Entspringt die Weihnachtstoleranz einem schlechten Gewissen?

Ansprache zum Thema Toleranz/ Intoleranz

von  EkkehartMittelberg

Entspringt die Weihnachtstoleranz einem schlechten Gewissen?


Mir scheint, dass die Weihnachtsbotschaft der Liebe und des Friedens im öffentlichen Diskurs zunehmend eine geringere Rolle spielt. Stattdessen wird Weihnachten immer mehr zu einem Fest, das die Wirtschaft ankurbelt. Die Werbung setzt immer früher ein und in den Nachrichten werden, ohne jeden Hinweis auf den Inhalt des Festes, die wachsenden oder sinkenden Verkaufszahlen diskutiert.

Der Einfluss der Kirchen sinkt offensichtlich und auf diesem Hintergrund kann der Kapitalismus störungsfrei agieren. Nach meinem Eindruck lässt auch das Bedürfnis von Atheisten und Agnostikern nach, das kapitalisierte Weihnachten kritisch zu diskutieren.

Woran liegt das, wenn es zutrifft?


Ich denke, dass die steigende Nachrichtenflut jeden Einzelnen immer mehr mit Problemen konfrontiert. Der sinkende Wohlstand wird immer deutlicher und die Existenzängste in der Bevölkerung wachsen. Da will man endlich mal ein paar Tage haben, an denen man diese Sorgen verdrängen kann, wenngleich dieser Vorsatz bei Familienfesten oft durchbrochen wird. Dennoch ist der Wille, Weihnachten Fünfe gerade sein zu lassen, überall spürbar.


Liegt die Ursache der erwünschten Toleranz an einem Überdruss an Problemen und an dem schlechten Gewissen, zu wenig für ihre Lösung getan zu haben?



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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (11.12.22, 12:53)
Es gibt sicherlich jene Menschen die zum Trotz- oder gerade Deshalb strenges Weihnachten feiern - also nach strengschrichtlicher Überlieferung.
Für die weniger Religiösen ist das Treffen mit der Familie wohl das Wichtigste. Weihnachten ist zu einem Familienzusammentreffen geworden. Die Familie hat Jesus verdrängt. Dort wo Jesus über die Familie herrscht, so meine Annahme, sitzt das Christentum tief. Abgesehen davon sind in Deutschland nur noch ca. 40% christlich. Sprich, evangelisch oder katholisch. Wenn 90% der Bürger Weihnachten feiern, so frage ich mich, was feiern die 50% Atheisten?
Der Kapitalismus bedient alle Glaubensrichtungen. Der Glaube war und bleibt stets ein geistiges Produkt, welches konstruiert wurde, daraus Einnahmen zu erzielen. Wird der Inhalt eines Glaubens ausgehöhlt, verbleibt immernoch das Symbol. Die Symbolik des Weihnachtens wird jährlich von kapitalistsichen Unternehmen wie ein fettes Schwein ausgeschlachtet. Dies entspricht jedoch tatsächlich der Deutung in der Bibel, denn nur da, wo Gegeben werden kann, ist Weihnachten möglich. Weihnachten ist ein Geben und Nehmen und demnach sehr nah mit dem Kapitalismus verwandt: Nachfrage und Angebot. 

Päpste liefen in Goldgewändern umher, aßen auf Silbertellern gebratene, frischgefangene Dorade aus dem Meer, oder Nüsse und Früchte aus fernen Arabien, oder gebratene Tauben in Honigwein, während sie in Unmengen den glitzerenden dunklen Rotwein aus der Region von Avignon tranken, während die Bauern je nach Ernteertrag entweder was zu essen hatten oder darben mussten. Sie glaubten jedoch an Jesus, weil sie neben bisschen Essen nichts weiter hatten, als den Glauben nach dem Tod in das Himmelreich zu kommen, von wechem Jesus sprach. Heute lebt der Durchschnittsbürger besser als eine Papst vor 1000 Jahren.     

