Dass die Vita Secura ausgerechnet mich ansprach mit diesem Fotoauftrag, das hat mich schon sehr verblüfft. Ich meine – die haben doch Agenturen, Profi-Fotografen, da werden die doch keinen Gelegenheitsknipser ranlassen. Bei dem Budget, das die haben!
„Wir brauchen ein Knallerfoto,“ hatte mir der PR-Mann der Vita Secura am Ende noch einmal kurz und knackig mit auf den Weg gegeben, "etwas für Plakatwände, Litfassäulen, Stadien ..." nachdem er mir vorher lang und breit die neue Kampagne mit den aktualisierten Steuervorteilen dargelegt hatte - „Lebensversicherungen leben wieder“ versprach er da fast frohlockend!
L e b e n s - Versicherungen – dazu sollte ich also ein Foto liefern. Nie im Leben hatte ich mir je Gedanken über Lebensversicherungen gemacht. Versicherungen an sich waren mir schon immer suspekt, und schon als ich als junger Mensch für meinem ersten Mietvertrag eine Haftpflichtversicherung nachweisen musste, erschien mir das alles als hochgespielte Angstmacherei... um möglichst viele Leute abzuzocken. Statistik, Risiko, Haftung, Regressansprüche – nee, das war definitiv nicht meine Welt.
Und jetzt das Thema Lebensversicherung – ausgerechnet diesem Thema sollte ich Leben geben! Musste man dazu nicht erst einmal selber Ja sagen? Leben selber lebenswert finden, lebens- und schützenswert? Und wenn ich das tatsächlich bejahte – welche Art Leben? Das des Abenteurers, der sich wirklich was traut – das wäre ja nahliegend. Aber könnte der sich so eine Versicherung leisten? Oder dann doch lieber das Leben eines wohlsituierten Familienvaters, dessen Tod den Hinterbliebenen gewaltige finanzielle Einbrüche brächte?
Meine bescheidene Fotografen-Fantasie irrte im Kreis. Welches Motiv stünde für „Leben“? Etwas mit Mutter und Säugling? Urvertrauen? Schulkinder, die konzentriert an einem Versuch in Bio oder Physik arbeiten? Turnerinnen am Stufenbarren? Oder etwas tiefsinniger: Bunt beklebte Koffer am Flughafenschalter – die Lust auf Urlaub, was für viele ja das höchste Lebensglück bedeutet...,
Kurz kam mir auch der Gedanke, Anti-Fotos zu machen, also besonders schlimme Begebenheiten ins Bild zu packen, nach dem Motto: Seht, wie gut, dass ihr eine Lebensversicherung hattet.
Just, als ich ausgebrannte Autowracks und umgestürzte Eisenbahnwaggons vor Augen hatte und sogar das Geheul von Sirenen vernahm, merkte ich, dass mein Kopf seitlich gegen den Türholm gesackt war.
Meine Frau saß am Steuer, sie hatte wegen eines Unfalls vor uns anhalten müssen. Gerade überholte uns ein Krankenwagen. Sie schaute mich an. „Hier sind wieder ein paaar Lebensmüde unterwegs gewesen,“ ereiferte sie sich. „Die fahren echt, als gäbe es kein Morgen!“
Ich nickte nur. Es kommt alles wieder, dachte ich dann. Auch nach Jahren. Die wenigen Wochen, die ich mal einen Berufsfotografen begleitet hatte, fasziniert vom Medium Fotografie, und wie sich dabei das wahre Leben darstellte.
