Heimkehr

Kurzprosa zum Thema Krieg/Krieger

von  Saira

Der Soldat liegt reglos im Sarg. Sein Gesicht ist bleich wie Stein, als hätte der Schlaf ihn fortgetragen in eine ferne, frostige Landschaft. Ein Rest von Erde klebt am Mantel, die Stiefel sind stumpf vom Staub der Wege. Das Haar, sorgsam geglättet, liegt brav an der Stirn, als wolle es den Tod verleugnen.


Die Hände ruhen auf der Brust, schmal und durchsichtig. Kein Befehl, kein Atemzug – nur Stille und Schmerz.

Die Mutter steht am Rand des Lichts, das schwarze Tuch in harter Faust. Sie sieht die Naht am Ärmel blinken – die, die sie im Frühjahr genäht hatte, bevor er ging.


Sie erinnert sich an den Geruch nasser Wolle, an die Art, wie er die Mütze schief aufsetzte, nur um sie zum Lachen zu bringen.


Nun liegt er da, vom Schweigen umfangen und doch weiter fort, als es Worte sagen könnten. Sie wagt nicht zu sprechen. Nur ihre Hand bewegt sich, streicht über das kalte Tuch, als könne sie die Wärme noch einmal zurückrufen.


Draußen fährt ein Windstoß über die Dächer, ein Kranz aus Tannengrün wankt, irgendwo schlägt eine Glocke. Dann senkt sich Holz auf Haut – ein dumpfer Klang, ein Splittern in der Zeit.


Einen Herzschlag lang neigt sich die Zeit über ihn, als wollte sie ihn halten. Und in diesem Schweigen sieht sie ihn wieder: wie er durchs Morgengrau geht, ohne Gepäck, die Hände in den Taschen, den Blick auf einen Weg gerichtet, der heimführt – und nirgends endet.


 

 

©Sigrun Al-Badri/ 2025



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Kommentare zu diesem Text


 dubdidu (24.10.25, 18:37)
Saira, diese kurze Abschiedsszene ist voller stimmiger Bilder, am eindrücklichsten aber ist für mich der Geruch der nassen Wolle. Diese Erinnerung der Mutter versetzt mich beim Lesen direkt in ihr Erleben.

 Saira meinte dazu am 24.10.25 um 22:41:
Deine Worte freuen mich sehr, dubdidu. Dieser Geruch war für mich der Punkt, an dem Erinnerung und Verlust sich berühren. Etwas, das bleibt, wenn alles Sichtbare verschwunden ist. Vielleicht ist er die letzte Spur von Wärme in einer erkalteten Welt.
 
LG
Saira

 S4SCH4 (24.10.25, 18:46)
Ein stimmiges, ja filmisches Bild vollgepackt mit Ehrlichkeit und Wehmut, Hilflosigkeit und dem Loslassen. 

Das alles in so kurzer Zeit auf den Punkt zu bringen ist eine besondere Kunst, Saira.

Mich würde nicht wundern, wenn du nebenher noch an Drehbüchern oder derlei Szenen arbeiten solltest.

Klasse!
 

Beste Grüße
Sascha

 Saira antwortete darauf am 24.10.25 um 22:44:
Danke, Sascha.  :)   Ich freue mich, dass du das so empfindest. Ich schreibe ganz intuitiv - die Bilder entstehen aus dem Versuch, etwas Unsagbares sichtbar zu machen.
 
Liebe Grüße
Saira

 EkkehartMittelberg (24.10.25, 20:23)
hallo Sigi,

eindringliche Bilder kösen sich ab und verdichten sich zur Heimkehr.

Liebe Grüße
Ekki

 Saira schrieb daraufhin am 24.10.25 um 22:46:
Hallo Ekki, 

ich wollte zeigen, wie sich Erinnerung und Abschied gegenseitig ablösen – wie Bilder vergehen und doch bleiben. Deine Lesart trifft das sehr schön.

Herzliche Grüße
Sigi

 AchterZwerg (25.10.25, 08:11)
Liebe Sigi,

auch ich empfinde die Szene mit der nassen Wolle besonders eindrücklich.
Ein Bild, das mehrere Sinne gleichzeitig anspricht.

Herzliche Grüße
Heidrun

 Saira äußerte darauf am 25.10.25 um 09:46:
Liebe Heidrun,
 
ich wollte etwas festhalten, das man nicht nur sieht, sondern beinahe spürt - schön, dass dich das erreicht hat.
 
Herzlichst
Sigi

 plotzn (25.10.25, 09:28)
Berührend und stimmig geschrieben, liebe Sigi, ohne ins Pathetische abzugleiten. Der Krieg frisst sich durch unzählige Mütter...

Liebe Grüße
Stefan

 Saira ergänzte dazu am 25.10.25 um 09:47:
Lieber Stefan,
 
ja, der Krieg verändert nur seine Gestalt, aber das Leid, das er hinterlässt, bleibt.
 
Danke, dass du das so mitfühlend gespürt hast.
 
Liebe Grüße
Sigi

 Teo (25.10.25, 11:55)
Moin Sigi,
Ja...beeindruckend, dein Beitrag.
Sascha hatte es angedeutet...kV dürfte nur ein Sprungbrett für Größeres sein.
Gruß aus Herne
Teo

 Saira meinte dazu am 25.10.25 um 14:32:
Lieber Teo,
 
danke dir für dein großes Lob.  :)

Das Schreiben ist für mich wie eine stille Insel, auf der Gedanken für eine Weile landen dürfen. Wenn sie dabei ein paar Spuren hinterlassen, freue ich mich.

 
Herzliche Grüße aus dem Norden
Sigi
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