Heute haben die Menschen im Westen und Europa viel zu viel, deshalb benötigen sie kein anderweitiges Himmelreich. Jemand, der einem 120 Zoll Fernseher full HD besitzt, Sofa, Bett, gebratenes Steak und Wein usw. braucht kein Himmelreich. Er braucht Konsum. Verfällt der Konsum, kommt auch wieder das Himmelreich.

Kommentar geändert am 11.12.2022 um 12:56 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 13:05:
"Der Kapitalismus bedient alle Glaubensrichtungen. Der Glaube war und bleibt stets ein geistiges Produkt, welches konstruiert wurde, daraus Einnahmen zu erzielen. Wird der Inhalt eines Glaubens ausgehöhlt, verbleibt immernoch das Symbol. Die Symbolik des Weihnachtens wird jährlich von kapitalistsichen Unternehmen wie ein fettes Schwein ausgeschlachtet. Dies entspricht jedoch tatsächlich der Deutung in der Bibel, denn nur da, wo Gegeben werden kann, ist Weihnachten möglich. Weihnachten ist ein Geben und Nehmen und demnach sehr nah mit dem Kapitalismus verwandt: Nachfrage und Angebot. "
Merci, Augustus, solche desillusionierende Kritik zerstört das Bedürfnis nach Harmonie und wird nicht gern gehört, so ergeht es der Wahrheit immer.

Antwort geändert am 11.12.2022 um 13:09 Uhr

Antwort geändert am 11.12.2022 um 13:10 Uhr

 Mondscheinsonate (11.12.22, 13:12)
D'accord! Aber, gestern warf ich Altpapier weg, die Container waren bummvoll mit Pappe. Die Leute lassen sich ihr Weihnachten nicht vermiesen, trotz Geldmangel.
Nein, sie kapieren seit Jahren nicht, dass Weihnachten keine Massen an Geschenken braucht, sondern nur einen Baum, den Glanz und die Familie, auch Freunde. Es muss gekauft werden. Und in den Firmen die Leute angetrieben werden. Besinnlichkeit gibt es nicht mehr. Beseeltheit auch nicht mehr. Ich habe Klausurenstress, schnell, ich muss mich hinsetzen!

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 11.12.22 um 13:18:
Grazie, Mondscheinsonate, auch ich wünsche mir das entkommerzialisierte Weihnachten, fürchte aber, dass es gegen die Übermacht der Werbung keine Chance hat.

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 11.12.22 um 13:20:
Schon der Waluliso sagte in den 1990':"Weihnachten ist die Zeit sich freizukaufen."

 FrankReich äußerte darauf am 11.12.22 um 14:27:
"dass Weihnachten keine Massen an Geschenken braucht, sondern nur einen Baum, ..."
Zur Not tut 's aber auch ein Garderobenständer. 🤭

Ciao, Frank

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 11.12.22 um 14:35:
Ein Besen ist viel hübscher.

 FrankReich meinte dazu am 11.12.22 um 14:36:
P. S.: Apropos Waluliso, ein menschlicher Weihnachtsbaum wäre natürlich auch noch eine Alternative, der müsste anschließend nicht einmal entsorgt oder wieder verpackt, sondern allerhöchstens abgeschminkt werden. 👋😉
Taina (39)
(11.12.22, 13:30)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 14:55:
das schlechte Gewissen, sich zu wenig sozial engagiert zu haben, muss nicht bedeuten, dass man anderen Vorschriften macht.
Taina (39) meinte dazu am 11.12.22 um 15:54:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 16:34:
Taina, ich habe kein Verhalten angeprangert, nur Tatsachen festgestellt. Dennoch spielt das Einkaufen von Geschenken in den Massenmedien eine größere Rolle als die Weihnachtsbotschaft.
Ein schlechtes Gewissen besteht gerade darin, dass man etwas verdrängt, was man nicht konkretisieren will.
Taina (39) meinte dazu am 11.12.22 um 17:18:
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 Graeculus (11.12.22, 14:44)
Das Bedürfnis nach - oft sehr aufwendig gefeierten - Festen, die sich vom harten und bedtrüblichen Alltag abheben, ist anscheinend (bis hin zum Kitsch) eine anthropologische Konstante. Was nicht heißt, daß jeder Einzelne sowas liebt, wohl aber jede Kultur.

