Die sizilianische Hochzeit

Erzählung zum Thema Biographisches/ Personen

von  AlmaMarieSchneider


Mein größter Wunsch war es einmal in Paris zu leben und nachdem ich mein Abi in der Tasche hatte erfüllte ich mir diesen Wunsch.

Dort erreichte mich die Einladung meiner Schulfreundin Alissia da Pesaro zu ihrer Hochzeit. Sie war in ihre Heimatstadt Palermo zurück gekehrt um einen Mann zu heiraten, den ihre angesehene Familie für sie ausgesucht hatte.

Bis zu ihrem 19 Lebensjahr lebte Alissia bei ihren Eltern in Deutschland, die eine Restaurantkette betrieben und sie war im gleichen Mädchenwohnheim wie ich untergebracht. Dort wurden wir unzertrennliche Freundinnen.

Natürlich freute ich mich über ihre Einladung und für einen Kleiderkauf war Paris die richtige Stadt. Ausstaffiert mit einem sündhaft teurem Kleid im Koffer fuhr ich erst mit dem Zug zurück nach Nürnberg. Von meinen hart erarbeiteten Francs blieb so gut wie nichts übrig.

In meiner kleinen Nürnberger Wohnung lag ein Brief von Alissias Familie. Mama Giulia, eine kleine rundliche Person, die immer irgendwie nach Zimt roch, kümmerte sich wieder mal um alles und legte eine Fahrkarte für einen IC Nachtzug nach Palermo Centrale bei. 22 Stunden sollte ich unterwegs sein und dann vom Fahrer der Familie abgeholt werden.


Im Schlafabteil richtete ich mich sofort häuslich ein und belegte ein unteres Bett. Sollten doch die Anderen nach oben klettern. Wer zuerst kommt mahlt zuerst, hieß es doch immer. In Bologna Centrale stieg ein Fahrgast zu, ein älterer Herr, der nach Rom fuhr und auf seinen Wunsch hin tauschten wir die Betten. Ich nach oben, er jetzt unten. Soviel zu Sprichwörtern.


Endlich fuhr nach zweimaligem Umsteigen der Zug in Palermo Centrale ein und ich wurde schon erwartet. Alissias Familie wohnte in einem sehr großen palastartigem Haus. Der weitläufige Park war wunderschön angelegt. Alissia kam mir freudig und aufgeregt entgegen, nahm mich in den Arm und es war als wären wir nie getrennt gewesen. In ihrer grünen Kleidung erinnerte sie mich stark an einen Grashüpfer.

Ich lachte darüber und sie erzählte mir in einer ruhigen Ecke, dass das Grün die Braut vor der Hochzeit tragen müsse und dass sie bis über beide Ohren verliebt sei.

Na, dann ist ja alles gut“ flüsterte ich ihr zu. „Nein, es ist nicht Vincenzo“, sie zwinkerte mir verschwörerisch zu, er heißt Anthony C. und gehört zu einer angesehenen Familie, mit der man aber verfeindet war. Sie würden sich weiterhin treffen, es darf nur nie jemand erfahren.


Schon in aller Frühe war überall Hektik und Aufregung. Die Feierlichkeit wurde von Alissias Familie ausgerichtet und bezahlt. Wie ich hörte waren an die 500 Gäste geladen, sie kamen aus New York, London, Rom usw. und halb Palermo war ebenfalls zu Gast.

Die Trauung war um 14 Uhr und das hieß Abendkleidung. Mama Giulia zitierte mich zu sich, mein Kleid war sehr passend, aber ohne Schmuck? Nein, das ging nicht. Jeder hatte zu glitzern und zu glänzen.

Ein Friseur flocht mein langes dunkles Haar zu einer kunstvollen Frisur und steckte kleine Schmuckstücke hinein. Die Blumenkinder sausten aufgeregt in ihren cremefarbenen Taftkleidchen herum und warteten darauf, dass ihnen ihre Kränzchen aufs Haar gesetzt wurden. Ein einzelner Junge, um die fünf Jahre war dabei. In seinem Anzug fühlte er sich sichtlich unwohl und eine junge Frau redete beruhigend auf ihn ein.

