Mit vierzehn

Prosagedicht

von  Redux

Bin jetzt 59.

Mit 14 hatte ich mein gefährlichstes Jahr.

Nicht weil ich im August

oben auf dem Dachboden

zusammen mit einem Quelle Katalog

den ersten Sex hatte.

Nicht weil ich mit Dietmar,

schon verstorben,

an einem Abend im Juli

eine Literflasche Münsterländer Doppelkorn leerte

( in beachtlichen 20 Minuten)

Nicht weil es auf den Bahngleisen

auf der Strecke Münster-Coesfeld passierte.

Nicht weil ich die Klasse wiederholte.

Keine Freundin hatte

und die Möglichkeit dazu weit wie Swaziland entfernt lag.

Nicht weil Papa Quartalstrinker wurde.

Oma dement.

Mama überfordert.

Die Plastikindianer uninteressant wurden.

Gisbert und ich beim Klauen im Supermarkt erwischt wurden.

Papa daraufhin mit der Erziehungsanstalt drohte.

Ich mit dem Rauchen begann.

Eine unmögliche Eisenherz-Frisur trug.

Beine und Arme nicht mehr zum Restlichen passten.

Pickel über Pickel mein Gesicht übersäten

und überhaupt dass ich in jede erdenkliche

Pubertätspfütze wie ein Trottel hineintitschte.

Scheißklamotten trug weil kein Geld da war.

Gelegentlich von einem Unterklässler verprügelt wurde.

Es war vielleicht noch nicht einmal gefährlich.

Denn ich schrieb mein erstes Gedicht.

Mittlerweile ein Klassiker.

Es war alles nicht gefährlich.

Nur Kacke.

Und ich wollte keine 59 werden.

Das schlug auch fehl.

 



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Kommentare zu diesem Text


 Oops (01.07.23, 00:23)
Ohje😶, was für ein Jahr und so ausführlich geschildert. Ich hoffe mit 15 und dem ersten Gedicht wurde dann alles besser.

LG Oops

 Redux meinte dazu am 01.07.23 um 16:25:
Na klar, irgendwann wurde es natürlich wieder besser, um dann wieder schlecht zu werden und danach wieder gut...so ist das Leben wohl....danke, oops

 Oops antwortete darauf am 01.07.23 um 19:07:
Gestern sind mir die eher traurigen Facetten Deines Textes nahe gegangen. Heute noch mal gelesen und ich kann auch über die Zeilen dazwischen lächeln. Du hast recht, so ist das Leben nunmal. Hätten wir keine Aufgaben zu bewältigen würden wir nur so dahinplätschern und nicht wachsen. Und du bist mächtig gewachsen , oder??? LG Oops

Antwort geändert am 01.07.2023 um 19:07 Uhr

 Redux schrieb daraufhin am 01.07.23 um 19:27:
Aber wachsen wir nicht alle mit unserer Geschichte, je länger sie wird?
Jeder hat seine Hürden und überspringt sie und wird dadurch geprägt und geformt.
Und ist es nicht wunderbar, dass jeder seine eigene Geschichte hat, die es kein zweites Mal gibt?
Danke für die Rückmeldung, Oops

 Saira (01.07.23, 08:21)
Moin Redux,
 
der erste Sex mit einem Quelle-Katalog …  oh Mann :dizzy: Das sind ja Tragödien, die sich in nur einem Jahr abgespielt haben. 
 
Danke für diesen Morgenkracher
 
Liebe Grüße
Sigrun

 Redux äußerte darauf am 01.07.23 um 16:26:
Tragödien, wie sie nur Pubertierende erleben...wer kennt das nicht?
Danke, Sigrun

 Mondscheinsonate (01.07.23, 08:30)
Cool verdichtet!

 Redux ergänzte dazu am 01.07.23 um 16:26:
Vielen Dank, Frau Sonate....freut mich.

 Quoth meinte dazu am 25.07.23 um 21:22:
So gut erfunden, dass er authentisch wirkt ...