Absonderliche Annahmen wie die, daß der allmächtige Gott als in die Windeln scheißender Säugling geboren worden ist, sind hingegen global weit weniger verbreitet und offenbar heute auch immer weniger populär.

Soll sagen: Hinter dem religiösen Weihnachtsmythos steht ein anderes, älteres und universelleres Phänomen. Dies kann man ablehnen und wird es als Christ auch tun, aber abschaffen kann man es wohl kaum. Zumal es sich, wie Du schreibst, bestens mit den Interessen des Marktes verträgt: das Feiern von Festen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 15:02:
Merci, Graeculus, ich verstehe gut, was du meinst. Kannst du bitte ein oder zwei Beispiele für vergleichbare Feste in anderen Kulturen geben?

 Graeculus meinte dazu am 11.12.22 um 15:16:
Die Feste in Judentum und Islam erspare ich mir - die kennst Du ja selber.
Die großen und die kleinen Dionysien in Athen (sehr aufwendig, viel Theater), die Saturnalien in Rom (entlastend für die Sklaven); hübsch die Feste bei den extrem ökologischen Bishnoi in Indien, bei denen sogar Opium konsumiert wird. Bei den Neandertalern gab es, wie man seit kurzem weiß, rituellen Kannibalismus.
Immer sind irgendwelche Mythen damit verbunden, die sehr verschieden ausfallen; gemeinsam ist: das Feiern.

 Graeculus meinte dazu am 11.12.22 um 15:18:
Die Fest zu Kalis und Shivas Ehren im Mainstream-Hinduismus.
Keine Religion, kein Mythos ohne Feste!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 16:41:
Gracias, Graeculus, wenn ich deine kenntnisreichen Kommentare lese, denke ich, dass Sokrates auch hätte sagen können: Ich weiß, dass Andere mehr wissen. - Ich fühle mich immer bereichert.

 Graeculus meinte dazu am 11.12.22 um 17:00:
Du meinst, ich hätte Sokrates beschämt? Ein ironischer Gedanke, da ich doch auf seinen Schultern sitze. Allein dieser Impetus, nichts einfach zu glauben, sondern alles zu prüfen - wem verdanken wir den? (Aber das hat jetzt nichts mehr mit Weihnachten zu tun.)

Last not least: sein letztes Wort, das des Sokrates, soll auch meines sein, und zwar sowohl das, was Platon, als auch das, was Teles überliefert hat:

„Kriton, wir schulden dem Asklepios  einen Hahn. Opfert ihm den und versäumt es nicht.“ („Ὦ Κρίτων“, ἔφη, „τῷ Ἀσκληπιῷ ὀφείλομεν ἀλεκτρυόνα. ἀλλὰ ἀπόδοτε καὶ μὴ ἀμελήσητε.“) [so Platon]

Ohne sein Gesicht oder seine Farbe zu verändern, nahm er in größter Heiterkeit und Gelassenheit (μάλα ἱλαρῶς τε καὶ εὐκόλως) den Becher und trank ihn aus; zuletzt schleuderte er noch einige Tropfen auf die Erde und sagte dabei: „Das ist für den schönen Alkibiades (Ἀλκιβιάδῃ τῷ καλῷ).“ [so Teles]

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 17:07:
Das lese ich natürlich nicht zum ersten Mal. Aber meine Bewunderung dieser letzten Worte lässt nie nach.

