Distanz

Text

von  Mondscheinsonate

Viermal Extreme, absolut übertrieben beschrieben mit dem Wort "Extreme", allerdings nüchtern betrachtet, waren es einmal 21 Jahre, dann zweimal neun Jahre und einmal sechs Jahre. 

Mit 19 hatte ich eine Affaire mit einem 21 Jahre älteren Mann. Das funktionierte gut, er nahm mich überall mit, zeigte mich, ich war seine Trophäe. Nur am Frühstückstisch erlaubte er nicht nur einen Kaffee, machte mir einen Kakao und legte mir einen Kinderpingui neben das Brot. Sonst war ich eine vollwertige Geliebte. 

Zu seinem wunderschön gepflegten und gediegenen Garten und Haus, blitzblank geputzten BMW davor, Marketingchef-Job, lebte er mit mir, frisch geschieden, das Klischee eines sich hochgearbeiteten Mannes. Im Bett gab er Zärtlichkeit, keine Befriedigung. 

Die gab zeitgleich sein bester Freund, dies überdauerte alles, zog sich noch zehn Jahre hin, er war neun Jahre älter als ich. Wir trafen uns jeden Mittwoch vor einem noblen Stundenhotel in Wien, freuten uns jedesmal schon sehr, uns zu sehen, verbrachten die drei Stunden voller Genuß miteinander. Einmal, nach vielen Jahren, fragte er, ob ich ihn heiraten wolle, dies zwischen zwei geschlechtlichen Akten, in der Ruhephase, da lehnte ich dankend ab, stellte mir einen Heiratsantrag anders vor, nicht in so einer Situation und verschobenen nackten Lage. 

Ich beendete das nach zehn Jahren schweren Herzens, nachdem er seine "Flitterwochen" mit mir verbrachte, das war mir damals moralisch zu verwerflich. 

Bei beiden Männern hatte ich nie das Gefühl, dass ein Alter trennt. Wir verfolgten alle ein gemeinsames Ziel: Sex und Geborgenheit.

Die Beziehung, die ich (währenddessen) einging und auch hielt, war ebenfalls mit einem neun Jahre älteren Mann, wo ich das erste Mal den Altersunterschied bemerkte. Es begann bei seinen Freunden, die mich ansahen und mit ihm nur über die 80'-Jahre plauderten, bewusst und absichtlich, um mir zu zeigen, dass ich jünger war, viel jünger in ihren Augen. Es ging weiter mit Musik, er hörte hauptsächlich The Cure und Depeche Mode, ich hatte nichts dagegen, auch nicht, dass er mich zu jedem Konzert zerrte. 

Irgendwann ging er nur noch alleine zu seinen Freunden und ich zu meinen. Er diktierte mein ganzes Leben, tätschelte vor anderen meinen Kopf, wenn ich seiner Meinung nach etwas sagte, was ich in meinem Alter "nicht wissen konnte". Als die ersten Smartphones aufkamen, begann er vor anderen meine Aussagen durch das Nachsehen im Internet zu widerlegen. Er war groß, trug nur Übergrößen, die weit größer als er waren. Einmal kaufte er sich einen Anzug und ein Gilet, trug dazu ein nicht-gebügeltes schwarzes T-Shirt und ich vermisste die Stunden im Hotel mit dem Geschäftsführer, der stets gebügelt war, dem ich die Knöpfe seines Hemds aufknöpfte, während er mich begierig ansah. In dem Lebenspartner war nie eine Leidenschaft zu sehen, er war leidenschaftslos, sagte das auch, sagte: "Ich bin leidenschaftslos." 

Je älter er wurde, kam mit der Lebensmittekrise die Beschwerden, die er für eine große raunzende Katastrophe hielt, die erste Brille war das Schlimmste. Ich fand, die stand ihm. 

Ich saß immer alleine in der Oper, im Theater, er hasste das, las seine SF-Bücher, machte meinen Geschmack herunter. Meinte ständig, er sei noch 29, trotz höheren Posten, er arbeitete sich kontinuierlich hoch, blieb er immer gleich, blieb geistig stehen, nämlich in den 80'. Im Grunde war er für eine andere gemacht, wir vergeudeten nur 16 Jahre unsere Zeit miteinander, die nahm er sich auch, die war 20 Jahre jünger als ich es bin und 29 Jahre (anscheinend eine magische Zahl) jünger als er es ist, beendete die Geschichte mit den Worten: "Ich vermisse mein kleines Mädchen." Das hat er jetzt, denn nachdem er mit mir nie ein Kind wollte, was ich penibel respektierte, wurde die junge Dame sofort schwanger, nachdem sie den Inhalt seiner Brieftasche sah. 

