Es liegt an mir

Satire zum Thema Arbeit und Beruf

von  Saira

Ich hab ’nen Job,

kann mühsam davon leben,

doch für das Geld

muss ich wohl noch mehr geben -

ich spüre Druck,

damit ich funktioniere

und ducke mich,

dass ich ihn nicht verliere.

 

Das Problem bin ich und kostet viel zu viel,

ich brauche Pausen, esse und muss trinken,

ich werde krank – der Mensch ist ja so fragil –

der Umsatz ist durch mich nur noch am Sinken.

Die Aktienkurse hängen in den Miesen,

es liegt an mir, wenn Bosse bitter weinen.

Verzicht und Leistung heißen die Devisen,

dann kann die Börsensonne wieder scheinen.

Ich habe längst darüber nachgedacht,

mich noch viel intensiver einzubringen,

ich werde Schichten schieben Tag und Nacht

und mich zu Pausenabstinenzen zwingen.

 

Ich sehe ein, ich mache nicht genug,

ich denke noch und das ist egoistisch,

mir fehlt zu meinem Kummer der Bezug,

mein Körper ist zu schwach und undynamisch.

Ich muss mein Leben gänzlich korrigieren,

gedanklich jede Fragerei beenden,

mit dem Konzern vereint globalisieren,

sonst bringe ich ihm keine Dividenden.

Für den Rundumjob bin ich nun bereit,

die Chefs bekommen alles was ich habe,

ich gehe ein und werde Einigkeit,

mein Individuum, das tragen wir zu Grabe.

 

Ich weiß, die Schmerzen gehen schnell vorüber,

sobald die Haut vom Stahl ist generiert,

das Innerste vom Leitstand wird gesteuert,

der meine letzten Schwächen revidiert.

Vorbei die Qualen, die dem Menschen eigen,

ich bin nicht mehr autark, bin integriert,

nur Leistung zählt, gefühls- und willenlos,

das letzte Fleischstück ist schon absorbiert.

 

Ich hab ’nen Job

und der bekommt mein Leben,

es ist nicht viel,

doch das muss ich ihm geben.

Ich brauch nur Strom,

Maschinenöl und Schmiere,

damit ich für

die Wirtschaft funktioniere. 

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2024



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Kommentare zu diesem Text


 Beislschmidt (10.01.24, 16:37)
Maschinen müssen nicht essen, wohl wahr. Was machen wir jetzt mit Auslaufmodell Mensch?

Keine Sorge  der große Rest der 8 Mlliarden wird sich KI und den Neokolonialismus irgendwann holen und dann bleibt kein Stein auf dem anderen.
Beislgrüße

Kommentar geändert am 10.01.2024 um 16:38 Uhr

 Saira meinte dazu am 11.01.24 um 08:58:
Moin Beislschmidt,
 
weltweit ist eine Endzeitstimmung wahrnehmbar. Du bringst es auf den Punkt.
 
Danke für deinen Kommentar!
 
Liebe Grüße
Sigrun

 Verlo antwortete darauf am 11.01.24 um 18:10:
Saira:

... weltweit ist eine Endzeitstimmung wahrnehmbar.
Ob weltweit, kann ich nicht einschätzen. Aber hier in Norwegen spüre ich keine Endzeitstimmung. Auch nicht, wenn ich in die Gesichter anderer sehe.

Der von dir beschriebene Arbeitstag trifft eher auf Deutschland zu.

Wenn die Voraussagen für KI sich ähnlich bewahrheiten wie die technischen Jahrzehnte zuvor, wird die Menschheit vorher durch Viren (bzw. deren Bekämpfung) oder Aliens ausgerottet, bevor KI die Macht übernimmt.

 Quoth (10.01.24, 17:13)
das Innerste vom Leitstand wird gesteuert,
der meine letzten Schwächen revidiert.
Vorbei die Qualen, die dem Menschen eigen,
ich bin nicht mehr autark, bin integriert,
nur Leistung zählt, gefühls- und willenlos,
Schöne Dystopie, in der freilich eine Wendung fehlt: Die Roboter werden dank kI auch Gefühle entwickeln, sich gequält fühlen und einen Willen zum Widerstand entwickeln ... Modern Times!