 Dieter_Rotmund (11.12.22, 15:26)
Ich glaube, die hast den aktuellen Weihnachts-Werbespot von Kaufland noch nicht gesehen ...
Die Nachrichten sind sicherlich nicht an dem von dir festgestellten Werteverfall schuld, sie dokumentieren nur denselben!
Gehe ich recht in der Annahme, dass du mehr von den kitschigen Weihnachtsfilmen sehen willst, die derzeit im Fernsehen rauf und runter laufen?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 16:54:
So unschuldig sind die weit verbreiteten Nachrichten auch nicht, mein Lieber. Der Prozess läuft dialektisch. Die Nachrichten spiegeln den Kommerz nicht nur, sie heizen ihn an.
Auf die kitschigen Weihnachtsfilme kann ich verzichten. Aber ich verurteile das Bedürfnis danach bei Anderen nicht, weil ich glaube, dass das Bedürfnis nach Kitsch eine menschliche Grundkonstante ist, die Bildungsbeflissene besser zu kaschieren wissen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 12.12.22 um 11:46:
Die Nachrichten als böse Handlanger des Kommerzes? Nun, auch ich lese solche "Nachrichten", die diese Bez. kaum verdienen. Wenn du seriöse Nachrichten lesen/sehen willst, musst du seriöse Kanäle nutzen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.22 um 14:09:
Das hat nichts mit gut oder böse zu tun. es ist eine wertneutrale Feststellung, dass die permanenten Meldungen über die Umsätze im Weihnachtsgeschäft dieses ankurbeln.
Du kannst sie heute zum Beispiel wieder auf ntv finden.

 AlmaMarieSchneider (11.12.22, 15:26)
Fast alle Feste wurden vom Kommerz vereinnahmt, weil sie für einige Branchen Haupteinnahme-Quellen geworden sind. Diese Einnahmen werden natürlich immer mehr ausgebaut.
Ich habe nichts gegen den Kommerz. Er ernährt viele Menschen und die geschmückten Geschäfte und Straßen finde sehr schön. 
Weihnachtsbäume aus der Natur finde ich nicht zeitgemäß. Jeder Baum bereichert unsere Erde, da muss dieser Frevel nicht sein.
Der Geschenke-Wahnsinn ist Wahnsinn und ohne Sinn. 
Er beruhigt halt doch oft das schlechte Gewissen über das Jahr für die Kinder zu wenig Zeit gehabt zu haben.
Überdruss - eher nein, denke ich mal.

Liebe Adventsgrüße
Alma Marie

 Graeculus meinte dazu am 11.12.22 um 17:08:
Nicht daß ich einen Weihnachtsbaum hätte, aber mit diesen steht es in etwa so wie mit den Schlachttieren: Könnten sie ohne den Konsum in Ruhe und Frieden leben? Nein, ohne den Konsum gäbe es sie gar nicht. Ich nehme jedenfalls auch für die Weihnachtsbäume stark an, was man für Schweine & Co. ganz sicher sagen kann: Sie existieren, weil sie verkauft werden sollen. Die Marktkalkulation beginnt ja nicht erst beim fertigen Produkt. Wer macht sich die Mühe, einen Wald anzulegen und zu hegen, wenn dabei kein verkaufbares Produkt herauskommt?
Eine 'natürliche Natur' sähe völlig anders aus, bei Bäumen ebenso wie bei Tieren.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 17:15:
Ein weiser Kommentar, liebe Alma Marie, den ich ohne Zögern unterschreiben kann. Merci.
Ich vermute, dass wir in puncto Überfluss auch einig sind. Ich meinte es so, dass man ein paar Tage keine Probleme haben will.

Liebe Adventsgrüße zurück
Ekki

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 11.12.22 um 17:38:
@Graeculus

Muss denn dieser "übermäßige" Konsum sein?. Ich bin keine Vegetarierin , aber ich esse nur Fleisch in Maßen, der Weihnachtsbaum wird zwar auch für den Konsum angebaut, nur ist er für uns Menschen lebenswichtig? Nein!
Ich bin für ein Umdenken was den Konsum betrifft und zwar in jeder Hinsicht. Nichts gegen eine Freude gönnen, doch das Übermaß ist unmäßig.
Taina (39) meinte dazu am 11.12.22 um 19:43:
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 11.12.22 um 20:22:
Nein liebe Taina. Nur das Übermäßige!
Hersteller bauen in Maschinen sogenannte "Sollbruchstellen" ein. Das heißt eine Schadsoftware begrenzt z.B.: die Lebensdauer von Telefonen oder Fernsehern usw. Ständige Erneuerungen machen gut gehende Geräte unbrauchbar. Der Elektronikschrott wird so unglaublich vervielfältigt. Unnötig! Die Kleiderindustrie, auch so eine Branche.
Da ist das was man sich mal selbst gönnt ist dagegen eine Kleinigkeit.