Und danach war ich die Ältere, sechs Jahre, das funktionierte von meiner Seite aus wieder gut, weil nur das eine Ziel im Fokus stand, der Orgasmus. Er versteckte mich vor seinen Freunden, wenn wir in der Öffentlichkeit waren, drehte er sich fünfmal um, ob niemand da war, den er kannte und trafen wir doch einmal jemanden, dann ließ er mich abseits stehen und stellte mich nicht vor, auch nahm er mich nie in seine Lieblingslokale mit. Nach mir nahm er sich nur 20-30-jährige Damen. Er sagte immer: "Du bist mir zu fein." Fakt war aber, ich war zu alt. 

Und er war der größte Idiot von allen, nur bei ihm war das Alter von allergrößter Bedeutung.




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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (25.08.24, 12:48)
Und er war der größte Idiot von allen, nur bei ihm war das Alter von allergrößter Bedeutung.
gerade heute bin ich 100 minus 18 und 11 Monate! Prosit!

 Mondscheinsonate meinte dazu am 25.08.24 um 12:49:
:D

 franky (25.08.24, 14:36)
Hi liebe Cori 

Und danach war ich die Ältere, sechs Jahre, das funktionierte von meiner Seite aus wieder gut, weil nur das eine Ziel im Fokus stand, der Orgasmus.“  
Das war ausschließlich körperliche Nahrung, da kommt die Seele zu kurz.
 
Grüße fliegen nach Wien
Von Franky

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 26.08.24 um 06:00:
Absolut

 Graeculus (25.08.24, 17:26)
Meine bescheidene Meinung nicht zu Deinem Leben, sondern zum Problem allgemein:

Die unterschiedlichen Erwartungen von Frauen gegenüber Männern und von Männern gegenüber Frauen zwingen Partner geradezu zu einem ständigen Lügen und Vorspielen. Und dieser Druck wächst im Laufe der Jahre. Die Frau muß sich, will sie den Bedürfnissen des Mannes entsprechen, gleichbleibend jung und schön präsentieren, und der Mann muß ihr die entsprechende Faszination vorheucheln.
Umgekehrt: Der Mann muß stark sein oder zumindest scheinen, was die Frau dann bewundert oder „bewundert“.
In leider seltenen Fällen können sie einander einfach Partner sein.

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 25.08.24 um 17:33:
Danke, dass du materiell antwortest, das war auch mein Begehr.
Ich denke eher, ich deutete es in den öffentlichen Zwischenmenschlichkeiten an, dass eher das Gesellschaftsbild prägt, siehe Trophäe, die Junge, frisch geschieden, die zweigt mann her, lebt das Klischee. Dann die 80' -Besprechung der Freunde, bleiben wir dort, untereinander, immer verankert und dann das: Was würden die anderen denken!
Nur das Geheime war das einzig stille und friedliche. Ist doch schon seltsam.

 Graeculus äußerte darauf am 25.08.24 um 17:41:
Ob das eine gesellschaftlich oder hormonell fundierte Rollenzuweisung ist, weiß ich nicht. Vielleicht beides. Biologisch in der Funktion für den Nachwuchs angelegt? Die gebärfähige, daher junge und wohlgebaute Frau und der die Brut schützende, daher starke und selbstsichere Mann?

Klingt eher biologisch als vernünftig oder gar moralisch.

Eine hübsche Variante habe ich einmal bei Charles Baudelaire gelesen: "Was kümmert's mich, ob du klug bist? Sei schön und sei traurig!"
Was ist das? Biologisch ja nicht, durch die Gesellschaft normiert auch nicht.

Ich jedenfalls vermag weder "den Mann" noch "die Frau" zu ergründen.

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 25.08.24 um 18:06:
Vielleicht will man sich nicht mit dem Alter auseinandersetzen, versucht das Leben mit Jüngerem zu verlängern?

 Graeculus meinte dazu am 26.08.24 um 00:07:
Das kommt hinzu. Und es gibt ja auch Frauen, die sich einen wesentlich jüngeren Liebhaber zulegen. Das Problem des Alterns immerhin haben Frauen und Männer gleichermaßen.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 26.08.24 um 06:03:
Ich bin überzeugt, es prägt auch viel die Medien und Kultur. Letztens schrieb ein Serbe öffentlich, als eine 50-jährige vergewaltigt wurde:"Jetzt machen sie nicht einmal mehr vor Omas halt."

 AchterZwerg (26.08.24, 08:03)
Der Wunsch nach Distanz wird von mir positiv bewertet.
Ganz gleich, ob alters-, status- oder IQ-bedingt.

Viele denken so wie ich. Gerade im Alter! :P

 Aron Manfeld meinte dazu am 26.08.24 um 20:03:
Mit 79 geht es doch heutzutage erst richtig los, lieber Zwerg!
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