 Saira schrieb daraufhin am 11.01.24 um 08:59:
Moin Quoth,
 
es ist nicht abwegig, was du beschreibst. KI wird die Gefühle der Menschen imitieren können und dann gibt es Widerstände und Kriege, wie wir sie vielleicht aus Science-Fiction- Filmen kennen.
 
Ich danke dir für deine Gedanken zu meinem Text!
 
Liebe Grüße
Sigrun

 Tula (10.01.24, 19:12)
Hallo Sigi
Bei einem Firmen-Event hatten wir einen Beitrag von einem Uni-Professor, der es wissen könnte. Jede technologische Umwälzung hat wieder neue Berufe und Arbeitsplätze geschaffen. Nur bei der nächsten, meinte er durchaus im Ernst, d.h. dem Siegeszug der KI, da habe er schwere Zweifel, ob sich die alte Regel bewahrheitet.

Selbst die Poeten könnte sie ersetzen, einschließlich der Leser, da braucht es nicht mehr als 'lyrisch interessierte Bots'  ;)

LG
Tula

 Saira äußerte darauf am 11.01.24 um 09:00:
Moin Tula,
 
sobald der Mensch ersetzt werden kann und genau darauf steuern wir mit der KI hin, braucht es den Menschen nicht mehr. Die Sorgen des Uni-Professors sind leider berechtigt.
 
Ein Alptraum!
 
Liebe Grüße
Sigi

 Teo (11.01.24, 09:06)
Moin Sigi,
ich bin von deinem Text hin und her gerissen. Ich kenne nicht wenige Menschen, die in der Tat mit Freuden zur Arbeit gehen und auf mich einen durchaus glücklichen Eindruck. Wieviel Prozent das nun von den gesamten Berufstätigen sind, kann ich nicht sagen.
Tja...KI hält natürlich Einzug in die Arbeitswelt, mit welchen Folgen auch immer.
Ein nachdenklich machender Beitrag
Lieben Gruß 
Teo

 Saira ergänzte dazu am 11.01.24 um 09:58:
Moin Teo,

ob die Menschen, die jetzt noch gerne zur Arbeit gehen, das auch in Zukunft tun werden? Was ist, wenn KI auch ihren Job ganz oder teilweise ersetzen wird?

Ich freue mich über deine Gedanken dazu!

Danke und liebe Grüße
Sigi

 plotzn (11.01.24, 09:54)
Servus Sigi,

mir gefällt, wie sich das Gedicht vo der anfänglichen Überforderung im Job bis hin zur Ersetzung des Menschen steigert. Klasse geschrieben! In manuellen Tätigkeiten haben Roboter schon länger den Siegeszug angetreten, in geistigen ist die KI auf dem Vormarsch.

Ich glaube nicht, dass die KI von sich aus und ohne menschliches Zutun die Weltherrschaft übernehmen wird, aber sie ist eine gewaltige Waffe in den falschen Händen und es ist an sie leichter heranzukommen als an eine Atombombe...

Nachdenkliche Grüße
Stefan

 Saira meinte dazu am 11.01.24 um 10:10:
Moin Stefan,
 
ich danke dir für deine positive Wertung zu meinem Gedicht! :)
 
Deine Annahme, dass KI leicht in die falschen Hände geraten kann und in diesen eine gewaltige Waffe darstellt, ist ein Gedanke, den ich mit dir teile. Der Mensch wird es schon schaffen, sich zu vernichten.
 
Traurige Grüße
Sigi

 TassoTuwas (11.01.24, 10:56)
Hallo Sigi,
die Kunst einer Minderheit besteht darin, der um das tägliche Existenzminimum hart kämpfenden Mehrheit glauben zu machen, sie sei an ihrer prekären Situation selbst Schuld.
Das lässt die Reichen und Schönen fein leben.
Eine Satire, die für viele schon bittere Realität ist!
Eine Satire zum Nachdenken!

Herzliche (realistische) Grüße
TT

Kommentar geändert am 11.01.2024 um 10:58 Uhr

 Saira meinte dazu am 11.01.24 um 13:49:
Lieber Tasso,

du triffst des Pudels Kern: Wer hart arbeitet und sich dennoch am Existenzminimum befindet, erlebt eine Dauerbelastung und Frustration, die krank machen. Dann noch durch die Politik und Arbeitgeber suggeriert zu bekommen, man sei womöglich selber schuld an seiner Situation, ist unhaltbar.