 Quoth meinte dazu am 25.07.23 um 21:22:
So gut erfunden, dass er authentisch wirkt ...

 Redux meinte dazu am 06.08.23 um 00:39:
Nichts, wirklich nichts erfunden...

 Janna (01.07.23, 08:36)
Ja, mit vierzehn. Da kommen auch bei mir jetzt viele Erinnerungen hoch. Etwa in die Zeit fällt auch mein erstes Gedicht, das war eine Betrachtung der damaligen Mitschüler in Reimform. Und alle haben gelacht, keiner hat das fehlende Metrum beanstandet. 
Alles, was passiert ist, macht uns zu dem, was wir heute sind. Das kann Kacke sein, muss aber nicht.  8-)  8-)

Liebe Grüße

Janna

Kommentar geändert am 01.07.2023 um 08:37 Uhr

 Redux meinte dazu am 01.07.23 um 16:27:
Dein letzter Satz hat philosophischen Charakter und ist fürchterlich wahr.
Danke, Janna
Teolein (70)
(01.07.23, 08:43)
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 Redux meinte dazu am 01.07.23 um 16:28:
Soll man mit 59 noch ein schlechtes Gewissen haben?
Du weißt es selber: wir hatten doch nichts! Grins
Lena (60)
(01.07.23, 09:04)
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 Redux meinte dazu am 01.07.23 um 16:29:
Danke, Lena. Das war auch igrndwie mein Ansinnen: schmunzelnde Leser und nachdenklich erinnernde Leser.
Agnete (66)
(01.07.23, 11:37)
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 TassoTuwas meinte dazu am 01.07.23 um 14:32:
Mit vierzehn wollte ich eigentlich tot sein, aber irgend etwas kam dazwischen!

LG TT

 Redux meinte dazu am 01.07.23 um 16:31:
@ Agnete: ...es wird besser, ja, zumindest gewisse Einstallungen zu gewissen Dingen.
Altersmilde? In etwa

@ TT: Ja, so in etwa war es bei mir auch....smile

 Judas (01.07.23, 18:11)
Hammer Text, sehr cool. Wirklich. Weiß gar nicht, was ich so richtig dazu sagen soll. Lob, Lob!

 Redux meinte dazu am 01.07.23 um 18:42:
Vielen lieben Dank, Frau Judas.
Du hast doch alles gesagt...danke dafür

 EkkehartMittelberg (01.07.23, 20:55)
Hallo Redux,

wer mit vierzehn nichts riskiert, aus dem wird ein Biedermann. Ein Biedermann wird nie schreiben können.

LG
Ekki

 Redux meinte dazu am 02.07.23 um 12:52:
Vielen Dank Ekki, nach dem Besäufnis mit Freund Dietmar sagte meine Mutter, da werden "die Leute" sich immer wieder das Maul drüber zerreißen, aber später werden sie dann auch sagen, " aus dem ist ja doch was geworden".
Das war mir damals ein Trost.

 Maroon (02.07.23, 09:22)
Deine verdichteten Erinnerungen gefallen mir sehr gut. Schöne Spannungskurve bis zum Schluss :)

lg
Maroon

 Redux meinte dazu am 02.07.23 um 12:52:
Hallo Maroon, das freut mich, dass es dich angesprochen hat. Vielen Dank

 RainerMScholz (14.07.23, 23:45)
Keine Ahnung, hab´ mit 12 schon Kamel geraucht; aber Quelle-Katalog? Ich hatte die Wäscheabteilung vom Neckermann, und die dritte Seite der "Büld", büld dir ein Zült in der Buchs´.
Scheint so ein Jungensding zu sein. Schlimm.
Schlimm, schlimm.
Ab in den Beichtstuhl: Ich hab´ gelogen, ich hab´ gestohlen, ich hab´ die Katz´ am Schwanz gezogen.
Grüße,
R.

Kommentar geändert am 14.07.2023 um 23:45 Uhr

Kommentar geändert am 14.07.2023 um 23:48 Uhr
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