Herbstlaub, Totholz

Expressionistisches Gedicht zum Thema Krieg/Krieger

von  DerHerrSchädel

Von Blut sind weiße Westen rot befleckt,

Verschmutzte Fingerspitzen zitternd tasten,

Die Unschuld suchend, im Serviettenkasten.

Von Leichen sind die Straßen überdeckt,

Gehäuft wie Totholz nach dem Baumentasten.


So liegen sie in Massen kreuz und quer,

Gekrümmt wie Herbstlaub an Novembertagen,

Erschossen, abgestochen, totgeschlagen.

Vermummte mit Macheten und Gewehr,

Ersticken jedes Wimmern und Wehklagen.


An Stricken drehen Tote sich im Kreis,

Wie schwere Fahnen träge zu Paraden

Hoch an Laternen oder Balustraden,

Die Farben wechselnd, hin zu grau und weiß,

Erzittern sie vom Schlag der Kanonaden.


Aus einem Keller dringt ein Schrei heraus,

Versucht mit Aschewolken aufzusteigen,

Bricht plötzlich ab, fällt in ein Loch aus Schweigen,

Soldaten werfen einen Leib hinaus,

Dem Hunde hungrig ihre Zähne zeigen.


Die Raben aber ruhen friedlich satt.

Der Abend legt sich auf die Kriegsroutine,

Im sanften Klang der Glocken, Muezzine

Kühlt ab die kampfesschwüle Leichenstadt

Und irgendwo tritt wer auf eine Mine.


Gemächlich schleppt sich hin der Untergang,

Die Kommandeure, stolz wie Silberrücken,

Verschießen Kugelsalven voll Entzücken,

Sie sagen sich, der Krieg geht nicht mehr lang

Und flüchten hastig vor dem Schwarm der Mücken.






Anmerkung von DerHerrSchädel:

Geschrieben 2017, aber nach wie vor aktuell.

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Kommentare zu diesem Text


 Tula (06.07.24, 01:32)
Hallo Herr Schädel
Erinnert in der Tat an die Dichter des Expressionismus. Die Bilder durch und durch gelungen. 

LG Tula

 DerHerrSchädel meinte dazu am 06.07.24 um 14:17:
Vielen Dank, lieber Tula!

 Olove (06.07.24, 07:47)
Du schreibst nach wie vor seit deinem ersten beachtlichen Gedichtband „GEWITTERDÄMMERUMG“, 2015, wie auch Jan Lindner vollendete expressionistische (Kriegs-) Gedichte. Wäre es nicht wegen des schrecklichen Themas eher unangebracht, die Schönheiten von Metrik, Reimen und kultivierter Wortwahl zu preisen, hätte ich es unbedingt hier erwähnt. 😙

Dieses Gedicht ist ein Beleg, dass kV nicht nur von Verhaltenskreativen, sondern zuweilen auch wirklich Kreativen genutzt wird. Danke.

 DerHerrSchädel antwortete darauf am 06.07.24 um 14:26:
Vielen Dank, lieber Olove! Das Gedicht ist aus dem Jahr 2017, daher verwundert es nicht, dass es noch stark nach Gewitterdämmerung klingt. Es freut mich, dass dir der Gedichtband gefallen hat! Heutige Reimgedichte von mir sind in der Regel introvierter. "Rabe" zum Beispiel stammt aus dem letzten Jahr. Aber ich veröffentliche hier nicht chronologisch, sondern wild durcheinander, daher kann es gut sein, dass noch dass ein oder andere expressionistische Werk hier auftaucht. ;) Ich suche gerade nach einem Verlag für einen zweiten Gedichtband, aber das ist bekanntermaßen ein ziemlich schwieriges Unterfangen.

 Saira (06.07.24, 14:37)
Moin DerHerrSchädel,

eindrucksstarke Metaphern!

LG Saira

 DerHerrSchädel schrieb daraufhin am 06.07.24 um 15:28:
Vielen Dank!

 Regina (06.07.24, 23:59)
Krass, aber anschaulich. Zum Gruseln.

 DerHerrSchädel äußerte darauf am 09.07.24 um 21:56:
Vielen Dank!
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