Der Mann mit dem Pitbull

Erzählung zum Thema Begegnung

von  uwesch

Dieser Text ist Teil der Serie  BEGEGNUNGEN (Erzählungen, Short Stories)

Die Frau hat endlich ihren reservierten Platz in einem Abteil des voll besetzten Zuges gefunden. Ängstlich schaut sie auf einen großen Hund hinab, der zu Füßen eines kräftig ausschauenden Mannes liegt und setzt sich vorsichtig schräg gegenüber, neben ihm und direkt vor sich sitzt eine in sich zusammengesunkene Frau.

Der Zug fährt gemäßigt schnell am Rheinufer entlang. Die ausgeleierten Schienen lassen an dieser Stelle kein höheres Tempo zu. Auf der einen Seite tummeln sich Menschen in Biergärten und genießen Gegrilltes und das schöne Sommerwetter an durch hohe Linden beschatteten Tischen. Auf der anderen Seite glänzt der Fluss im grellen Licht der Sonne. Manchmal unterbricht ein Tunnel die Blicke.
Sie starrt ständig zum Hund hinab.
„Ich habe ihn vor einem Jahr in einem Dorf in der Nähe von Köln gekauft“, sagt plötzlich der Mann in gutem Deutsch mit ausländischem Akzent, „der Züchter wollte ihn mir zunächst nicht verkaufen, weil ich Russe bin, aber ich konnte ihn überreden, weil ich ihm einen 50% höheren Preis bot und mich verpflichtete ihn zu trainieren. Es ist ein Pitbull. Der muss in der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen. Das ist in Deutschland Vorschrift. Aber keine Angst, der tut nichts“.
Die Frau im Abteil sagt:

„Das behaupten doch alle Hundebesitzer“.

Sie lässt das Tier nicht aus den Augen. Im Zug ist es sehr heiß. Die Klimaanlage funktioniert nicht. Der Mann zieht das Sonnenschutzrollo herunter und man kann den Fluss nicht mehr sehen. Auf der anderen Seite huschen jetzt Weinberge und staubige Bäume an einer Landstraße vorbei. Der Zug nähert sich langsam Karlsruhe. In einer dreiviertel Stunde wird er laut Ansage mit etwa 25 Minuten Verspätung dort eintreffen. Ihr Anschlusszug wird sicher nicht mehr zu erreichen sein.
Der Pitbull wird immer unruhiger. Seine Zunge hängt zwischen den Lefzen lang heraus, um sich abzukühlen. Er hat Durst. Die Frau starrt immer nervöser auf den Hund. Der Russe nimmt jetzt den Maulkorb ab und gibt Wasser aus einer Plastikflasche in eine mitgebrachte Blechschale. Das Tier schlappert gierig das Nass und wird ruhiger. Doch die Frau traut dem Frieden noch nicht so recht und verhaltene Angst bleibt in ihren Augen stehen. Sie fragt:

„Ist das auch wirklich ein friedliches Tier? Können Sie nicht den Maulkorb wieder anlegen?“
„Ja, aber er gehorcht mir auf das Wort. Wir kommen gerade vom zweiten Hundetraining“, sagt der Russe, „der ist ganz friedlich“.

In aller Seelenruhe schnallt er den Maulkorb wieder um die Schnauze. Der Pitbull lässt sich das problemlos gefallen.

„Es ist zwar ein Kampfhund, aber er kämpft nur, wenn ich es ihm befehle“.
„Wozu brauchen sie denn einen Kampfhund?“
„Ach, wissen Sie, die Deutschen lieben uns Russen hier nicht so sehr. Ich, nein wir beide – er schaut kurz zu der Frau, die neben ihm sitzt – wohnen in einem Dorf, wo sich ein paar Neonazis herumtreiben“.
„Ach so“, nickt die Frau, „aber ich habe Angst vor Hunden. Ich bin mal als Kind gebissen worden und das war schrecklich“.
„Der Hund war wohl nicht richtig erzogen“, meint der Russe.

Da beide ihr gegenüber die gleichen Ringe – offensichtlich Eheringe - am Finger tragen, handelt es sich vermutlich um seine Ehefrau.
„Ist ihre Frau auch Russin?“ fragt sie, um auf ein anderes Thema zu kommen.
„Nein“, antwortet diese Frau, die sich bisher ganz still verhalten hat.

 „Ich dachte, Sie seien auch Russin“.
„Oh nein, wir haben geheiratet, weil wir uns in der Türkei in einem Urlaub getroffen und lieben gelernt haben“, sagt die Ehefrau und verfällt dann wieder in ihr Schweigen.
Die redselige Frau spricht weiter:

„Ich bin so froh, dass Sie Deutsche sind. Deutsche geben so zuverlässige Ehefrauen ab. Meine Tochter hat einen nach Deutschland emigrierten Polen geheiratet. Sie waren wahnsinnig ineinander verliebt“.
Wieder schwieg sie eine Weile.
„Das hat aber nur sechs Monate gehalten, weil er bei der Arbeit eine Andere kennengelernt hat“.
„Hat sie´s verwunden?“, unterbricht die Ehefrau den Monolog.
„Ich glaube nicht. Sie ist zu mir gezogen und schläft kaum noch. Sie arbeitet nicht, raucht wie ein Schlot, isst fast nichts und wird immer magerer“.
„Schlimm“, seufzt die Frau des Pitbull-Besitzers.
„Ich habe mir die größte Mühe gegeben, aber sie ist unerreichbar und zu nichts mehr zu gebrauchen“.
„Schenken Sie ihr einen Hund. Dann hat ihre Tochter eine Aufgabe und muss Verantwortung übernehmen. Es muss ja kein Pitbull sein“, mischt sich der Mann wieder ein.
Die Mutter schweigt.
Nach einer Weile sagt sie:

„Eine Freundin hat mir mal gesagt, dass kein Ausländer eine Deutsche glücklich machen kann“.
„Nein“, erhebt die Ehefrau ihre Stimme, „mein Boris ist der Idealtyp für mich. Er hat Temperament, wenn es angebracht ist, und kann mich immer beschützen“.

Der Zug läuft in Karlsruhe ein. Das Ehepaar steht auf, verabschiedet sich mit einem `Viel Glück für Ihre Tochter` und geht Hand in Hand, den Pitbull an der Leine, zur Wagentür. Die Frau eilt zur anderen Seite des Wagens, um dem Hund endlich zu entkommen. Sie wirft draußen auf dem Bahnsteig den Mitfahrern einen letzten Blick hinterher, bis sie in der Menschenmenge verschwunden sind. Sie schaut auf die Anzeigetafel für Abfahrzeiten und liest, dass ein letzter Zug nach Freiburg noch heute, aber erst in 95 Minuten vom Bahnsteig 5 abfahren soll. Sie kauft sich beruhigt ein Baguette und einen Kaffee und setzt sich in den Wartesaal. Nach einer Hotelnacht in Freiburg kann sie am nächsten Morgen ihren Scheidungstermin wahrnehmen, denn sie lebt seit einem guten Jahr getrennt von ihrem deutschen Mann, der sich vor zwei Jahren in eine Französin verliebt hat.



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Kommentare zu diesem Text


 franky (28.09.23, 08:31)
Hi lieber Uwe 

Eine gelungene Pointe;-) 

Grüße von Franky

 uwesch meinte dazu am 28.09.23 um 10:10:
Danke Dir lieber franky für Kommi und die Lorbeeren und einen schönen Tag Dir :)  LG Uwe

 harzgebirgler (28.09.23, 10:57)
wer quasseln kann wie die
hat kaum anorexie. :D lg vom harzer

 uwesch antwortete darauf am 28.09.23 um 12:21:
so kann sie gut leben
ohne körperbeben 

Dank für Deine Belobigungen und einen schönen Tag noch mit vielen kreativen Ideen. LG Uwe

 ginTon (28.09.23, 18:09)
also dein Text strotzt vor inhaltlichen Fehlern, der Pitbull ist eigentlich ein Familienhund, weil er vom Wesen her eher gutmütig ist. es ist ja eine Mischung aus Bulldogge und Terrier. Studien belegen, z.B. der Uni Kiel, dass diesen Hunden keine rassespezifische Aggressivität zugeordnet werden kann. selbst die Tierschutzorganisation ASPCA klassifiziert die Hunderasse als Familienhund. es ist somit ein großer Unterschied, von wem der Hund letztendlich großgezogen wird. des Weiteren ist Maulkorb- und Leinenpflicht regional unterschiedlich und somit Landesgesetz bzw. Stadtverordnung und nicht Bundesgesetz. Aber der Pitbull ist hierzulande eigentlich keine anerkannte Hunderasse, sodass von "seriösen Züchtern" allenfalls der Staffordshire Terrier oder Bullterrier erworben werden kann... nur zur Information: Dogge, Dobermann, Schäferhund und Co. werden in einigen Regionen Deutschlands ebenfalls als Listenhund geführt...

 uwesch schrieb daraufhin am 28.09.23 um 18:58:
Dann schau mal bei wikipedia unter:https://de.wikipedia.org/wiki/American_Pit_Bull_Terrier

Z.B. werden sie oft als Kampfhunde gegeneinander eingesetzt, wozu sie für diesen Zweck erzogen werden. Aber klar, nicht alle konkreten Exemplare dieser Misch-Rasse werden das.


Antwort geändert am 28.09.2023 um 19:01 Uhr

Antwort geändert am 28.09.2023 um 19:35 Uhr

Antwort geändert am 28.09.2023 um 19:40 Uhr

 ginTon äußerte darauf am 29.09.23 um 00:36:
da gebe ich dir Recht Uwesch, die Hundeerziehung hat aber nichts mit dem Charakter beziehungsweise Wesen des Hundes zu tun. bei dem Einsatz als Kampfhund war ja eher dessen Beißkraft, Körperschnelligkeit etc. ausschlaggebend und nicht weil er von Natur aus aggressiv ist. wie gesagt der Pitbull ist mehr Familienhund als viele andere Rassen und dies ist praktisch nachgewiesen. sein schlechter Ruf kam durch diese zwielichtigen Hundekämpfe zustande, aber tendenziell, wenn die  jeweilige Person es möchte, kann jeder Hund irre gemacht werden... regelmäßig an die Kette legen, Blut zum Füttern geben. was meinst du wie die Grenzhunde (waren zumeist Schäferhunde) scharf gemacht haben, umerzogen haben ;)
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