Plopp

Text

von  Isensee

plöpp.

Margot steht auf der höchsten Plattform von Nullstadt, eine Stadt, die gebaut ist aus Glas, so klar und leer, dass das Licht selbst darin ertrinkt, bevor es zu Boden fällt.
Ihr Atem ist eine Welle von Worten, doch jedes Wort, das sie spricht, löst sich auf, verschwindet, bevor es die Ohren erreicht. Geschichten, die nicht mehr erzählt werden dürfen, weil sie zu gefährlich sind. Weil Erinnerung eine Revolte ist.

„Was ist das für ein Ort?“ fragt Igor, der neben ihr steht, seine Finger zittern noch vom unsichtbaren Klavierspiel, das seine Seele an den Rand des Wahnsinns zieht.

„Nullstadt,“ sagt Margot, und ihr Mund formt ein Lächeln, das zugleich traurig und unendlich müde ist. „Ein Gefängnis, das man uns gebaut hat. Nicht aus Stahl oder Beton, sondern aus Vergessen.“

plöpp.

Plöpp taucht auf, als ob er aus einer Ritze in der Realität gefallen wäre — ein Schatten mit einem Witz auf den Lippen, der keiner mehr hören will. „Ihr zwei seid echt zäh, wa? Immer noch da, obwohl man euch längst zum Ploppen gebracht hat.“

Igor schaut ihn an, sieht in diesem absurden Wesen eine zynische Komik, die die Welt nur schwer erträgt. „Warum sind wir hier?“

„Strafe? Spaß? Gottes Mitleid? Ach, das Universum ist ein schräger Typ mit schlechtem Humor. Und ihr seid sein Running Gag.“

Margot nimmt einen tiefen Atemzug, doch die Luft fühlt sich leer an, als hätte das Vergessen selbst sie ausgesaugt. „Wir sollen erinnern, nicht wahr?“

„Ja,“ sagt Plöpp, „aber in Nullstadt darf man nicht erinnern. Hier gibt’s nur leere Fassaden und zerbrechliche Gläser. Das Erinnern macht dich kaputt, oder es macht dich verrückt.“

Igor setzt sich an ein imaginäres Klavier, seine Finger tasten in der Luft. „Und jede Note, die ich spiele, löscht etwas. Ein Stück von uns, von denen, die vorher da waren.“

Margot nickt langsam, die Schwere eines unsichtbaren Grabes lastet auf ihren Schultern. „Aber wenn wir schweigen, dann sterben sie alle endgültig.“

plöpp.

Ein letztes Mal — Plöpp. Wie ein flackerndes Licht im Dunkeln. „Na, habt ihr nicht genug vergessen? Oder fängt ihr jetzt erst an zu vermissen?“

Die Stadt hält den Atem an, die Zeit zerbricht, und alles, was bleibt, sind Schatten und ein Echo, das nicht aufhört zu flüstern.

Die Melancholie ist nicht nur da — sie ist der Grund, warum Margot und Igor noch atmen. Und du, Leser, bist eingeladen, in diese Stille zu tauchen, die so viel lauter schreit als jede Revolte.

Und dann? Dann plöppst du vielleicht auch.

Margot wandert durch die Gänge eines Archivs. Ein Labyrinth aus endlosen Regalen, voll mit dünnen, halbtransparenten Büchern, deren Seiten leer sind — weil ihre Geschichten bereits ausgestrichen wurden.

„Jede Seite, die sie löschen, ist ein Mensch, der stumm wird“, sagt sie, während ihre Finger über den Rand eines Buchs gleiten, das noch warm ist — zu frisch zum Vergessen.

