Nicht zum Lachen zumute

Bericht zum Thema Wohlergehen

von  eiskimo

Sie wohnten zur Miete, und als Kinderreiche waren sie eher arm – es war immer knapp, besonders am Monatsende.

Anne, das jüngste von fünf Kindern, erinnert sich noch genau: Der Vermieter, ein Herr Kropp, schwebte stets unsichtbar über ihnen, mit dem Damoklesschwert drohend.

Was sie auch noch vor Augen hatte: Wie ihr Papa ihm gleichsam aus der Hand fraß. Bloß nicht aufmucken, bloß keine Ansprüche stellen – Kropp würde sonst die Miete erhöhen, vielleicht noch schneller, als es eh geschah, in regelmäßigen Abständen.

Nein, dafür verachtete sie ihren Papa: Dass er das so unterwürfig hinnahm. Dass er liebdienerte und kuschte, während der andere wie selbstverständlich an der Mietschraube drehte.

Hinter vorgehaltener Hand erzählte man zwar, dass er es gar nicht nötig hätte, dass Kropp  sowieso ausgesorgt hätte mit seinen vielen Mietshäusern, aber so sei das System halt: Die Reichen würden immer reicher, und die Armen krebsten weiter dahin.

Und ihr Papa, das wusste Anne, hatte das Unrecht auch längst durchschaut. Aber er zog es vor sich zu arrangieren. „Schließlich hält so einer wie Kropp den Laden am Laufen!“  entgegnete er ihr, als sie sich einmal traute, dieses Arrangement „unfair“ zu finden. Und, so fügte er hinzu: „Wir haben stabile Verhältnisse.“ Wenn sie es später mal besser haben wollte, bräuchte sie sich ja in der Schule nur richtig reinhängen.

Anne fand das noch immer höchst unfair. Denn in ihrer Klasse, da saß Felix Kropp, ein Sohn des Vermieters. Und der, der  brauchte sich gar nicht groß reinhängen. Der hatte das „Was Besseres Sein“ schon automatisch drauf.

Einmal hatten sie das auch in der Klasse angesprochen, nur so untereinander. ,„Der Felix fällt weich“, kommentierte es damals Vera, ihre Freundin. „Aber an seiner Seite, da hättest du ein echt bequemes  Leben!“

Vera hatte ein vielsagend verführerisches Gesicht dazu gemacht und laut gekichert, aber ihr, Anne, war da nicht so richtig zum Lachen zumute.  




Anmerkung von eiskimo:

In Anlehnung an eine weithin akzeptierte Normalität.

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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (14.02.25, 09:30)
Knappheit ist gesünder als Überfluss ... Schaff die Profite der Vermieter ab, und es sieht hier bald so aus wie Ende der 80er in der DDR. Klar: Exzesse müssem gestoppt werden, deshalb Mietpreisbremse oder sogar Mietendeckel ... In meiner Erinnerung waren die Kinder aus "besseren" Verhältnissen oft besonders dumm und mussten auf Schulen geschickt werden, die wir "Pressen" nannten, wo sie für viel Schulgeld zu einem Abschluss "gepresst" wurden. Und noch etwas: Gab es in all der Knappheit und Enge nicht doch auch Glück? Und viel zu lachen? Haben nicht vor allem die Mütter wahre "Wirtschaftswunder" vollbracht?

 Regina (14.02.25, 10:23)
Zur Ehrenrettung des Gesetzgebers muss zwar gesagt werden, dass dem Mietwucher, einem uralten Problem, gewisse Beschränkungen auferlegt wurden, so dass der Vermieter nicht völlig willkürlich handeln kann.  

Der Text führt zwei Probleme an: 
1. Ein hoher Prozentsatz fließt der Familie vom Einkommen ab, für die Miete. Das Geld fehlt an anderer Stelle.

Problem 2. beschäftigt sich mit den Gewinnern der Arm- gegen- Reich-Schere und einer Form von Korruption, die Kindern wohlhabender Eltern zugute kommt, wobei das hier nicht konkret genannt wird, ob da Schulabschlüsse gekauft werden oder Lehrer bestochen o.ä.

Eine Lösung dürfte in diesem Fall in Richtung Mietendeckel gehen und dass man Wohnen aufhört, wie Ware zu behandeln, sondern als Recht ansieht.

 eiskimo meinte dazu am 14.02.25 um 11:38:
Danke für diese Hintergründe, die meine Befürchtung bestätigen, dass wir ein unheilvolles soziales Auseinanderdriften erleben, das sich nicht nur beim Thema Wohnen zeigt.
Einerseits haben wir immer mehr Millionäre, die strukturell  auch noch begünstigt werden,  andererseits herrscht Notstand in Jugendämtern, Schulen, Altenheimen und beim Öffentlichen Transport.
Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Die USA zeigen gerade, wie ein paar Superreiche sogar demokratische Grundlagen aushebeln.

 AndreasGüntherThieme antwortete darauf am 14.02.25 um 11:56:
Man könnte es auch so machen, wie es sich bei Neubürgern bewährt hat: die Familie bekommt angemessenen Wohnraum, der Staat bezahlt bzw. unterstützt, so daß die Familie wohnen und leben kann.

Wenn man es wie zB in Berlin praktiziert, daß man für Neubürger Wohnungen baut, deren Mieten kein durchschnittlicher Berliner bezahlen kann, werden sich auch die Vermieter freuen.

Dann werden auch deutsche Familien wieder mehr Kinder haben.

Braucht man also keine mehr zu importieren.

Mit anderen Worten: würde man nicht Geld an Menschen verschenken, die sich in Deutschland nicht wohlfühlen, sondern Deutschen zu Gute kommen lassen, brauchte man sie nicht als Fachkräfte ins Land zu holen.

Antwort geändert am 14.02.2025 um 13:00 Uhr

 Regina schrieb daraufhin am 14.02.25 um 13:01:
https://www.diepresse.com/4725550/studie-mehr-geld-bringt-nicht-mehr-kinder

 AchterZwerg (14.02.25, 17:19)
Lieber Icekimo,

wie Kalle M. habe ich die Hoffnung, dass dieses System zusammenbrechen wird, weil es nun mal kein fortwährendes Wachstum geben kann.
Ca. 250 Jahre dauert die Scheiße schon / erst - ein Nichts angesichts der Ewigkeit! 8-)

 eiskimo äußerte darauf am 14.02.25 um 19:00:
Herr Musk selber glaubt ja auch, dass es bald knallt. Deswegen sein Projekt Mars, wohin er sich dann absetzen könnte.
Die Ratten verlassen das sinkende Erdenschiff.
Ahoi!
Eiskimo
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