Teddy und Wolf

Erzählung zum Thema Mensch und Tier

von  Saira

Ich erkannte Christine schon von weitem. Sie kam uns mit zwei größeren Hunden entgegen. Als wir aufeinandertrafen, musste ich Wilma an der Leine kurz halten. Sie neigt dazu, jeden Hund, egal ob groß oder klein, sofort in ihr Herz zu schließen. Wenn möglich, stellt sie sich bei größeren Hunden auf ihre Hinterbeine und umarmt ihr Gegenüber mit den Vorderbeinchen.

 

Christine und ihr Mann Rudi sind ehrenamtlich im Tierschutzverein für gerettete Hunde tätig. Sie nehmen Hunde solange in Pflege, bis der Verein oder sie selber ein geeignetes Zuhause für die Schützlinge gefunden haben. Die Transportkosten aus dem Ausland werden vom Tierschutz übernommen. Die Hunde sind alle gechipt, geimpft, entwurmt, größtenteils kastriert und tierärztlich untersucht, bevor sie zu Pflegestellen kommen.

 

Christine und Rudi übernehmen die Futterkosten und kümmern sich liebevoll um ihre Schützlinge. Wer so eine Aufgabe übernimmt, muss viel Geduld und möglichst auch Erfahrungen mit Hunden mitbringen. Oft sind die Tiere unsauber und müssen das Gassigehen erst erlernen.

 

Größtenteils kommen die Hunde aus dem europäischen Ausland, wo sie aus bedrohlichen und jammervollen Zuständen gerettet werden. Aber auch in Deutschland werden Hunde aus Tierheimen vor der Tötung bewahrt. Unsere Tierheime sind meist überfüllt und leider gibt es Tiere, die einfach nicht vermittelt werden können.

 

Christine erzählte mir eine sehr traurige Geschichte von ihren beiden neuen Schützlingen:

 

Teddy und Wolf sind Brüder, vier Jahre alt und gehören zur Rasse der Akita Hunde. Sie lebten bis vor kurzem noch bei einer alleinstehenden, alten Frau in Ostdeutschland. Diese besaß ein Haus mit Garten und lebte mit den Hunden und einer Katze sehr zurückgezogen. Wie der Tierschutz später rekonstruieren konnte, wurde die Frau eines Tages in ihrem Haus tot aufgefunden. Die Nachbarn hätten bei dem in Süddeutschland lebenden Sohn angerufen und ihm erzählt, dass seine Mutter seit Tagen nicht das Haus verlassen habe und die Hunde jaulen würden. Er reiste aus Süddeutschland an und fand seine Mutter tot vor. Teddy soll ganz eng neben der Toten gelegen haben.

 

Die Polizei wurde informiert und nachdem sie einen Bericht aufgenommen hatte und die Leiche zur Obduktion abgeholt worden war, soll der Sohn mit den Nachbarn Kontakt aufgenommen haben. Er soll mit ihnen vereinbart haben, dass sie die Tiere bis zur Klärung mit dem Tierheim von ihnen versorgt werden würden. Er habe ihnen für Futter und Arbeit Geld gegeben.

 

Weiterhin wird berichtet, dass sich die Nachbarn kaum bis gar nicht um die Tiere gekümmert, aber auch der Sohn soll sich einen Dreck um die Tiere gekümmert haben. Weder der Tierschutz noch ein Tierheim wurden über die armen Tiere informiert. Die Polizei kam drei Wochen nach dem Todesfall nochmalig ins Haus und brachte Mitarbeiter vom Tierschutzverein mit. Wer sie informiert hatte, weiß Christine nicht.  Die Katze lag tot in der Küche, die Hunde waren halb verhungert und vollkommen verstört. Offenbar hatten die Nachbarn immer nur Futter durch das auf Kipp geöffnete Küchenfenster geworfen.

 

Christine und Rudi hatten Teddy und Wolf in Pflege genommen. Beide Hunde waren stark unterernährt, hatten verfilztes stinkendes Fell und waren scheu bis aggressiv. Wolf konnte nach gut drei Monaten an ein hundeerfahrenes Ehepaar vermittelt werden. Es soll ihm dort sehr gut gehen. Teddy ist nicht vermittelbar gewesen. Zu schwer lastet das Geschehene auf der Seele des Tieres. Christine und Rudi haben Teddy ganz zu sich genommen. Sie können jetzt zwar keine weiteren Hunde mehr betreuen, da Teddy keine anderen Hunde an sich heranlässt, aber für diese gequälte Hundeseele soll es so sein, wie es jetzt ist, sagen Christine und Rudi aus voller Überzeugung.

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ November 2022



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (23.11.22, 17:07)
Die Tierheime sind in der Tat überfüllt.
Viele geben ihre Corona-Affairen mit fliegenden Fahnen wieder an der Tür ab.
Jetzt steigen sogar die Arztkosten, da wird es noch viel mehr "Rückgaben" geben.
Eine Schande!

Liebe Grüße
der8.

 Saira meinte dazu am 24.11.22 um 07:46:
Guten Morgen liebe Achte,
 
ich frage mich, wie es möglich ist, dass Menschen, die ihre Tiere wie Gegenstände im Tierheim abgeben oder sogar aussetzen, noch leben können. Ihr Gewissen, hätten sie eins, müsste ihnen den Schlaf rauben.
 
Ja, und jetzt auch noch die neue Gebührenverordnung. Viele Landwirte und Tierbesitzer werden an ihre Grenzen stoßen. Es ist so traurig!
 
Ich danke dir für Kommentar und Empfehlung!
 
Herzliche Grüße
Sigrun

 AlmaMarieSchneider (23.11.22, 19:09)
Liebe Sigrun,

ich freue mich. Wilma ist wieder aktiv und Deine Geschichten, wenn auch traurig, sind wichtig. Sie machen auf unsere engsten Freunde in der Tierwelt aufmerksam.

Mein Katerchen ist auch ein Tierheimtier und ohne ihn möchte ich nicht mehr sein.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Saira antwortete darauf am 24.11.22 um 07:49:
Liebe Alma Marie,
 
ich danke dir für deine schöne Resonanz! Wie schön, dass du dein Katerchen aus dem Tierheim geholt hast und ihm ein liebevolles Zuhause geschenkt hast.
 
Herzliche Grüße
Sigrun&Wilma


Danke auch für deine Sternchen :)

 Dieter_Rotmund (24.11.22, 16:02)
Haha, Futter durchs gekippte Fenster werfen, lustiger Einfall!

Gelungene Beschreibung dieses fast bizarr wirkende  Hundefreunde-Milieus, gerne gelesen.

 Saira schrieb daraufhin am 24.11.22 um 20:33:
Hallo Dieter,

ich freue mich, dass du meine Beschreibung als gelungen betrachtest und danke dir für dein Feedback!

Liebe Grüße
Sigrun
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