Antwort geändert am 11.12.2022 um 20:23 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 12.12.22 um 00:07:
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 12.12.22 um 00:18:
Diese Weihnachts-Baumkulturen nehmen großen Bäumen den Raum weg und sind Monokulturen. Also toll sind sie nicht und für die Bevölkerung oft nicht zugänglich. Ein schöner Wald bringt da mehr.

Der Plastikbaum ist wenigstens mehrfach verwendbar aber na ja....
Taina (39) meinte dazu am 12.12.22 um 14:16:
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 TrekanBelluvitsh (11.12.22, 16:04)
Es gibt da zwei Ebenen. Die erste ist die persönliche Ebene. Ja, es gibt z.B. seit Ende August Weihnachtsgebäck zu kaufen. Aber was hindert die Menschen daran, das NICHT zu kaufen? Andererseits: Wenn man das Gebäck mag, dann sollte man auch so ehrlich sein und (wenigstens sich selbst gegenüber) zugeben, dass man sich freut, dass man es schon eher bekommt und essen kann.

Gleiches trifft auf den sogenannten "Geschenketerror" zu. Denn eines bitte nicht vergessen: Weihnachten am Ende des Jahres sollte einen nicht überraschen! Man kann sich hektisch in die Geschenkesuche stürzen. Oder das ganze Jahr über die Augen offen halten. Denn wenn man die Menschen, die man zu Weihnachten beschenkt, mag, sollte es nicht so schwer sein, auch in der restlichen Zeit das Jahres an sie zu denken. Wenn man im Juni etwas entdeckt, dass zu XYZ passt, kann man es auch 6 Monate in den Schrank legen. Es scheint hier meiner Ansicht nach nicht der "Geschenketerror" das Problem zu sein, sondern eher das "Immer-alles-auf-den-letzten-Drücker-machen"-Phänomen. Das die Wirtschaft das ausnützt, kann man kritisieren. Muss man aber nicht.



Die zweite ist die gesellschaftliche Ebene. Und da gilt für den Westen: "Frieden haben wir doch." Er scheint uns ganz selbstverständlich zu sein. Und dabei meint Frieden für uns ja nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch Gerechtigkeit, persönliche Freiheit, Sicherheit, Zugang zu medizinischer Versorgung, kulturelle Freiheit. Und trotz aller gegenteiligen Behauptungen haben wir das seit 70 Jahren (wenn auch nicht in perfekter Form). Es gibt also bereits zwei Generationen, die nichts anderes kennen, sozusagen frei Haus geliefert bekommen.

Die Frage ist aber doch, woher all das kommt? Für Deutschland lässt sich das sehr einfach beantworten: NICHT AUS DEUTSCHLAND! All das haben wir den alliierten Staaten und Soldaten zu verdanken, die - größtenteils - aus sich heraus den Kampf gegen ein zerstörerisches und expansives Deutschland aufgenommen haben. Anerkannt haben wir Deutschen das nie. 1945 wir d bis heute in Deutschland nicht als Befreiung wahrgenommen. Stattdessen herrschte und herrscht das Gefühl vor, sich als Opfer zu sehen. erinnert sei hier nur an die als Siegerjustiz öffentlich diskreditierten Kriegsverbrecherprozesse. Und im Osten Deutschlands wurde gar ein ganzer Staat um den Opfermythos aufgebaut! (Die sozialpsychologischen Folgen davon wirken bis heute nach.)

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Menschen das, was nach Kriegsende kam - eben Gerechtigkeit, persönliche Freiheit, Sicherheit, Zugang zu medizinischer Versorgung, kulturelle Freiheit - mit Freuden annahmen und genossen. So als habe es sie immer gegeben. Schlimmer noch: Ursache und Wirkung werden vertauscht. Man sieht die friedliche Zivilgesellschaft als etwas, dass gegen den Krieg allein durch ihre Existenz arbeitet. Was Unfug ist! Zu keiner Zeit und in keinem teil der Welt hat "Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin" jemals funktioniert.