Im Park drehten sich Spanferkel am Spieß und Lammbraten. 10 Gänge sollte es geben, weniger konnten das Ansehen beschädigen.


Um 14 Uhr versammelten sich alle Gäste vor der Kirche. Nach kurzen Begrüßungen besetzten sie nach und nach ihre Plätze.

Geigen spielen gefühlvoll ein Lied und eine Frau singt dazu. Alissia, in einem prächtigen weißen Kleid, verhüllt von einem Schleier läuft anmutig am Arm ihres Bräutigams in die Kirche, flankiert von den stehenden Gästen. Vorneweg ihre Blumenkinder. Zum ersten mal sah ich jetzt auch ihren Mann, mindestens doppelt so alt mit leichter Glatze. In diesem Moment weinte ich. Von Herzen hätte ich ihr einen dieser feurigen Sizilianer gewünscht. Der Gedanke an ihren schönen Liebhaber tröstete mich etwas.

Nach der Trauung gab es im Park Essen und danach Tanz. Den ersten Tanz hatte das Brautpaar und immer wieder riefen die Gäste „Bacio“. Sie bliesen Luftschlangen auf das tanzende Paar und wickelten es damit liebevoll ein und immer wieder der Ruf „Bacio“.

Eine Hand legte sich plötzlich leicht auf meine Schulter und ich drehte mich um.

Freundlich sahen mich die schönsten dunklen Augen an, etwas warmes und freches

hatte dieses schmale Gesicht an sich. Er verbeugte sich leicht und stellte sich mit Madox vor und ich gehörte der Katz. Madox war Italo -Amerikaner, wir tanzten und tanzten, lachten und tanzten. Gegen Mitternacht verabschiedete ich mich, denn Mama Giulia meinte, ich hätte jetzt genug getrunken und gefeiert. Schließlich war ich ja nicht mal volljährig. Sein Kuss ging mir von den Lippen bis in meine Zehenspitzen und ich hoffte natürlich dass ich ihn beim Frühstück wieder sehen würde. Doch es kam alles ganz anders.


Carabinieri und Polizei bevölkerten den Park. Ich lief in die Küche, ein Mord sei geschehen, teilte man mir mit. Der Tote sei Anthony C. Man hätte ihm die Kehle durchgeschnitten.

Arme Alissia, während sie auf Hochzeitsreise war, hatte man ihren geliebten Anthony umgebracht. Wo war eigentlich Madox?


Gegen Abend ging mein Zug und die Familie verabschiedete sich herzlich von mir.

Vier Jahre später traf ich Alissia wieder, sie besuchte ihre Eltern in Deutschland. Sie war mittlerweile selbst Mama von zwei Kindern, kam gut mit ihrem Mann aus.

Natürlich fragte ich sie ob der Mörder ermittelt wurde. Sie flüsterte: „Nein, man munkelt es sei Madox gewesen, aber Alma, sizilianische Frauen stellen keine Fragen“.



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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(31.03.23, 06:09)
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 31.03.23 um 06:23:
Liebe Taina,

ja, in der Regel sind sie katholisch. Diese Hochzeit war zumindest eine katholische Trauung. Sizilien hat wunderschöne Kirchen.
Danke auch für Deine Empfehlung und Lieblingstext.

Herzlichst
Alma Marie

 uwesch (31.03.23, 07:58)
Das ist ja eine aufregende Geschichte - sowas passt sicher gut zu Palermo. LG Uwe

 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 31.03.23 um 14:48:
Lieber Uwe,

Palermo ist Liebe und Schrecken zugleich.
Danke für Deine Empfehlung und Deinen Kommentar.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Regina (31.03.23, 08:39)
Eigentlich auch gruselig, Alma Marie. Was mich da wundert, dass sie sich mit dem arrangierten Ehemann dann doch recht gut versteht.

