Fliegen

Text

von  Mondscheinsonate

Heute war ich, ich erzähle lieber nicht im Detail, das erste Mal mit einem Volljuristen bei einem "fragwürdigen Todesfall". Ich weiß eigentlich gar nicht, ob ich jemals wieder essen kann. In Wien muss hierbei (nicht immer, durchschaut habe ich es noch nicht) ein Jurist beigezogen werden.

Die Tote war bereits madig, vermutlich durch die Hitze, lag mit dem Gesicht auf dem Boden, dies genau im Sonnenstrahl, einiges rann schon aus - ich will nichts Genaueres wissen. Den Geruch vergesse ich nie wieder. Ich kotzte mir die Seele aus dem Leib. Ich will das nie wieder sehen. Der Jurist war von der Polizei, der sagte: "Die saftelt schon!" Nein, diesmal fand ich den Wiener Totenhumor grausig. 
Der Notar ist dann auch noch gekommen. Ich sprach nachher mit ihm, ich sagte: "Das Fragwürdige ist, dass diese Frau niemandem abgegangen ist, nur der penetrante Gestank an sie erinnerte."
Es fehlte an Schmuck, die Kästen waren aber auf den ersten Blick nicht durchwühlt. Die Spurensicherung jagte unsanft hinaus. Mich nicht, ich stand bereits die ganze Zeit nur noch zwischen Flur und Eingangstür, eher Flur. Eine Polizistin sah starr geradeaus. Mit ihr sprechen erschien mir sinnlos, aber sie zeigte auf ihre Mundwinkel und sah kurz in meine Richtung. Ich bedankte mich und wischte mir mit einem Taschentuch Mageninhalt weg. Sie nickte nur. Zwei Fliegen flogen heraus, ich sah ihnen nach. Auch im Korridor stank es fürchterlich, ich ging auf die Straße und kotzte nochmals zwischen zwei geparkte Autos. 
"Frau Kollegin, das war nicht gut, es tut mir leid." - "Alles gut," sagte ich. Nichts war gut. Die Frau starb und keinem ging sie ab. Das war Schlimmer als alles, was ich jemals sah. 





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