Dabei ist es doch zweifelhaft, ob das in Deutschland wirklich im Mittelpunkt steht. Niemand spricht im Zusammenhang mit den 1950er und 1960er Jahren vom deutschen Friedenswunder oder vom deutschen Gerechtigkeitswunder. Nein, es ist das Wirtschaftswunder. Wenn das aber im Mittelpunkt steht, warum sollte das an Weihnachten denn anders sein?

Ein Wirkliche Beschäftigung mit Frieden würde von uns verlangen uns ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Was ist Frieden? woher kommt Frieden? Wie kann man Frieden erhalten? Wie kann man Frieden erzeugen? Darf man Frieden erzwingen? Ist es dann überhaupt noch Frieden? Darf der Frieden meiner Nachbarn mich etwas kosten? Ist Frieden wichtiger als Wohlstand? (Spoiler: Diktaturen wie Russland und China sagen: Nein.)

Wenn wir uns damit beschäftigen, wird es jedoch sehr schnell konkret. Und da wollen wir zu Weihnachten NICHT. Wir wollen allgemeine Aussagen, Aussagen die niemandem wehtun. In diesem Sinne: Der Frieden sei mit euch. :devil: 



P.S.: Familienstreit zu Weihnachten? Äh, ja, je mehr Menschen aufeinandertreffen, desto eher gibt es Streit. Hat nix mit Weihnachten zu tun. Na, nicht ganz. Wenn Tante Erna rechtzeitig gekommen wäre und wir nicht auf sie hätten warten müssen, wäre uns das dumme Gelaber von Onkel Fred erspart geblieben...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 17:44:
Ich bin beeindruckt, Trekan. Würde doch so ein Kommentar am Heiligen Abend von den Kanzeln gepredigt.
Ganz besonders gefallen mir deine Gedanken über den Frieden, der immer wieder durch Engagement erarbeitet und erhalten werden muss,
Wir stimmen auch darin überein, dass uns die alliierten Soldaten Befreiung gebracht haben.  Über den American way of life und über plutokratische democracy könnte man freilich streiten, aber das würde den Rahmen dieses Strings sprengen.
Vielen Dank
Ekki
Taina (39) meinte dazu am 12.12.22 um 14:18:
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 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 12.12.22 um 14:44:
Natürlich gab es immer einzelne Personen oder Gruppen, die das so sahen. Das war aber nicht der gesellschaftliche Konsens. Das sieht man deutlich am Umgang der Deutschen mit ihren Mitbürgern, die sich für die alliierte Sache entschieden. Sie wurden nach dem Krieg als Verräter betrachtet. Das bekannteste Beispiel hierfür ist Marlene Dietrich.

