Alle 9.533 Textkommentarantworten von Graeculus

05.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Mir fällt gerade - passend, wie ich meine - ein: Viele beklagen sich, daß die Worte der Weisen immer wieder nur Gleichnisse seien, aber unverwendbar im täglichen Leben, und nur dieses allein haben wir. Wenn der Weise sagt: „Gehe hinüber“, so meint er nicht, daß man auf die andere Seite hinübergehen solle, was man immerhin noch leisten könnte, wenn das Ergebnis des Weges wert wäre, sondern er meint irgendein sagenhaftes Drüben, etwas, das wir nicht kennen, das auch von ihm nicht näher zu bezeichnen ist und das uns also hier gar nichts helfen kann. Alle diese Gleichnisse wollen eigentlich nur sagen, daß das Unfaßbare unfaßbar ist, und das haben wir gewußt. Aber das, womit wir uns jeden Tag abmühen, sind andere Dinge. (Franz Kafka: Von den Gleichnissen)"

05.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Noch an Taina: Daß Kafkas Texte selbst einen starken Gleichnisch-Charakter haben, fällt natürlich ins Auge. Der hier zitierte Text geht noch weiter, was die Sache noch schwerer verständlich macht. Bei Bedarf/Interesse kann ich das mal einstellen."

06.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Was sich im 20. Jahrhundert so alles ereignet hat und sich - wie wir nun feststellen müssen - nunmehr fortsetzt, also 230 Jahre nach der Verkündung der allgemeinen Menschenrechte, läßt sich nicht mehr mit Hegels Vernunft in der Geschichte erklären: Falls da ein Logos am Werke ist, ist es einer, den wir nicht begreifen können. Inwiefern sind Nikolaus von Kues und Meister Eckehart dabei (eventuell) nützlich? Kannst Du das kurz erläutern? Man mag sagen, daß meine Vorstellung von Gerechtigkeit eine beschränkte ist - aber es ist nun einmal die einzige, die ich habe. Der Taoismus beschreibt eine Naturordnung, in der z.B. die Anwendung von Gewalt negative Folgen hat. Ja, tröstet das denn diejenigen, die durch diese Gewalt um ihr Leben gekommen sind? Oft sind die negativen Folgen nicht einmal negativ für diejenigen, die sie zu verantworten haben. Irgendwo habe ich einmal gelesen (ich glaube, es war bei Dostojewskij): Ich möchte, daß jedes einzelne ermordete Kind getröstet wird, sonst kann ich mich mit dieser Weltordnung nicht abfinden. (Vielleicht kennst Du diese Stelle sogar; dann frische bitte meine Erinnerung auf und sage mir, wo das steht.) Gut erinnern kann ich mich noch an einen Dokumentarfilm über die Hinrichtung eines Farbigen in den USA, wobei wir die ganze Zeit den Eindruck haben: 1. Dieser Farbige ist ein sehr sympathischer Mensch. 2. Die Beweise gegen ihn sind jämmerlich. 3. Hier wird ein Unschuldiger hingerichtet! Am Schluß tritt sein Verteidiger vor die Kameras der Journalisten und sagt: "This is a sick world!" Verstehst Du, was ich meine?"

07.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Daß speziell das Judentum eher eine Kult- als eine Glaubensgemeinschaft ist, entspricht meinem - etwas unsicheren - Eindruck, allerdings mehr aus aus Begegnungen mit Juden. Liest man die Thora, kommt man nicht leicht darauf. Als Kultgemeinschaft erscheint mir allerdings das Christentum als wenig attraktiv. Und wenn man direkt sagt, daß man nicht an Gott glaubt, kommt das dort nicht gut an. Die Offenheit für einen Sinneswandel ist eine vorzügliche Eigenschaft, meine ich; aber sie schließt wohl ein unbedingtes Vertrauen in Gott aus. "Offene Weite, kein Spur von heilig" (Bodhidharma) gefällt mir gut. Witzig, einer der Vorzüge des Nicht-Glaubens an ein Leben nach dem Tod ist der, daß man sich dann nicht 'von oben' eine kirchliche Predigt anhören muß."