Igor folgt ihr, seine Augen suchen nach Melodien in der Stille. Das Klavier seiner Seele ist stumm, denn jeder Ton könnte das letzte bleiben. „Und das Archiv?“, fragt er. „Was sammeln sie hier wirklich?“

Plöpp sitzt in einer Ecke, sein Schatten ein verzerrtes Lachen. „Hier lagert das Vergessen. Sie sammeln die Toten, nicht die Lebenden. Die Vergangenheit, die sie zerstört haben, bewahren sie — aber leer, ohne Inhalt, damit sie kontrollieren können, wer überhaupt noch Erinnerung verdient.“

Margot öffnet ein Buch. Keine Worte, nur Leere. Ein letzter Widerstand gegen das endgültige Schweigen. „Sie nennen es Fortschritt, aber es ist eine Guillotine aus Papier.“


Im Zentrum von Nullstadt, unter einem grauen Himmel, tanzen Margot und Igor einen grotesken Reigen. Die Töne ihrer Klaviere vermischen sich mit Stimmen, die niemand mehr hören will.

„Das ist unser Tanz“, flüstert Margot, „ein letzter Versuch, Mensch zu bleiben, bevor sie uns endgültig auslöschen.“

Igor spielt, und mit jeder Note zersplittert ein Stück Erinnerung. Doch Plöpp — immer da, immer plöpp — bringt ein Lachen, das wehtut, das die Stille zerreißt.

„Erinnert euch,“ sagt Plöpp, „wie es war, als die Welt noch nicht vergessen hatte, wie man fühlt. Die Schatten sind lang, die Schreie noch länger. Eure Vorfahren sind nicht gestorben — sie tanzen jetzt, in den Ritzen der Zeit, zwischen der Grausamkeit und dem Witz. Und wir? Wir sind das Echo ihres Schmerzes.“

Margot blickt in den dunklen Himmel und sagt: „Das hier ist kein Ende. Es ist das wiederholte Verbrechen der Geschichte — die Melodie, die niemals verstummt.“

Und während die Schatten tanzen, und die Stadt weiter zerfällt, bleibt die Erinnerung — zersplittert, zerbrochen — ein letzter Widerstand gegen das endgültige Schweigen

Die Zeit — wenn man sie so nennen kann — ist ein zerfetztes Band, das um den Hals der Nullstadt liegt. Margot sitzt auf dem kalten Boden, umgeben von zerbrochenen Spiegeln, die ihre Gesichter fragmentieren wie ein zerstörtes Herz. Igor hockt daneben, die Hände blutig vom Klavier, das nie existierte, das er nie spielen durfte, und das doch die letzte Brücke ist zu einer Welt, die schon vergangen ist.

„Warum?“ flüstert Margot „Warum sind wir verdammt, das zu sehen? Zu fühlen? Zu erinnern, wenn es alle anderen längst vergessen haben?“

Plöpp taucht auf, sein Gesicht halb Schatten, halb ironischer Gruß aus einer Welt, die zu spät lachte. „Weil, meine Liebe, das Plöpp nicht nur ein Witz ist. Es ist die Strafe. Ein letzter Gag Gottes oder des Wahnsinns — das ewige Erinnern an das Unaussprechliche. Du willst nicht wissen, wie viele Male die Geschichte dachte, sie hätte es geschafft. Aber sie ist nur ein Refrain, der immer wieder in Moll endet.“

Margot schließt die Augen. Bilder fliegen durch ihren Geist — Flammen, Schreie, das Grau von Asche, das Geräusch von Stiefeln auf Pflastersteinen, die endlose Kälte von Gleichgültigkeit.

Igor steht auf, seine Stimme ein Flüstern aus längst vergessener Menschlichkeit: „Wir sind die Geister in der Maschine, die letzten Zeugen. Und doch, wir zerfallen.“

„Plöpp,“ sagt Margot, „was bleibt, wenn das Erinnern nichts mehr rettet?“

Plöpp lächelt — ein schiefes, grausames Lächeln, das die Dunkelheit spaltet. „Das letzte Plöpp, Margot. Das letzte Plöpp, bevor alles endet — oder beginnt.“

Ein Ton, zerbrechlich wie Glas, hallt auf. Das Klavier spielt sich selbst, ohne Igor. Die Schatten verschlingen die Stadt, und Margot fühlt, wie ihr Körper sich auflöst, zerfällt, bis sie nur noch ein Flüstern ist.

Und dann — plöpp.