Und darum war es auch kein Zufall das die meisten der vor dem Nationalsozialismus Geflüchteten NICHT nach Deutschlandzurückkehrten, siehe Albert Einstein oder Werner Klemperer als Beispiel.
Taina (39) meinte dazu am 12.12.22 um 16:40:
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 GastIltis (11.12.22, 16:08)
Lieber Ekki,
Weihnachten ist, ähnlich wie der Jahreswechsel, abgesehen von der furchtbaren Knallerei, zu der wir uns noch nie hinreißen lassen haben, im Jahresverlauf schon etwas Besonderes. Natürlich steht im Mittelpunkt die Familie. Und der häusliche Frieden sowie die Interessen, die man gemeinsam wahrnehmen kann. Natürlich leben wir als Atheisten nicht losgelöst vom kulturellen Erbe unseres Volkes. Früher gehörte der Weihnachtsbaum mit echten Kerzen schon zum Fest dazu. Später wurden es dann elektrische und inzwische hat sich so ziemlich alles geändert. Wir sind über Weihnachten auf der Insel Usedom und genießen es, die Tage dort in schöner Umgebung, in Ruhe und mit sparsamem Schmuck zu erleben, zu sehen, wie phantasievoll andere ihre Häuser gestalten, wie echte und falsche Weihnachtsmänner um die Ecken huschen und wie freudvoll die Augen blitzen, wenn wir die Kleinigkeiten auspacken, zu deren Wertumfang wir uns geeinigt haben. Leider ist es doch eben so, dass nicht alle Familienmitglieder daran teilhaben können, weil z.T. die Verhältnisse es einfach nicht zulassen. Aber irgedwie finden wir doch Möglichkeiten und Wege, um auch die Enkel, die einem natürlich ans Herz gewachsen sind, begrüßen und einbeziehen zu können.
Weihnachten ist nicht das große Fest des Schenkens schlechthin, sondern das Fest der Einheit von Familie, der Verbindung zu lieben Freunden und Verwandten und der Aufrechterhaltung von positiven Beziehungen. Geld ist nicht alles auf dieser Welt. Zumal, wenn man es nicht so üppig hat. Zufriedenheit, Gesundheit und Zuversicht, die man aus dem Zusammenhalt und Zusammensein schöpft, sind viel viel mehr. Die, denen es zu gut geht, sollten innehalten, um an die zu denken, die vielleicht Hilfe brauchen. Oder Zuspruch. Denn der ist nicht im Überfluss vorhanden.
Sei herzlich gegrüßt von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 18:00:
Grazie, Gil, ich habe mit meiner Ansprache insofern Glück gehabt, als sie beherzigenswerte Kommentare ausgelöst hat.
So liebevoll wie du euer familiäres Weihnachten auf Usedom beschreibst, können dir bestimmt sehr viele folgen.
Herzliche Grüße
Ekki

 AZU20 (11.12.22, 16:08)
Die Frage würde ich mit ja beanworten LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 18:06:
Danke, Armin, wenn es so ist, wie ich ja auch vermute, müsste man sich dessen nicht schämen.

LG
Ekki

 harzgebirgler (11.12.22, 17:50)
hallo ekki,

der klang der glocken und der weihnachtslieder
erbaut die herzen dennoch immer wieder.

lg zum 3. advent
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 18:12:
Gracias Henning, wenn ich mir bei Spotify Mahalia Jackson mit "Silent night" anhöre, vergesse auch ich meine kritischen Gedanken, eine Zeitlang jedenfalls.

Auch dir liebe Grüße zum 3. Advent
Ekki

 uwesch (11.12.22, 18:45)
Wir leben inzwischen in einer Konsumgesellschaft, in der nur noch Umsatz zählt. "Lebensqualität" wird fast ausschließlich daran gemessen - ein ziemlich absurd-einfaches Unterfangen, das an vielen gesellschaftlichen Problemen vorbeigeht.
LG Uwe

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 20:15:
Merci, Uwe, das sehe ich auch so.

LG
Ekki
Verlo (65)
(11.12.22, 19:06)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 20:17:
Das klingt deprimiert, Verlo. Hoffentlich täusche ich mich.
LG
Ekki
Verlo (65) meinte dazu am 11.12.22 um 21:53:
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 AngelWings (11.12.22, 19:57)
Für Kinder ja! 
Es reicht doch wenn,die Familie die zusammen kommt. 

Seit es mit Bro und meine Kater war ist,Feier schon Sache.

Kommentar geändert am 11.12.2022 um 20:02 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.12.22 um 20:20:
Auch aus dem Bekanntenkreis höre ich, dass der Austausch von Geschenken zurückgeht.

 AngelWings meinte dazu am 11.12.22 um 20:38:
Wie gesagt bekommt bloß Oscar was. Und bekannt, und Familie weiß das wie nicht schenken.

 Regina (12.12.22, 00:17)
Ich glaube nicht, dass die Weihnachtstoleranz einem schlechten Gewissen entspringt, am Überdruss an Problemen schon. Man möchte sich mit dem Thema nicht auch noch beschäftigen, kann sich aber auch wieder nicht so unbefangen dem Feiergetöse hingeben wie zu anderen Zeiten.

