Geschäft mit Biss

Satire zum Thema Erkenntnis

von  Saira

Ich bin Rudi Pollenflug, ein deutscher Geschäftsmann, der sein Glück in den USA, genauer gesagt in Texas, suchte. Effizienz ist mein zweiter Vorname: Wie viele andere Geschäftsleute liebe ich es, an jedem Flughafen ein eigenes Auto zu haben, um nie auf einen Mietwagen warten zu müssen. In Dallas bekam ich einen Tipp, der zu gut klang, um wahr zu sein:

 

„Geh zu George, dem Tankwart an der alten Tankstelle beim Flughafen. Der verkauft dir Autos, so neu, dass du den Neuwagengeruch noch riechst – und das zu Preisen, bei denen selbst ein Texaner ins Schwitzen kommt!“

 

Natürlich war ich sofort Feuer und Flamme. Immer auf der Jagd nach dem besten Deal, fuhr ich also zu Georges Tankstelle. Sie lag wie ein Schandfleck in der flimmernden Hitze. Die Zapfsäulen glänzten nicht, sie rosteten. George selbst, ein Mann mit Cowboyhut und einem Grinsen, das eher an einen Haifisch erinnerte, winkte mich heran.

 

„Komm gleich wieder!“, rief ich ihm zu, denn mein Blick war auf die groteske Felsenlandschaft hinter der Tankstelle gefallen. Die Felsen schienen zu flüstern: „Komm herauf, wenn du dich traust, du armseliger Anzugträger!“

 

Ich hielt mich ja immer für einen Abenteurer. Also begann ich zu klettern. Die Felsen waren glatt, aber der Ausblick wurde mit jedem Schritt atemberaubender. Nach drei hohen Felsen entdeckte ich einen schmalen Pfad, der zu einem Aussichtspunkt führte. Mein Herz pochte – nicht nur vor Anstrengung, sondern auch vor Vorfreude. Doch als ich vom zweithöchsten Felsen auf den kleinsten springen wollte, hielt mich ein seltsames Gefühl zurück. War es der Wind? Oder das leise Zischen, das plötzlich in der Luft lag?

 

Da sah ich sie: eine Viper, auch Diamant-Klapperschlange genannt, die sich auf dem Felsen sonnte und mich mit funkelnden Augen musterte. Ich wich zurück – und entdeckte neben dem Felsen einen Haufen menschlicher Skelette, die wie achtlos weggeworfene Anzüge übereinander lagen. Einige trugen noch Krawatten, andere hatten Aktenkoffer in den knochigen Händen. Einer hatte sogar noch eine Visitenkarte zwischen den Zähnen.

 

Mir wurde schwindelig. Plötzlich ergab alles einen Sinn: Die günstigen Autos, die George verkaufte, waren die Wagen dieser unglücklichen Geschäftsleute! Sie waren, wie ich, dem Ruf der Felsen gefolgt – und der Viper begegnet. George, der Tankwart, hatte die Autos einfach eingesammelt und weiterverkauft.

 

Ich kletterte hastig zurück zur Tankstelle. George blickte erstaunt auf, polierte einen Autoschlüssel und grinste: „Na, wie war die Aussicht?“

 

Ich lächelte gequält. „Atemberaubend. Aber ich glaube, ich nehme doch lieber den Bus!“

 

So verließ ich Dallas – ohne Auto! Und George? Der verkaufte am nächsten Tag wieder ein fast neues Auto. In Texas gibt es eben immer jemanden, der ein gutes Geschäft machen will.

 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2025




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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (09.05.25, 13:36)
Hallo Sigi,

wohl dem, der die Klapperschlangen des Kapitalismus rechtzeitig entdeckt.

Herzlichde Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (09.05.25, 13:55)
Das gefällt mir, Sigi! Schade eigentlich, dass es nur Fiktion ist. 

Liebe Grüße, 
Dirk

 AchterZwerg (09.05.25, 18:19)
Liebe Sigi,
willkommen zurück! <3

Die verjüngte Linke will ja der Viper des Spätkapitalismus den Gnadenschuss versetzen. - Da kann man zu Recht auf die nachfolgende Wirtschaftsform gespannt sein.
Allerdings steht zu befürchten, dass George überhaupt nicht in das neue "Solidarsystem" passen würde ...

Und was wird dann aus deiner Geschichte?

Bange Grüße, aber einen Extra-Streichler für Wilma
Heidrun

 Teo (09.05.25, 18:34)
Hi Sigi,
für mich ist es gar nicht so realitätsfern.
Ein amerikanisches Geschäftsmodel.
Ganz nach Trumps Vorstellungen.
Es grüßt 
Teo
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