 AlmaMarieSchneider schrieb daraufhin am 31.03.23 um 14:45:
Liebe Regina,

wir waren jung und lebensfroh. Er muss eigentlich ein recht guter Ehemann gewesen sein und die Macht der Familien ist dort nicht zu unterschätzen. Trotz möglicher Blutrache hat man den "Unliebsamen" aus dem Weg geräumt.
Man kann dem nachtrauern, was nicht mehr da ist, aber zurück holen ging nicht mehr. 
Danke für Deine Empfehlung und Kommentar
Herzlichst
Alma Marie

 TassoTuwas (31.03.23, 10:14)
Hallo Alma,
spannend erzählt und weckt Erinnerungen.

An einem sonnigen Tag auf einem Bummel durch Catania. Vor einer Kirche ein riesiger Auflauf und alle aufs Allerfeinste herausgeputzt. Wir bleiben stehen. Dann fahren mehrere schwere Limousinen vor und ein Hochzeitspaar entsteigt. 
Wir schlendern weiter, kommen zur zweiten Kirche. Auch hier ein riesiger Auflauf, allerhöchste feierliche Würde. Wir bleiben stehen. Mehrere Schwere Limousinen fahren vor, dann öffnet sich das Portal und ein mächtiger Sarg wird heraus getragen.

Ja, feiern können die Sizilianer!
Herzliche Grüße
TT

 AlmaMarieSchneider äußerte darauf am 31.03.23 um 14:34:
Lieber TassoTuwas,

Du beschreibst es richtig. Feiern können sie. Ob Hochzeit oder Beerdigung, es geht um Ehre und Ansehen.
Catania: Gerne würde ich da mal wieder hin fahren. 

Danke für Deine Erinnerungen und Deine Empfehlung.
Herzlichst
Alma Marie

 Quoth (31.03.23, 11:53)
Dann hat Alissia ja doch wohl noch ihren Vincenzo gekriegt, oder?
Ich hätte die Ich-Erzählerin Madox im Taumel des Tanzes beichten lassen, was sie ihrer Freundin für einen Ehemann gewünscht hätte, und Madox hätte antworten können: "Den kriegt sie ja vielleicht noch!"
Schöne Geschichte mit ahnbar mafiosem Hintergrund. Gruß Quoth

 AlmaMarieSchneider ergänzte dazu am 31.03.23 um 14:28:
Lieber Quoth,

ja, sizilianische Verhältnisse sind schwer zu durchschauen.
Vincenzo war der angetraute ältere Ehemann.
Alissias Geliebter war Anthony C. Den hatte man auf die "Seite" geschafft. Madox ein Mafia-Killer (meiner Meinung nach). Ich hörte nie wieder etwas von ihm. 

Danke herzlich für Deine Empfehlung und Kommentar.

Liebe Grüße
Alma Marie
Taina (39) meinte dazu am 31.03.23 um 17:22:
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 Quoth meinte dazu am 31.03.23 um 22:37:
Dann habe ich die Geschichte völlig missverstanden. Bin zu dumm für sizilianische Verhältnisse. :(

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 01.04.23 um 00:55:
@Taina
Na, Männer haben doch keine Affären, nur Bedürfnisse.  :D


@Quoth
Also Dir nehme ich das wirklich am Wenigsten ab.  :D
Die Lösung war/wäre aber so oder so sizilianisch.

Schönes Wochenende für Euch 

Alma Marie

 AZU20 (31.03.23, 13:49)
Da habe ich wieder etwas Neues gelernt. LG

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 31.03.23 um 14:50:
Lieber AZU20,

man lernt halt nie aus. Das ist das Schöne und Schreckliche am Leben. Irgendwie wird man nie fertig.