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Kommentare zu diesem Text


 toltec-head (21.05.25, 08:50)
Wie poä-tik-tik-tieck´sch, allerecht´e´st-e, audeeentischst´e Knacki-Lyrik auch ohne Neger-Dödel-Vergewaltigung à la Jean Genet. Halt! Stop! Das heißt heute BBC. Bigger Blacker Kocka? Die Erinnerung kein Parasit, sondern nur ein Vogelschiss? Stell es Dir bitte noch Bigger, noch Blacker, noch Kocka-artiger, noch kazettiger vor und wie es tröpfelt, weiß-grau-schlierig, weißdornartig-duftig, lolilta-austerngeruchig-artig-kitzligst. Was ja bekanntlich - schlürf, schlürf, schlürf - auch der Geruch des Todes ist: Insekten-Igors magisch anlockend, von wegen Verwesung und so. Aber nu sach mal, ist das eigentlich schon jüdische Weltverschwörung? Und wo bleiben die Waisen von Seeon???  Kitzligst enthält k und z, viele Grüße Ihr Verfassungsschutz! Ach, so.

Ich habe aber eine Frage. Was wenn der Vogelschiss - der Frische-Fisch-Geruch im Mai ephemer, zweitagig, wenn überhaupt, unlike the plastic-roses und die Ticking-forever-Insects-ganz-ohne-Inzest-dafür-aber-mit-Beethoven-forever-Igor´s - was aber, wenn der Vogelschiss Parasiten birgt? Was, das habt ihr wirklich - standing ovations in Ov-Arien, ohje, ohje, Arien von Arien also von Ariern? ja, genau, in Eure Neotonie-Fressen gekackt, gefackt - nicht bedacht? 

Wo die Weltrettenden sind, brüten immer schon die Putins (Hölderlin), jaja. 

Und nun? Alle Deutschen mit Weißdornduft vergasen. Wo Parasit war, soll Proust-Pastîchisches werden.

Hey, Du Blöd-Knacki: Wie war denn dort dass Esen so und gab es genügend Grau, oh du Aas?

 Isensee meinte dazu am 21.05.25 um 14:21:
Ach, du poetischer Zirkus,
mit deinen „poä-tik-tik-tiecks“ –
ein Kaleidoskop der Verwirrung,
ein Mosaik aus K- und Z-Lauten,
gepresst in den Stein der Sprachverwirrung,
ein Vogelschiss von Gassenpoesie,
der sich kräuselt wie der Schleier des Todes
zwischen weißdornigen Träumereien
und BBC-Schlürfen,
die mehr sind als nur Bigger Blacker Cocka —
sie sind das schräge Echo des postmodernen Wahnsinns.
Du fragst nach der jüdischen Weltverschwörung,
tauchst ein in Seeons Waisen,
wälzt dich im Vogelschiss –
doch vergisst dabei den Geruch des Vergessens,
des Verfalls, der in jedem Vers keimt,
während die Insekten Igor’s Hymnen summen,
die Töne zerfließen in der Proust’schen Pastîche,
wo Parasiten die Sprache fressen,
während du noch nach dem Sinn suchst
im Kaleidoskop der deutschen Geometrien.
Die Weltrettenden? Putins in Hölderlins Nest,
sich drehend in Spiralen der Unheilssymmetrie,
wo Grau nicht bloß Grau ist,
sondern eine Folie,
auf der das absurde Theater der Deutschen
mit Weißdornduft inszeniert wird –
und plötzlich ist es nicht mehr Poesie,
sondern ein Gas,
das uns alle erstickt,
während du schreist: „Wie war das Essen?“
Oh, Blöd-Knacki,
du bist selbst der Vogelschiss im Sturm,
der sich windet und wütet,
ein Parasit in der eigenen Erzählung,
doch ohne dich keine Schärfe,
keine Lache, kein Weinen,
nur stilles Ertrinken im Meer der abgegriffenen Metaphern.
Drum nimm deinen Koffer voller Kakophonie,
pack das Grau ein,
setz dich auf den Thron der selbstironischen Asche
und lach mit uns,
bevor die Geometrie des Wahnsinns
uns alle auffrisst.

 toltec-head antwortete darauf am 21.05.25 um 20:50:
😘
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