Ich habe folgenden, wie ich finde, interessanten Artikel zum Thema „Wenn selbst zwei Jobs nicht zum Leben reichen“ gefunden:  https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/multijobber-working-poor-mehrere-jobs-arbeitswelt-100.html
 
Ich danke dir für deinen Beitrag zu meiner Satire!
 
Herzlichst
Sigi

Antwort geändert am 11.01.2024 um 13:49 Uhr

 AchterZwerg (11.01.24, 16:55)
Liebe Sigi,
was gänzlich verschwinden wird ist der sog. Niedriglohnsektor, um den sich derzeit deutsche Looser (Tschuldigung! <3 ) und Migranten prügeln.
Alll diese Menschen können aber nicht in einer KI-generierten Welt eingesetzt werden, weil es ihnen an den Grundvoraussetzungen fehlt.
Allein dies birgt viel Konfliktstoff!

Herzlichst Heidrun

(Das "ja" könntest du getrost weglassen.)

 Saira meinte dazu am 12.01.24 um 09:34:
Liebe Heidrun,
 
es ist die Frage, inwiefern der Niedriglohnsektor gänzlich verschwinden wird. Berufe, in denen körperliche und soziale Tätigkeit wichtig sind, werden vor KI sicher sein. Ich denke zum Beispiel an Friseure, Handwerker, Reinigungskräfte, ErzieherInnen, Pflegekräfte.
 
Schreibtischjobs werden zum großen Teil ersetzt werden können und hier könnte ich mir vorstellen, dass das Lohnniveau fallen wird.
 
In jedem Fall sind große Konflikte vorprogrammiert.
 
Herzliche Grüße
Sigi
 
P.S.: Das „ja“ wollte ich entfernen, war aber nicht mehr möglich :dizzy:

Antwort geändert am 12.01.2024 um 09:37 Uhr

 Agnetia (11.01.24, 19:07)
Anpassung bis zum Krankwerden, Ausbeutung. Unsere Politik müsste das ändern. Nur sie kann es...
LG von Agnetia

 Saira meinte dazu am 12.01.24 um 09:34:
Hallo Agnetia,
 
ich bin da deiner Meinung.
 
Danke und liebe Grüße
Saira

 eiskimo (03.02.24, 15:37)
Es liegt an mir, mich nicht nur über die (Lohn-)Arbeit zu definieren. Das war mein Rezept, um persönlich ein paar Gegenpole aufzubauen und aufrecht zu bleiben. Ein Stück weit hat man es in der Hand, das ist zumindest meine Erfahrung.
LG
Eiskimo

 Saira meinte dazu am 03.02.24 um 19:06:
Hallo Eiskimo,

es gehört viel Selbstbewusstsein dazu, sich im Job nicht ausnutzen zu lassen. Bossing und Mobbing funktionieren m.E. nur da, wo die Angst vor dem Jobverlust im Hintergrund steht.

Wer nett ist, wird ausgenutzt, denke ich. Man muss sich wehren, aber nicht selten verlieren Menschen den gerechten Kampf.

Ich denke noch weiter: wer als Kind nicht gelernt hat, sich durchzusetzen, wird es im Berufsleben umso schwerer haben.

Danke für deine Gedanken!

Liebe Grüße
Sigrun

 eiskimo meinte dazu am 03.02.24 um 20:59:
Qualifikation ist das Zauberwort, denke ich. Wer fachlich gut ist, wird gebraucht, und der kann entsprechend auftreten.
Auch hier sage ich: das hat man ein Stück weit in der eigenen Hand.
lG
Eiskimo

 Saira meinte dazu am 04.02.24 um 11:11:
Qualifikation ist sicherlich von Vorteil, aber dass Menschen oftmals nur noch funktionieren müssen, egal wie gut und fleißig sie sind, ist leider immer stärker wahrzunehmen. Wer sich gegen Ausbeutung auflehnt, ist unbequem und wird schnell "entsorgt".

LG
Sigrun

 FrankReich (03.02.24, 19:25)
Kleiner Trost:


😂😂

Ciao, Frank

 Saira meinte dazu am 04.02.24 um 11:12:
Danke Frank für dieses Hammer-Video :P



Liebe Grüße
Sigrun
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