lehrmeister der Demokratie weltweit aufspielen, erscheint aus meiner Sicht wenig glaubwürdig. Andere Nationen denken kühl an erfolgreiche ökonomische Beziehungen und lachen sich über unsere moralischen Pflichtübungen ins Fäustchen. Die richtige Konsequenz aus meinen Überlegungen ist wahnsinnig schwierig. Mir scheint, sie kann nur lauten, dass wir nicht überall der moralische demokratische Primus sein sollten.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 18:17:
Das stimmt Tasso, wir sollten täglich neu für die gute Kratie kämpfen, aber den Eindruck vermeiden, ihr Oberlehrer zu sein. Am deutschen Wesen wird die Welt niemals genesen.

Herzliche Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 18:22:
Hallo Taina,
du hast einen wichtigen Grund genannt, weshalb wir etwas moderater auftreten sollten. Wer sich in einem Maße wie wir von Menschenrechtsverletzern abhängig gemacht hat, sollte selbstkritisch erscheinen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 18:27:
Merci, Henning, wer wollte nicht vor Despoten auf der Hut sein, aber das ist nur der Anfang sehr komplizierter Überlegungen.

LG
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.11.22 um 18:32:
Gracias Teo,
solange wir Demokratie als ständige Aufgabe kritischer Besinnung sehen und nicht als Gut, mit dem man hausieren gehen kann, ist sie auch aus meiner Sicht erstrebenswert.

Beste Grüße
Ekki

 Tula (02.11.22, 23:09)
Hallo Ekki
Dieses Thema ist natürlich immer anregend und deine Ausführungen geben dieser Debatte eine ironische Note, ohne die Demokratie selbst (als Alternative zur Autokratie) in Frage zu stellen. 
Am Ende stellt sich die Frage: ist das Volk besser als der Demokrat (als Politiker) selbst? Andere sagen, jedes Volk hätte die Regierung, die es verdient. Schon weil demokratische Werte als solche kaum eingefordert werden. Schon vor Jahren hieß es "freie Fahrt für freie Bürger" und damit war wenigstens ein Drittel der Stimmen abgesichert. Hier in Portugal veruntreute einer der lokalen 'Dinosaurier' Gelder, welche vom Wahlkampf übrigblieben. Nach ein paar Jahren Haft tauchte er wieder auf und wurde als Parteiloser wiedergewählt! In einem der reichsten Landkreise im Raum Lissabon. Es gibt etliche solcher Beispiele. Also die Frage: geht es den Wählern um Demokratie? Man braucht ja nur auf die Wahlversprechen zu schauen ...

LG
Tula

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.11.22 um 10:53:
Lieber Tula, vielen Dank,
als wir nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Zusammenbruch der faschistischen Werte standen, ging es vielen jungen und alten Wählern aufrichtig um Demokratie. Heute bin ich mir weniger sicher hinsichtlich Effekthascherei und Heuchelei. Ich schaue bei der ungeheuren Nachrichtenmanipulation sehr skeptisch hin und bin mir selten sicher, ob ich mich richtig entschieden habe,
Beste Grüße
Ekki

 Saira (03.11.22, 13:28)
Lieber Ekki,


tief in meinem Herzen bin ich ja eine Anarchistin und gegen jede Form von Herrschaft, ABER ich weiß natürlich, dass eine Anarchie nur dann funktionieren kann, wenn der Mensch in der Lage wäre, in maximale Selbstverantwortung für sich und andere zu agieren.


Da das ein Wunschdenken ist und fern der Realität, halte ich die Demokratie noch für die beste Form der Herrschaftsorganisation.


Deine Aphorismen sind klug ausgearbeitet und wahr!


Herzliche Grüße
Sigi
Taina (39) meinte dazu am 03.11.22 um 13:39:
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Fetzen (38) meinte dazu am 03.11.22 um 13:45:
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Taina (39) meinte dazu am 03.11.22 um 14:06:
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Fetzen (38) meinte dazu am 03.11.22 um 14:44:
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Taina (39) meinte dazu am 03.11.22 um 15:52:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.11.22 um 16:10:
Vielen Dank Sigi, es läuft immer wieder darauf hinaus, dass die Demokratie unter allen Herrschaftsformen das geringste Übel ist und selbst das wird uns nicht geschenkt
Herzliche Grüße
Ekki.
Fetzen (38) meinte dazu am 03.11.22 um 16:31:
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Taina (39) meinte dazu am 03.11.22 um 16:37:
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 Saira meinte dazu am 03.11.22 um 17:40:
 

Die Fiktion ist freier als die Realität, in der Literatur ist es mgl. Viell. schreibst du darüber?
@Taina


Das ist ein interessantes Thema, über das es sich fiktiv zu schreiben lohnen würde. Für mich bietet es sich zur Zeit leider nicht an.


LG
Sigrun
Fetzen (38) meinte dazu am 03.11.22 um 21:22:
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 plotzn (07.11.22, 10:53)
Servus Ekki,

tiefsinnig und kreativ sind Deine Neuschöpfungen der Herrschaftsformen. Bei der Egalokratie, die mit der doppelten Bedeutung von "gleich" spielt, musste ich besonders schmunzeln. So witzig und hübsch verpackt sind Anregungen zum Nachdenken (für mich) am leichtesten verdaulich.

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.11.22 um 11:12:
Vielen Dank für dein schönes Kompliment, Stefan.

Liebe Grüße
Ekki
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