Der Sonntag

Text

von  Mondscheinsonate

... war der Tag des Schmucks und des Pelzmantels, ja, sogar der, des feinen Essens und natürlich der des Ausrichtens. 

Natürlich saßen die gottergebenen alten Weiberln, die, die es fast nicht mehr gibt, die schon mit 50 vertrocknet waren und nur noch warteten, dass sie den Löffel abgeben, vor der Kirche am Bankerl mit ihren Kopftücheln und sahen genau, wer kam und ging, zerrissen sich ihre Mäuler, ihre einzige Freude war der Kirchgang am Sonntag. 

Wir Kinder grüßten sie artig, wenn wir vorbeigingen, aber ein oder zwei Kinder nie, die wurden als "Sauschädel", "Dreckskind" oder "Unter'm Hitler hätt's das ned gegeben" beschimpft, ja, so war das, ich hörte es, drängte mich noch näher an die Großmutter heran, die prominierte, diese Damen ignorierte, meinte: "Die zerreißen sich sowieso das Maul, die armen Kreaturen", aber dennoch, ich hatte den Grundverdacht, dass sie sich wie ein Christbaum behängte, damit sie sich das Maul extra zerrissen. 

Der Großvater stand immer ganz hinten in der übervollen Kirche, genau in der Mitte, vor dem braunen Teppich  der einmal einst rot war, im Mittelgang, und hielt sich fern von den Menschen, er sagte, er wolle sich nicht anstecken, sei der einzige Arzt weit und breit, das ginge nicht, auch hier denke ich heute, er ließ den Damen die Show, die ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten, manche Männer dazwischen lehnten sich in den Bänken extra zurück, damit vor ihren Gesichtern getuschelt werden konnte. 

Im Klingelbeutel, der herum ging, sah man ganz genau hin, wer etwas gab und überhaupt wie viel, die Großmutter klingelte nicht, Scheine rascheln nur, mir gab sie zehn Schilling, damit auch ich etwas hineinwerfen konnte und die neue Kirchenglocke finanzierte sich in höchstem Maße durch die großzügigen Spenden der Großmutter, vielleicht wollte das der Großvater nicht sehen, deshalb blieb er hinten, keiner stand auf und wagte es der Autorität den Beutel zu reichen. 

Interessanterweise hielten sie die vorderen Bänke immer für die Klatschweiber frei und wehe, ein neu Zugezogener setzte sich ahnungslos dorthin, der wurde weggebissen, in seine Schranken verwiesen. 

Ja, so war das, die Kirche war ein Regimè. 

"Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt..." - bloß nicht! Sonst wäre uns ja fad, da hätten wir nichts zum Lästern, das dachten fast alle.


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Kommentare zu diesem Text


 Saira (05.10.24, 14:23)
Wow, was für ein eindrucksvoller Einblick in die gesellschaftlichen Dynamiken und die oft ironische Beziehung der Menschen zur Kirche. Die Beschreibung der alten Damen, die mit ihren Klatschereien und dem Bedürfnis nach Kontrolle über die Gemeinschaft agieren, zeigt, wie tief verwurzelt Traditionen und soziale Normen in der Dorfgemeinschaft sind.

Ich empfinde es fast wie ein absurdes Theaterstück. Gut beleuchtet, Cori!
 
LG
Sigi

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.10.24 um 15:55:
Dankeschön!

 AchterZwerg (05.10.24, 17:29)
Ja,
bei so viel Sozialkontrolle kann es einer schon übel werden (an meinem Wohnort ist es nicht anders!)
Andererseits: Wenn die christlichen Normen nicht mehr greifen, jedwedes Wertesystem mit Füßen getreten wird, sind es vielleicht solche alten Weiber, die überhaupt noch an irgendwelche Regeln "glauben" und die durchzusetzen versuchen ...

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 05.10.24 um 18:19:
Sie sind die höchste Monstranz... ähm... Instanz.
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