Danke für Dein Sternchen und liebe Grüße
Alma Marie
Teolein (70)
(31.03.23, 14:45)
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Muckelchen (70) meinte dazu am 31.03.23 um 17:09:
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 01.04.23 um 03:10:
Lieber Teolein,

ja, aber das wurde mir sehr viel später erst klar. Meine Freundin war mit Sicherheit eine ganz Liebe. Sie starb mit 57 Jahren an Krebs. 
Ich danke Dir herzlich für Deine Empfehlung und Lieblingstext.

Liebe Grüße und schönes Wochenende
Alma Marie

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 01.04.23 um 03:16:
@Muckelchen

Liebe Muckelchen,

mit meiner Freundin war ich bis zu ihrem Tod befreundet. Wir hatten ja nichts mit diesem Umfeld zu tun.
Heute denke ich, dass sehr viele dieser Frauen Einblick haben müssen, sie betreiben ja die Geschäfte ihrer Männer weiter, während diese im Gefängnis sitzen.

Danke für Deine Empfehlung und liebe Grüße
Alma Marie

 Saira (31.03.23, 18:05)
Liebe Alma Marie,
 
deine Erzählung ist in meinen Augen besonders spannend, weil sie autobiografisch ist. Du hast sie flüssig und bildhaft geschrieben.
 
Chapeau!
 
Liebe Grüße
Sigrun

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 01.04.23 um 15:53:
Liebe Sigrun,

eine Freundschaft sieht nicht auf die Familie und die waren alle sehr nett zu mir, besonders Mama Giulia, eine echte herzliche italienische Mama. Die "Machenschaften der Männer" interessieren da wenig. "Quegli uomini" klagte sie immer voller Stolz.
Danke für Deinen Kommentar, Deine Empfehlung und Lieblingstext.
Herzlichst
Alma Marie

 AchterZwerg (31.03.23, 18:28)
Liebe AlmaMarie,

eine sehr unterhaltsame Geschichte!
Habe selbst mal einen waschechten Mafioso kennengelernt: Äußerst charmant und ein sehr guter Schachspieler.
Deshalb kann ich deine  Faszination gut nachempfinden. ;) 

Herzliche Grüße
der8.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 01.04.23 um 15:57:
Lieber AchterZwerg,

mir wurde gesagt, dass ich vorsichtig sein soll mit dem was ich schreibe, die Mafia vergisst nichts.
Ja, charmant können die sein. Danke für Dein Verständnis und auch für Deinen Kommentar und Empfehlung.

Herzliche Grüße
Alma Marie

 EkkehartMittelberg (09.05.23, 20:27)
Liebe Alma Marie,
ich glaube beurteilen zu können, dass du authentisch geschrieben hast. Ich war zu Gast auf einer vergleichbaren Hochzeit in Kalabrien. Die Atmosphäre und Denke hat meines Erachtens Mario Puzzo in "Der Pate" am besten beschrieben.
Die Frauen wissen natürlich Bescheid. Ihr Schweigen ist Selbstschutz.

Herzlichst
Ekki

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 10.05.23 um 11:39:
Lieber Ekki,

ja und es war eine aufregende Zeit.
Ich habe oft an diese Hochzeit gedacht. Damals war uns jungen Leuten die mögliche Zugehörigkeit zu "einer, dieser" Organisation nicht bewusst.
Natürlich wissen die Frauen Bescheid. Die Camorra (Neapel)wurde jahrelang von einer Frau geführt, nachdem ihr Bruder im Gefängnis saß.

Danke für Deinen Kommentar und Deine Sternchen.

Herzlichst
Alma Marie

 harzgebirgler (26.05.23, 09:11)
die hochzeit in "DER PATE" seh' ich da
vor mir und war gebannt als ich sie sah
gleich zu beginn des films der mich bis heut
begeistert wie ganz sicher viele leut'! :D

lg vom harzer

https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Pate_(Film)

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 26.05.23 um 12:51:
Lieber Harzgebirgler,

hätte ich damals den Film "Der Pate" gekannt, wäre ich vermutlich etwas ängstlicher zu meiner Freundin gefahren. So war es für mich eine große Sache.

Danke auch für Deine Sternchen.

Herzlichst
Alma Marie
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