Kommentar geändert am 12.12.2022 um 00:19 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.22 um 16:33:
Merci, Regina, ich habe bei diesem Thema keine Übereinstimmung aller Kommentatoren erwartet. Aber sie stimmen wie du doch mindestens einer der von mir erwähnten Ursachen zu.
Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg (12.12.22, 05:58)
Lieber Ekki,
für mich ist die Kombination des übermäßigen Konsums und der Toleranz (Bereitschaft, sich zu vertragen) im hiesigen Kulturkreis erstaunlich.
Da empfinde ich das Gebaren an Jom Kippur, dem höchsten Feiertag im Judentum (Versöhnungsfest), als passender. Traditionell wird jener als strenger Fasten- und Ruhetag(!) begangen. 8-) 

Herzliche Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.22 um 16:45:
Vielen Dank, Piccola,
es dient der Besinnung zu sehen, was andere Religionen machen. Keine Frage, dass Fasten Nachdenklichkeit fördert, Freude wohl weniger.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (12.12.22, 08:16)
Lieber Ekki,
 
ich habe das Gefühl, dass angesichts des Krieges in der Ukraine und dessen wachsender Bedrohung einer atomaren Katastrophe sehr viele Menschen vermehrt für den Wunsch nach Frieden sensibilisiert sind. In Gesprächen mit Familienangehörigen, Freunden und Bekannten nimmt das Thema immer mehr Platz ein, aber nicht nur darüber. Es wird häufiger über die Ängste um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder gesprochen. Auch die Sorge um die hohe Inflation und steigenden Energiekosten sind wiederkehrende wichtige Themen.
 
In Bezug auf den Konsum werden, sollte man den Medien glauben, weniger Geschenke gekauft.  
 
Entscheidend für Weihnachten empfinde ich, dass während der ganzen Feierei der Gedanke an Frieden und an die Menschen, denen es nicht gut geht, nicht verloren geht. Manchmal kann man in seinem Umfeld auch etwas Gutes für jene tun und das nicht nur zu Weihnachten.
 
Für mich ist Heiligabend ein besonderer Tag. Wir feiern seit Jahren als eine große Familie mit Tannenbaum, leckerem Essen, Geschenken und viel Freude und in liebevoller Atmosphäre. Die Liebe wird von uns aber nicht nur zu Weihnachten zelebriert und das ist für uns entscheidend.
 
Insofern glaube ich nicht, dass die Weihnachtstoleranz aus einem schlechten Gewissen entspringt. Es ist m.E. eher der Wunsch nach Besinnlichkeit und Freude.
 
Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.22 um 17:15:
Liebe  Sigi,
du beschreibst euer harmonisches Weihnachtsfest im Familienkreis und dass ihr die Zuwendung zu anderen nicht auf Weihnachten beschränkt. In meiner Familie ist das nicht anders. Aber obwohl ich Optimist bin, glaube ich, dass sich so mancher Weihnachten freikauft, vermute jedoch, dass wachsende materielle Not in diesem Jahr mehr Menschen dazu bringen wird, über den Sinn des Weihnachtsfestes nachzudenken.

Optimistische herzliche Grüße
Ekki
Agnete (66)
(12.12.22, 20:15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.12.22 um 20:55:
"Weihnachtstoleranz? Nee. Einfach mal sich ein paar Tage ausknipsen. mehr nicht."
Merci, Monika. Vielleicht trifft auf dich in diesem Jahr der von mir vermutete Überdruss zu. Deshalb willst du einfach mal ein paar Tage ausknipsen. So wird es einigen gehen. Die Reaktionen auf Weihnachten sind vielfältiger als.ich geglaubt habe.
Ich wünsche dir entspannte Feiertage 
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (13.12.22, 11:42)
Hallo Ekki,
Weihnachten stimmt uns doch alle milder und friedvoller und außerdem sind wir doch alle kleine Buchhalter. Zum Ende des Jahres gehen wir die Liste der Dinge durch, die noch zu erledigen sind und bei der Position Toleranz gibt es bestimmt Möglichkeiten das Wohlbefinden zu steigern
Herzliche Grüße
TT.
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