07.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Das ist eine spannende Interpretation! Die Unterschiede zu meiner fangen schon bei der Deutung des Anfangsabschnitts an. Damit muß ich mich näher befassen und komme dann darauf zurück."

07.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Zum letzten: Da hast Du recht ... ich hätte mich genauer ausdrücken müssen."

07.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Zu Deinem Text: Ist das nicht gut, wie inspirierend der Kafka ist? Mehr kann Literatur ja kaum leisten."

08.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Gewiß steckt in den lateinischen Gebeten, den gregorianischen Chorälen viel theologisches Gedankengut, wenn man auf den Inhalt achtet. Aber darum geht es m.E. nicht und ging es mir jedenfalls nicht in dieser Situation. (Die meisten Gläubigen verstehen ja eh kein Latein.) Es war die Theaterinszenierung, die mich so berührt hat! Deswegen meine ich, daß es da um Riten geht; und deswegen irre ich mich vermutlich, wenn ich sage, daß das katholische Christentum da schwach auf der Brust ist. Evangelische Gottesdienste hingegen kenne ich gar nicht. Sie würden, so vermute ich, nicht auf mich wirken. (Du tust Dich da breitflächiger um.) Rubrizistik kenne ich nicht. Kannst Du das kurz erklären?"

07.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Zum vorigen: Gestatte, daß ich dies mit einem eigenen Eindruck zum Christentum als Kultgemeinschaft beantworte, der meinen Standpunkt in Teilen in Frage stellt. Bei mir: katholischer Hintergrund. Vor ca. 12 Jahren war ich mit Freunden für eine Woche in Rom. Am letzten Tag mußten wir vormittags aus dem Hotel raus, das Flugzeug startete aber erst nachmittags. Was tun mit der Zwischenzeit? In der Nachbarschaft des Hotels befand sich eine der großen Kirchen Roms: Santa Maria Maggiore, Patronatskirche eines Kardinals. Dort begann ein Hochamt (besonders feierliche Messe), und das haben wir uns dann halt angeschaut. Die Liturgie war tridentinisch, also auf Latein, samt Chorgesang. Weihrauch und Kostüme inklusive. So wie ich es aus meiner Kindheit noch kannte. Der Zelebrant war der Kardinal. Ich konnte mir nicht helfen: mir standen die Tränen in den Augen. Das ist ja nun rein kultisch und hat mit theologischem Inhalt nichts zu tun - aber es muß ganz tief sitzen! Übrigens ist es der Freundin mit katholischer Vergangeheit genau so ergangen, während die anderen gar nicht wußten, was wir hatten. Die Kindheitsprägung scheint ungeheuer wichtig, und das ist ja nun eine kultische."

07.07.22 - Kommentarantwort zum eigenen Text  Wiedergeburt?: "Ich habe die Ausgangsthese mit der Meinung "des ersten" gleichgesetzt, was falsch sein kann. Dann bin ich in der Tat von Gleichnissen ausgegangen, die sich auf die Transzendenz beziehen, also beispielsweise Gott, Himmel usw. (an sich uns völlig unbekannt) durch Gleichnisse anschaulich machen: "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn" etc. (Buddhas Gleichnisse haben oft nicht diesen Charakter, sondern sind ganz immanent; aber die meint Kafka sicherlich nicht.) Aber wieso wird man dadurch selbst zum Gleichnis? Als idealer Mensch, so wie Gott und Himmel Ideale, nicht Realitäten sind? Oder als Gläubiger? So recht klar ist mir das nicht, auch nicht in Deiner Interpretation. Das Weitere leuchtet mir bei Dir ein - wobei ich bei Dir dann doch eine kritische Stellung Kafkas zu Gleichnissen herauslese (und dem zustimme). Meint er damit nun auch seine eigenen gleichnishaften Texte? "In der Strafkolonie" ist ja gewiß ein Gleichnis."

Diese Liste umfasst nur von Graeculus abgegebene Antworten bzw. Reaktionen auf Kommentare zu Texten. Eigenständige Textkommentare von Graeculus findest Du  hier.

 
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